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       # taz.de -- Medienschau zur US-Wahl: Eine Lüge als Schlagzeile
       
       > Deutsche Medien übernahmen in der Wahlnacht nicht belegte Behauptungen
       > von Trump. Was medial sonst noch falsch gelaufen ist.
       
   IMG Bild: Einer, der in der Wahlnacht Lügen verbreitete: Donald Trump
       
       In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch (US-amerikanischer Zeit), während
       die Stimmen der Wahl noch ausgezählt wurden, wandte sich US-Präsident
       Donald Trump mehrfach an die Öffentlichkeit. Bei Twitter verbreitete er
       unter anderem die nicht belegte Behauptung, dass es bei der Wahl zu
       Manipulationen gekommen sei. In einer Rede in Washington sagte er kurz
       darauf fälschlicherweise, dass er [1][die Wahl gewonnen habe]. Zusätzlich
       kündigte er an, vor den Obersten Gerichtshof der USA ziehen zu wollen, um
       die Auszählung der Briefwahlzettel stoppen zu lassen.
       
       Dass Trump auch in der Wahlnacht auf Desinformation setzte, ist nicht
       überraschend, diese Strategie hat er während der letzten Jahre stetig
       verfolgt. Erschreckend ist, wie viele Medien noch immer dieses Spiel
       mitmachen.
       
       Dabei versuchten in den letzten Monaten des Wahlkampfs viele Medien, die
       Fehler von vor vier Jahren nicht zu wiederholen. Also nicht auf
       Desinformationskampagnen hereinzufallen: falsche Aussagen und Lügen nicht
       zu wiederholen, sondern einzuordnen und mit Faktenchecks zu ergänzen. Doch
       bei der Berichterstattung zur Wahlnacht scheinen viele ihre eigenen
       Leitsätze vergessen zu haben und auf Sensationsberichterstattung gesetzt zu
       haben. Vor allem in der deutschen Medienlandschaft war das zu beobachten.
       
       Statt Trumps Behauptung, er sei der Sieger der Wahl, als Lüge zu entlarven,
       übernahmen viele Medien seine Narrative in der Überschrift, im Teaser und
       in Ankündigungstexten bei Twitter und Facebook. So twitterte die
       „Tagesschau“: „Trump zur Präsidentenwahl:,Wir haben gewonnen.'“ Auf
       Spiegel.de war als Überschrift zu lesen „Offen gesagt, wir haben diese Wahl
       gewonnen“. Ähnliches war bei der Welt, dem Deutschlandfunk oder den
       Stuttgarter Nachrichten zu lesen.
       
       ## Fehlende Einordnung
       
       Sie alle arbeiteten zwar mit korrekten Zitaten von Trump. Doch bei
       Falschbehauptungen reicht es nicht, diese einfach wiederzugeben, sie müssen
       eingeordnet werden. Und das nicht erst im Fließtext. Sonst macht man eine
       Lüge zur Schlagzeile. Ausreichend ist auch nicht, Trumps Aussage der Rede
       seines Herausforderers Joe Biden gegenüberzustellen. Denn ohne Einordnung
       suggeriert, es handele sich um zwei gleichwertige Behauptungen. Dabei ist
       das eine ein Fakt (Biden: „Die Stimmen werden noch ausgezählt“), das andere
       eine Lüge (Trump: „Ich habe gewonnen“).
       
       Wie es journalistisch richtig geht, haben viele US-amerikanische Medien
       gezeigt. So titelte die New York Times nach Trumps Rede: „As America Awaits
       a Winner, Trump Falsely Claims He Prevailed“. Ähnlich handhabten es auch
       die Washington Post, BuzzfeedNews, CBS oder NPR.
       
       Der zu Beginn angesprochene Tweet von Trump wurde sowohl von Facebook als
       auch von Twitter mit Warnhinweisen belegt. Facebook setzte auf eine
       Richtigstellung und schrieb: „Stimmen werden noch gezählt. Der Gewinner der
       US-Präsidentschaftswahl 2020 wurde noch nicht prognostiziert.“ Bei Twitter
       wurde auf „umstrittene und „möglicherweise irreführende“ Inhalte
       hingewiesen. Einige Medien, so auch die taz, retweeteten Trumps Tweet –
       meist mit Kommentar – trotzdem.
       
       ## Lerneffekt erzielen
       
       Vermutlich auch, um dem Vorwurf zu begegnen, man würde über Trump nur
       kritisch berichten und keine faire Wahlkampfberichterstattung liefern,
       bettete das „ZDF-Morgenmagazin“ am Mittwochmorgen verschiedene Tweets in
       ihre Sendung ein. Unter anderem eine hanebüchene Wahlanalyse eines
       bekannten rechtsextremen Accounts. Dafür kritisiert, [2][rechtfertigte sich
       das Morgenmagazin] damit, einen „Überblick der Stimmungen über alle
       politischen Lager hinweg“ geben zu wollen. Doch faire Berichterstattung und
       Neutralität äußert sich nicht darin, Rechtsextremen eine Plattform zu
       geben.
       
       Nachdem am Mittwoch über den Morgen hinweg verschiedene Medien für ihr
       Framing zu Trumps Aussagen kritisiert wurden, hatten zumindest einige
       Medien ihre Überschriften und Teaser angepasst. Bei Spiegel.de war am
       späten Mittwochvormittag dann zu lesen: „Trump reklamiert Wahlsieg – obwohl
       das Ergebnis nicht feststeht“.
       
       Es bleibt zu hoffen, dass der Lerneffekt dieses mal länger anhält. Denn
       unabhängig davon, wer am Ende die Wahl zum US-Präsidenten gewinnt, mit
       Desinformationen müssen Medien sich auch künftig auseinandersetzen.
       
       4 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Trumps-undemokratisches-Verhalten/!5726244
   DIR [2] https://twitter.com/morgenmagazin/status/1323894817965920259?s=20
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Carolina Schwarz
       
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