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       # taz.de -- Rechte Terrorserie in Neukölln: Aufklärung gefordert
       
       > Vor einem Jahr forderten die Opfer im Neukölln-Komplex mit 25.000
       > Unterschriften einen Untersuchungsausschuss. Ihr Anliegen ist aktueller
       > denn je.
       
   IMG Bild: Auch die mutmaßlich rassistische Ermordung von Burak Bektaş 2012 ist bis heute nicht aufgeklärt
       
       Berlin taz | Genau vor einem Jahr haben die Betroffenen der neonazistischen
       Anschlagsserie in Neukölln eine [1][Petition mit 25.000 Unterschriften für
       einen Untersuchungsausschuss] übergeben, in dem sie Aufklärung forderten.
       Ein Jahr später gibt es diesen noch immer nicht. Und das, obwohl sich in
       diesem Zeitraum Skandale und Ungereimtheiten im Neukölln-Komplex häuften,
       wie einer der Betroffenen, der linke Kommunalpolitiker Ferat Kocak, am
       Mittwochvormittag verdeutlichte: „Eine komplette Aufzählung würde den
       Rahmen sprengen“, sagt er und nennt dann zumindest die fragwürdigsten
       Umstände im Neukölln-Komplex allein aus dem vergangenen Jahr.
       
       Da wären: Ein in [2][Britz wohnender Polizist], der in einer
       AfD-Telegramgruppe [3][Informationen über den Amri-Anschlag] an einen der
       mutmaßlichen Haupttäter durchsteckte. Ein Polizist, der bis 2016
       [4][Vertrauensperson für die Opfer von Rechtsextremismus in Neukölln] war
       und nun wegen eines mutmaßlich rassistisch motivierten Angriffs auf einen
       Afghanen angeklagt ist. Und nicht zuletzt die Abberufung zweier
       [5][Staatsanwälte wegen Befangenheitsverdacht] durch die
       Generalsstaatsanwaltschaft. Die Opfer der Anschlagsserie haben auf einer
       Pressekonferenz am Mittwoch einmal mehr die Brisanz der anhaltenden
       rechtsextremistischen Bedrohungslage unterstrichen.
       
       Und sie erneuerten die Forderung nach einem parlamentarischen
       Untersuchungsausschuss nun auch mit einem in den [6][sozialen Medien
       verbreiteten Video]. Nach jahrelangen erfolglosen Ermittlungen trotz des
       mutmaßlich bekannten Täterkreises der örtlichen Neonazis setzen die
       Betroffenen in die jüngst vom Innensenator Andreas Geisel (SPD) berufenen
       [7][Sonderermittler Uta Leichsenring und Herbert Diemer] keine allzu großen
       Hoffnungen, wie sie am Mittwoch sagten.
       
       Parallel zu den Ermittlungen müsse man die strukturellen Bedingungen für
       dieses Staatsversagen aufklären: Warum gelingt in Neukölln nicht, über 70
       Anschläge seit 2016, aber auch ältere unaufgeklärte Fälle möglicher rechter
       Gewalt wie etwa die [8][Ermordung von Burak Bektas im Jahr 2012] oder
       Brandanschläge 2011 auf das Anton-Schmauch-Haus der Neuköllner Falken
       aufzuklären? Und warum kommt es trotz angeblich gestiegener Wachsamkeit
       weiter zu Anschlägen, Morddrohungen und Hakenkreuz-Schmierereien im
       gesamten Bezirk?
       
       ## Fehlendes Sicherheitsgefühl der Opfer
       
       Ein Untersuchungsausschuss mit derartigen Fragestellungen scheiterte bisher
       vor allem an der SPD. Die Linke will ihn, die Grünen können ihn sich
       mittlerweile als Option in der nächsten Legislatur nach der Arbeit der
       Sonderbeauftragten vorstellen.
       
       Kocak sagte: „Uns geht es schon längst nicht mehr nur um diejenigen, die
       diese Taten ausführen.“ Die Betroffenen möchten wissen, „welche
       Verflechtungen dazu beigetragen haben, dass wir trotz bekanntem Täterkreis
       seit elf Jahren mit einer Ermittlungsquote von null Prozent abgefertigt
       werden.“ Nach zuletzt auch in [9][Berlin aufgeflogenen Chatgruppen bei der
       Polizei] geht es also auch um mögliche rechtsextreme Netzwerke in
       Sicherheitsbehörden.
       
       Claudia von Gélieu, ebenfalls betroffen, empörte sich darüber, dass die
       [10][Ermittler:innen der BAO Fokus,] abgesehen von Gefährdetenansprachen,
       nicht einmal innerhalb von anderthalb Jahren mit den Betroffenen gesprochen
       hätten. Sie sagte: „Die demokratiegefährdende Rechtsentwicklung, Hetze und
       Morddrohungen, die gewalttätige Naziszene ebenso wie Einzeltäter müssen
       aufgehalten werden.“
       
       Auch Mirjam Blumenthal von den Neuköllner Falken berichtete, dass
       LKA-Beamt:innen nicht hinreichend auf Hinweise eingegangen seien und etwa
       Schriftzüge auf Mauern und angezündete Autos nicht ernst genommen oder
       gesichert hätten. Bekannt wurde zuletzt hingegen, dass LKA-Beamte Anzeige
       gegen die [11][Opfer im Neukölln-Komplex] erstattet hatten, weil diese ihre
       wöchentliche Demo vor dem LKA einmal nicht regulär angemeldet hatten.
       
       Die Betroffenen eint, dass sie sich nicht mehr vom Staat geschützt fühlen.
       Heinz Ostermann zum Beispiel, dessen Buchladen und Auto mehrfach zum
       Anschlagsziel wurden, fürchtet nach Lübcke und Hanau, dass die Täter:innen
       künftig noch weitergehen könnten. Er sagt: „Und auf einmal steht einer bei
       mir in der Buchhandlung und es wird nicht nur ein Feuer gelegt.“
       
       4 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Untersuchungsausschuss-in-Berlin/!5635473
   DIR [2] /Ermittlungen-gegen-Berliner-Beamten/!5690788
   DIR [3] /Anschlag-auf-Berliner-Weihnachtsmarkt/!5688454
   DIR [4] /Abschiebung-nach-Afghanistan/!5707119
   DIR [5] /Rechte-Gewalt-in-Berlin-Neukoelln/!5700358
   DIR [6] https://www.youtube.com/watch?v=M8fGaH8WhVU
   DIR [7] /Sonderkommission-in-Berlin-ernannt/!5719004
   DIR [8] /Unaufgeklaerter-Mord-an-Burak-Bekta/!5394316
   DIR [9] /Rechte-Chatgruppe-bei-der-Polizei-Berlin/!5717565
   DIR [10] /Bericht-zur-rechtsextremen-Terrorserie/!5715568
   DIR [11] /Rechte-Anschlagsserie-in-Berlin-Neukoelln/!5713025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gareth Joswig
       
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