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       # taz.de -- Monika Maron und der Fischer-Verlag: Rettung gibt es nur im Exil
       
       > Marons Romane wurden lange süffisant durchgewunken. Der aktuelle
       > fantasiert von Erlösung vor einer angeblichen politisch korrekten
       > Meinungsmasse.
       
   IMG Bild: Die Autorin Monika Maron bei einer Buchvorstellung auf der Leipziger Buchmesse im März 2018
       
       Es ist im Lichte der aktuellen [1][Debatte um Monika Maron] womöglich nicht
       schlecht, noch einmal auf ihren aktuellen Roman zu sprechen zu kommen.
       
       Monika Maron hat in „Artur Lanz“ die Geschichte zweier Männer erzählt. Am
       Ende des Buches leben und arbeiten sie glücklich in der Schweiz, denn beim
       weltweit führenden Kernforschungszentrum CERN kommen die beiden
       Wissenschaftler unter. Dr. Gerald Hauschildt und Artur Lanz sind
       erfolgreich aus Deutschland geflohen, geheim, nicht mal die engste
       Vertraute wusste Bescheid. Durch manche Krise mussten sie gehen, erst
       getrennt, um dann vereint den Sieg davonzutragen.
       
       Früher hätte man gesagt: Es ist eben kein leichter Weg von der Erde zu den
       Sternen, doch wer dort ankommt, den erwarten Freude und Lohn. Angeleitet
       von einer Figur namens Charlotte Winter finden die Männer den Weg durchs
       Nadelöhr in die Freiheit.
       
       Worum also geht es? Oberflächlich betrachtet um Gegensatzpaare: Held und
       Schlappschwanz, Ost und West, Alte und Junge, Aufrichtigkeit und
       Opportunismus. Die Reihe ließe sich fortsetzen. All das ist mal mehr, mal
       weniger lebhaft durchgespielt, mit kleinen Provokationen durchsetzt, die
       das Stöckchen hinhalten in der Gewissheit, dass genügend Liberale und Linke
       drüber springen. Der Plan ist aufgegangen.
       
       ## Holzschnittartige Verarbeitung
       
       Damit der welt- und reflexionsarme Roman überhaupt Stoff bekommt, werden
       hier die Blümchen gepflückt, die seit Jahren unübersehbar am Wegesrand der
       Erregungen stehen und mal als Mikro-, mal Makroaggressionen hochgejazzt
       werden. Die Bürgerlichen, die früher alles erbten, wollten es dann geistig
       erwerben, um es dann zu besitzen, heute fordern sie sofort den
       Hubschraubereinsatz, wenn die Tasche geklaut wird. Geschenkt.
       
       Es ist also nicht die holzschnittartige Verarbeitung des längst Bekannten,
       was Marons Roman Aufmerksamkeit sichern sollte. Es ist die Idee von
       Bekehrung und Erlösung, die im glücklichen Exil endet. Winter löst eine
       Selbstfindung aus, die nicht durch Nachdenken oder die Frage nach richtig
       oder falsch geschieht, sondern durch eine Saulus/Paulus-artige Umkehr.
       
       Im kritischsten Moment trifft Lanz der Strahl, muss die Entscheidung für
       den Freund und dessen Rettung fallen. Ist gerettet, lautet die Botschaft.
       Maron konstruiert ihre alkohol- und zigarettenschwangere Story als
       Geschichte einer Befreiung.
       
       Das Marlboro-Cowgirl Winter setzt den armen, orientierungslosen Lanz aufs
       Pferd und lehrt ihn in die Sonne zu reiten. Obwohl immer schon frei,
       befindet er sich im Selbstfindungsgefängnis. Umstellt von Ängsten, die die
       Lebensgeschichte, vor allem aber falsche Rücksichten, Anpassung und
       schließlich Feigheit produzierten, ist er in die Zelle geraten.
       Hoffnungslos scheint der Fall nicht zu sein, denn er plaudert sich
       therapeutisch begleitet ins Offene.
       
       ## Rechthaber ohne Autorität
       
       Aber so einer wie Lanz kann nur durch Prüfung wirklich frei werden. Und so
       wird er durchs Stahlbad der politischen Korrektheit gejagt, die an allen
       Ecken wartet, um zuzuschlagen. Der Freiheit steht nicht die Autorität,
       sondern der Zwang gegenüber. Da hat Maron aufgepasst und so lässt sie Lanz
       und Hauschildt gegen eine Phalanx der Rechthaber antreten, die ohne
       Autorität sind. Sie haben lediglich die richtige Gesinnung.
       
       Statt den Wahrheitsgehalt hinter der Aussage Hauschildts zu prüfen, wonach
       man schnurstracks ins „Grüne Reich“ marschiere, dieses Mal nicht auf
       „Autobahnen“, sondern auf der „Stromtrasse“, fordern sie Reue,
       Unterwerfung, schließlich die Entfernung des einsamen Rufers in der Wüste.
       Eine Situation, die Winter fragen lässt, ob nicht „plötzlich […] sich die
       Großtaten der Wissenschaft als Untaten heraus[stellen]“. „Der Dünger, die
       Flugzeuge, die Atomkraft, die Autos – alles nur noch todbringende
       Gefahren.“
       
       Angetrieben ist die ganze Geschichte von zwei phrasenhaften rhetorischen
       Fragen: „Kann man jemanden nur verteidigen, wenn er Recht hat? Ist es nicht
       auch ein Recht, Unrecht zu haben?“ Widerstand leisten, wo Wohlmeinende
       tatsächlich den Höllenschlund der Existenzvernichtung geöffnet haben,
       persönliche Solidarität über die Wahrheitsfrage hinaus, bedingungsloses
       Ausharren an der Seite derer, die sich gegen die übergroße Meinungsmasse
       auflehnen. So, wie es Monika Maron mit der Dresdner Buchhändlerin
       [2][Susanne Dagen] hält.
       
       Nachdem die Erlösungsfantasie hinein ins Exil auch in der Kritik zumeist
       süffisant durchgewunken wurde, schien alles gut zu werden. Bis der
       Fischer-Verlag reagierte. Wer den Roman aufmerksam liest, der kann sehen,
       dass die Trennung von der Autorin eingepreist war.
       
       23 Oct 2020
       
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