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       # taz.de -- Keine Coronatests trotz direktem Kontakt: Vor dem Virus kapituliert
       
       > In Bremen soll ab jetzt auch für Kontaktpersonen der Kategorie 1 kein
       > Coronatest mehr gemacht werden: Die Labore sind schlicht überlastet.
       
   IMG Bild: Die Labore sind mit der Auswertung der Coronatests zunehmend überlastet
       
       Bremen taz | Bisher reichte direkter Kontakt zu Corona-Infizierten
       allerorten für eine Test-Empfehlung des Gesundheitsamtes aus. Bremen schert
       jetzt aus diesem Konsens aus: Auch Kontaktpersonen der ersten Kategorie
       werden nicht mehr getestet, wenn sie keine Symptome zeigen. Einzig für
       Risikogruppen oder Menschen mit viel Kontakt zu solchen gelten weiter
       andere Vorschriften.
       
       Der Grund für die Entscheidung: Die Labore sind überlastet. In der
       vergangenen Woche hatte sich bei insgesamt 18.300 durchgeführten Tests
       bereits ein Rückstau gebildet. Der liegt zwar vor allem an fehlendem
       Material, das nun nachgeliefert werde, [1][dennoch sieht sich das Land am
       Rande der Kapazitäten.] 
       
       „Im Fokus steht der Schutz der vulnerablen Gruppen“, sagt Lukas Fuhrmann,
       Sprecher der Bremer Gesundheitsbehörde. „Wenn wir jetzt nicht etwas ändern,
       werden wir die Laborkapazitäten in den Pflegeeinrichtungen oder Kliniken
       bald schmerzlich vermissen.“ Dort beginne man jetzt mit den Schnelltests –
       all die so erlangten positiven Ergebnisse müssten zusätzlich mit PCR-Tests
       bestätigt werden, was für die Labore weitere Arbeitslast bedeuten werde.
       
       Schon jetzt ist die Positivquote in Bremen so hoch wie noch nie: Rund acht
       Prozent der Getesteten haben Corona. Das spricht eigentlich nicht dafür,
       dass aktuell zu breit getestet wird.
       
       ## Auch anderswo wird die Verfolgung schwieriger
       
       [2][Auch andere Länder] kommen mit dem Testen oft nicht mehr hinterher.
       „Ich vermute, dass wir das verkünden, was andere Bundesländer einfach
       stillschweigend so machen“, vermutet Fuhrmann.
       
       Nicht nur Tests, sondern die gesamte Kontaktermittlung bereitet dabei
       Probleme: In einem [3][Bericht der Neuen Osnabrücker Zeitung] vom Mittwoch
       gesteht ein Sprecher aus Verden ein, dass eine „Nachverfolgung aller
       Infektionsketten innerhalb von 48 Stunden nicht mehr möglich“ sei. Das
       Gesundheitsamt setze seine Schwerpunkte daher auf die Isolierung der
       Infizierten und den Schutz von Gemeinschaftseinrichtungen und
       Risikogruppen.
       
       In Hamburg zumindest will man vom Bremer Weg aber noch nichts wissen. „Alle
       Kontaktpersonen 1. Grades können sich auf Corona testen lassen“, heißt es
       aus der dortigen Gesundheitsbehörde. man befolge damit die Empfehlungen des
       Robert-Koch-Institus (RKI).
       
       Mit denen begründet man auch in Bremer Gesundheitsressort das eigene
       Vorgehen – schließlich habe das RKI gerade neue Empfehlungen gegeben. Das
       stimmt zwar, allerdings [4][rückt das RKI darin] gerade nicht von der
       Testung von Kategorie-1-Kontakten ab. Das Institut empfiehlt stattdessen,
       bei unklarer Symptomatik Menschen ohne direkten Kontakt nicht prioritär zu
       testen.
       
