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       # taz.de -- EU-Parlament winkt Agrarreform durch: „Nur ein grüner Anstrich“
       
       > Das Europaparlament stimmt für die umstrittene Agrarreform und rettet den
       > Veggie-Burger. Kritiker monieren fehlenden Klimaschutz.
       
   IMG Bild: Der „Veggie Burger“ darf auch zukünftig als Burger bezeichnet werden
       
       Brüssel taz | Das Europaparlament will die EU-Agrarpolitik ein wenig
       ökologischer und klimafreundlicher machen. Eine radikale [1][Agrarwende
       nach dem Geschmack von Grünen] und Umweltverbänden soll es jedoch nicht
       geben. Dies beschloss eine Mehrheit der Europaabgeordneten am Freitag nach
       tagelangem, erbitterten Streit.
       
       Künftig werde es weniger Geld für große Agrarbetriebe und mehr
       Unterstützung für bäuerliche Landwirtschaft und Umweltschutz geben, sagte
       der CDU-Abgeordnete Peter Liese. Der Beschluss gehe weit über das hinaus,
       was die [2][Agrarminister am Mittwoch in Luxemburg beschlossen haben].
       Unter Leitung der deutschen Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) hatte der
       Ministerrat entschieden, dass künftig 20 Prozent der Direktzahlungen nach
       ökologischen Kriterien vergeben werden. Das EU-Parlament stockte diesen
       Anteil nun auf 30 Prozent auf.
       
       Das sei aber immer noch nicht genug, kritisiert Greenpeace-Experte Lasse
       van Aken. „Die EU-Agrarpolitik bekommt nur einen grünen Anstrich“, sagte
       er. Zwar gehe das Europaparlament weiter als der Rat. „Aber die
       Schlupflöcher sind schon eingebaut“, fürchtet van Aken. Von einem guten
       Kompromiss sprach dagegen der Vorsitzende des Umweltausschusses, der
       liberale Franzose Pascal Canfin. „Das Europäische Parlament hat den Text
       erheblich verbessert“, sagte er. Fast 100 Milliarden Euro würden an die
       Umgestaltung der Landwirtschaft fließen. Insgesamt beträgt das Agrarbudget
       rund 387 Milliarden Euro.
       
       Vor der Abstimmung waren sich die deutschen Grünen und die SPD öffentlich
       in die Haare geraten. Die SPD war am Freitag überraschend auf Distanz zu
       dem Reformpaket gegangen, das sie in einer ersten Abstimmung am Mittwoch
       noch mitgetragen hatte. „Unsere roten Linien wurden fast alle gerissen“,
       sagte die stellvertretende Parlamentspräsidentin Katarina Barley auf
       Twitter. Die landwirtschaftspolitische Sprecherin der Europa-SPD, Maria
       Noichl, erklärte, es sei nicht gelungen, die Agrarpolitik in den geplanten
       „Green Deal“ für den Klimaschutz einzubinden. „Deshalb stimmen wir gegen
       die vorliegenden Vereinbarungen.“
       
       ## Ministerrat muss noch zustimmen
       
       Die Grünen warfen den deutschen Sozialdemokraten „ein unglaubwürdiges
       Theater“ vor. Schließlich habe Noichl die Reform gemeinsam mit
       Konservativen und Liberalen ausgehandelt, so der Abgeordnete Sven Giegold.
       Nun wolle die SPD ausscheren und gegen die Fraktionsmehrheit stimmen. Dies
       sei „Symbolpolitik ohne Wirkung“.
       
       Die Entscheidungen des EU-Parlaments sind allerdings noch nicht das Ende
       des Gesetzgebungsverfahrens. Vielmehr steht noch eine Einigung mit dem
       Ministerrat, also der Vertretung der 27 Mitgliedsstaaten, aus. Ein erster
       Trilog, an dem auch die EU-Kommission beteiligt ist, wird Anfang November
       erwartet.
       
       Ebenfalls am Freitag sprach sich das Europaparlament für die [3][Rettung
       des „Veggie Burger“] aus. Fleisch-Ersatzprodukte dürfen demnach auch
       künftig als Burger, Steak oder Wurst bezeichnet werden. Pflanzliche
       Alternativen für Milchprodukte werden hingegen verbannt. Vor drei Jahren
       hatte die EU bereits „Soja-Milch“ und „veganen Käse“ verboten.
       
       „Zur Feier des Tages gehe ich jetzt einen veganen Burger essen“, sagte die
       schwedische Europaabgeordnete Jytte Guteland nach der Abstimmung.
       Unzufrieden waren dagegen die Vertreter der Landwirtschaftsverbände. Sie
       hatten sich für ein Verbot des „Veggie Burgers“ und ähnlicher kulinarischer
       Kreationen stark gemacht. Die Anlehnung an Fleischprodukte führe
       Verbraucher in die Irre.
       
       Der europäische Verbraucherverband BEUC signalisierte dagegen Zustimmung.
       Es sei gut, dass die Abgeordneten dem gesunden Menschenverstand gefolgt
       seien, sagte BEUC-Expertin Camille Perrin. Die Verbraucher könnten sehr
       wohl ein Soja-Steak von einem echten unterscheiden.
       
       23 Oct 2020
       
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