# taz.de -- Nach Vereinbarung in Genf: In Libyen schweigen die Waffen
> Bislang hält der landesweite Waffenstillstand, auf den sich die
> Konfliktparteien am Freitag geeinigt haben. Die UNO kann einen Erfolg
> verbuchen.
IMG Bild: Die Verhandelnden vergangene Woche in Genf
Tunis taz | In Libyen ist [1][der landesweite Waffenstillstand] eingehalten
worden, der unter Federführung der UNO in Genf unterzeichnet worden ist.
Die zuvor nur mündlich vereinbarten lokalen Nicht-Angriffsabkommen hatten
die Unterhändler von Chalifa Haftars Libyscher Nationalarmee (LNA) und der
Einheitsregierung in Tripolis unter Fajis al-Sarradsch am Freitag in ein
umfangreiches Paket geschnürt.
Stephanie Williams, Leiterin der UN-Mission für Libyen (UNSMIL), sprach von
einem „historischen“ Abkommen für Libyen. Ausländische Söldner müssten nun
innerhalb von drei Monaten abziehen, so die Diplomatin. Libysche
Militäreinheiten sollen sich in die Kasernen zurückziehen. Danach sollen
alle bewaffneten Gruppen unter ein Kommando gestellt werden.
Während der Waffenstillstand in der Bevölkerung mehrheitlich mit
Erleichterung aufgenommen wurde, reagierten Verbündete der Kriegsparteien
zurückhaltend. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan zeigte sich
skeptisch, ob die Vereinbarung eingehalten werden würde. Er kritisierte am
Freitag, dass der Waffenstillstand nicht von höchster Stelle vereinbart
worden sei. Die Türkei hat mehrere Tausend syrische Söldner und
Militärberater nach Libyen geschickt und damit den Rückzug von Haftars
Armee aus Tripolis erzwungen.
Türkische Militärs trainieren neuerdings auch die libysche Küstenwache und
die Luftwaffe. Im Gegenzug hat die libysche Einheitsregierung umfangreiche
Wirtschaftsabkommen mit der Türkei geschlossen. Zuletzt wurde der
Wiederaufbau des internationalen Flughafens von Tripolis an ein türkisches
Baukonsortium vergeben.
Der Hauptabschreckungsfaktor gegen die mit türkischer Hilfe aufgerüsteten
westlibyschen Einheiten sind ein Dutzend russische Mig-29-Kampfflugzeuge,
die auf dem Militärflughafen des zentrallibyschen Jufra stationiert sind.
Haftars LNA kontrolliert immer noch die meisten Ölfelder und damit die
Haupteinnahmequelle des Staats. Söldner der privaten russischen
Sicherheitsfirma Wagner und angeheuerte sudanesische Rebellen, die
aufseiten Haftars kämpfen, konnten eine geplante türkische Offensive auf
die Ölfelder verhindern.
## Abkommen bleibt vage
Der Leiter von Haftars Delegation in Genf, Mohammed Alamami, bezeichnete
das Abkommen vom Freitag als wichtigen Schritt zu einem dauerhaften Frieden
in Libyen. Ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell teilte mit,
das Abkommen sei ein Schlüssel für die Wiederaufnahme des politischen
Friedensprozesses. Dieser sei die Vorbedingung für die zugesagten
Finanzhilfen sowie für ein weiteres Engagement der EU in Libyen.
Das Genfer Abkommen bleibt in vielen Punkten allerdings vage, etwa bei der
von Tripolis geforderten Demilitarisierung der Stadt Sirte und der
Ölfelder. Haftars Offiziere wollen in Zentrallibyen nur gemeinsame
Patrouillen zulassen.
Laut Abkommen muss auch das Training von libyschen Militärs durch
ausländische Berater beendet werden. „Werden die türkischen und russischen
Militärs einfach so abziehen und damit freiwillig die Kontrolle über
Afrikas ölreichste Region aufgeben?“, fragt der politische Analyst Wail
al-Uscheibi aus Bengasi gegenüber der taz, „ich bezweifle das.“
Mit dem Waffenstillstand ist es der nur übergangsweise als UNSMIL-Chefin
agierenden Williams gelungen, den politischen Übergangsprozess wieder in
die Hände der UNO zu legen. Al-Uscheibi hofft, dass nun die Beschlüsse der
Berliner Libyen-Konferenz aus dem Januar umgesetzt werden. Ab dem 9.
November finden in Tunis Gespräche über die Schaffung einer gesamtlibyschen
Regierung und über eine eventuelle Neuwahl statt. „Viele Milizen werden
jede Gelegenheit nutzen, um den politischen Prozess zu torpedieren“, warnt
al-Uschaibi.
25 Oct 2020
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## AUTOREN
DIR Mirco Keilberth
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