       ## Ohne Tests kann Kontrollverlust folgen
       
       Was bedeutet also eine Aussetzung der Tests für die Praxis? Kontaktpersonen
       der ersten Kategorie sollen auch weiterhin in Quarantäne; anstecken können
       sie also ohnehin niemanden. Lediglich die täglich neuen Infektionszahlen
       werden voraussichtlich unzuverlässiger. Die Möglichkeit, durch einen
       negativen zweiten Test vorzeitig aus der Kontakt-1-Quarantäne entlassen zu
       werden, gab es [5][in Bremen ohnehin nicht.]
       
       Epidemiologisch hätte die neue Art zu testen also geringe Folgen, könnte
       man zunächst meinen. Das stimmt aber nur auf den ersten Blick: Symptomarme
       Corona-Infizierte haben in den Tagen vor ihrer Quarantäne womöglich schon
       Menschen getroffen. Da sie selbst nicht positiv auf Corona getestet werden,
       besteht für ihre eigenen Kontaktpersonen auch keine Vorschrift zur
       Quarantäne oder Selbstisolation – die Kontrolle über das
       Ansteckungsgeschehen schwindet weiter.
       
       „Ein Problem ist das ganz sicher, aber kein absolut großes“, glaubt
       Fuhrmann von der Gesundheitsbehörde. Schließlich seien Menschen ohne
       Krankheitssymptome auch weniger ansteckend.
       
       ## Funktionsfähige Labore haben Priorität
       
       „In einer idealen Welt“, sagt der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb, „würde ich
       das Vorgehen natürlich nicht empfehlen.“ Die Gefahr, dass sich das Virus
       über unerkannte Infektionswege verbreitet, sei mit einer solchen Strategie
       größer. „Mein eigener Zugriff, andere Personen über eine Bedrohung zu
       informieren, ist kleiner, wenn ich kein Ergebnis bekomme“, sagt Zeeb. Doch
       auch er sieht die überlasteten Labore. „Die müssen funktionsfähig gehalten
       werden, vielleicht muss dahinter alles andere zurückstehen.“
       
       Für den Vorsitzenden des Bremer Hausärzteverbandes ist die Entscheidung,
       die Nachverfolgung durch weniger Tests einzuschränken, gar nicht so
       revolutionär. „Lange wurde uns vermittelt: Wir wollen alle testen, um alle
       zu erfassen“, sagt Hans-Michael Mühlenfeld. „Aber aus dieser
       Containment-Strategie sind wir schon länger raus, das sagt nur keiner so
       deutlich.“
       
       Für die Gesundheit des Einzelnen, so beruhigt er aber, habe ein Test
       ohnehin nur begrenzte Bedeutung. Schließlich ändert sich die Therapie bei
       milden Symptomen mit einer Diagnose nicht weitgehend. Patient*innen mit
       kratzendem Hals empfiehlt er deshalb schon länger, sich weitgehend zu
       isolieren und die Entwicklung genau zu beobachten, statt gleich zu testen.
       
       Problematisch könnte die neue Teststrategie für die Schulen werden – gerade
       Jugendliche bleiben oft symptomarm. Regelungen wie Unterricht in halben
       Klassen oder der Umstieg auf Homeschooling werden von den Ländern, auch von
       Bremen, [6][aber weiterhin abgelehnt.]
       
       13 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Aktuelle-Entwicklungen-in-der-Coronakrise/!5726377/
   DIR [2] /Aktuelle-Entwicklungen-in-der-Coronakrise/!5726377/
   DIR [3] https://www.noz.de/deutschland-welt/niedersachsen/artikel/2163582/warum-die-infektionszahlen-in-manchen-landkreisen-so-hoch-sind?amp
   DIR [4] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Teststrategie/Testkriterien_Herbst_Winter.html;jsessionid=79921CEA1238CF539AE98B1FEE3CFFF0.internet091
   DIR [5] https://www.senatspressestelle.bremen.de/detail.php?gsid=bremen146.c.347140.de&asl=bremen02.c.732.de
   DIR [6] /Nord-Schulen-bleiben-offen/!5723755/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lotta Drügemöller
       
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