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       # taz.de -- Aufruhr in Westafrika: Eskalation in Guinea
       
       > Vor dem erwarteten Wahlsieg des Präsidenten kommt es vielerorts zu
       > Gewaltausbrüchen. Nigerias Präsident droht der Protestbewegung in seinem
       > Land.
       
   IMG Bild: Unruhen in Guineas Hauptstadt Conakry
       
       Berlin taz | „Wir haben in der Nacht kein Auge zugetan, wegen der
       Explosionen und der ständigen Schüsse“, berichtete ein Bewohner von Guineas
       Hauptstadt Conakry der Nachrichtenagentur AFP. „Es ist, als befänden wir
       uns im Krieg. Die kleinen Kinder sind traumatisiert, die älteren sind
       draußen auf der Straße und liefern sich Schlachten mit den
       Ordnungskräften“. Jeden Tag melden Guineas Medien neue Tote aus
       unterschiedlichen Städten: Opfer von Schüssen der Sicherheitskräfte oder
       auch von Angriffen aufgeputschter junger Demonstranten.
       
       Die Gewalt konzentriert sich auf Hochburgen des Oppositionsführers Cellou
       Dalein Diallo, der sich am Montag zum Sieger der Präsidentenwahl vom Vortag
       erklärte hatte. Seine Residenz in Conakry und die Zentrale seiner Partei
       UFDG (Union der Demokratischen Kräfte Guineas) sind von der Polizei
       abgeriegelt.
       
       Während Diallo den Sieg mit gut 53 Prozent der Stimmen beansprucht, sieht
       Guineas Wahlkommission [1][Amtsinhaber Alpha Condé], der sich um eine
       dritte Amtszeit bemüht, klar vorn: nach Auszählung von über 90 Prozent der
       Stimmen kam Condé demnach am Freitag früh auf eine Zweidritttelmehrheit.
       
       Der Rücktritt von zwei Mitgliedern der Wahlkommission wegen mutmaßlicher
       Unregelmäßigkeiten überschattet allerdings jetzt schon die für das
       Wochenende erwartete Verkündung des amtliches Endergebnisses. Die Regierung
       hat die Armee angefordert, um dann für Ruhe zu sorgen.
       
       ## Krankenhaus abgeriegelt
       
       Nach amtlichen Angaben hat die Gewalt in Guinea seit den Wahlen 14 Tote
       gefordert, doch eine vollständige Bilanz liegt nicht vor. Gegenüber lokalen
       Medien bestätigte der Bürgermeister von Diallos Heimatstadt Labé zwei Tote,
       aber das seien nur die, von denen er persönlich wisse; es gebe viele
       Verletzte in kritischem Zustand und die Sicherheitskräfte hätten das
       Krankenhaus abgeriegelt.
       
       Aus der Stadt Télimélé wird gemeldet, sämtliche Straßen seien abgesperrt
       und die meisten Leute säßen verängstigt in ihren Häusern. Aus der Stadt
       Macenta heißt es, die Polizei und Gendamerie sowie der Präfekt hätten am
       Donnerstag die Flucht ergriffen und die Stadt den Demonstranten überlassen.
       
       Die Gewalt in Guinea nährt Sorgen vor einer ähnlichen Eskalation in der
       benachbarten Elfenbeinküste, wo sich Präsident Alassane Ouattara am 31.
       Oktober für eine dritte Amtszeit bewirbt und die Opposition zum „aktiven
       Boykott“ und zur Verhinderung der Wahlen aufruft. In der
       Oppositionshochburgen Dabou hat es bereits sieben Tote gegeben.
       
       Vermittlungsversuche einer westafrikanischen Delegation blieben bislang
       erfolglos. Die Opposition lehnte am Donnerstag abend ein Dialogangebot der
       Regierung ab und warf ihr mangelnde Dialogbereitschaft vor.
       
       ## Eingeschränkte Möglichkeiten
       
       Die Möglichkeiten [2][Westafrikas], mäßigend in Guinea und der
       Elfenbeinküste einzuwirken, sind durch die Krise im größten
       westafrikanischen Land Nigeria eingeschränkt. Noch nie stand der
       nigerianische Präsident Muhammadu Buhari so unter Druck wie in dieser
       Woche, in der er die Armee gegen eine seit zwei Wochen anschwellende
       Protestbewegung losgeschickt hat.
       
       Allein am Dienstag gab es laut amnesty international 38 Tote, insgesamt 56.
       In Lekki in der größten Stadt Lagos töteten Soldaten mindestens 12
       Demonstranten bei der Auflösung eines Sit-In.
       
       Buhari rief in einer Ansprache in der Nacht zum Freitag zum Ende der
       Proteste auf. „Eure Stimme wurde gehört und wir antworten“, so der
       Präsident. So habe man die umstrittene Polizeieinheit SARS, gegen die sich
       die Proteste ursprünglich richteten, unverzüglich aufgelöst.
       
       „Leider scheint unsere Sofortreaktion als Zeichen der Schwäche
       missverstanden worden zu sein“, behauptete Buhari. Der „ehrliche Protest“
       sei für „unpatriotische Interessen“ missbraucht worden und solle jetzt
       enden, alles andere werde „unter keinen Umständen toleriert“. Die Rede
       stieß noch in der Nacht auf verbreitete Kritik, vor allem weil der
       Präsident zwar die „unschuldigen Toten“ als „unnötig“ bezeichnete, aber
       nichts zum Massaker vom Dienstag sagte.
       
       23 Oct 2020
       
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