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       # taz.de -- Neue Flüchtlingsunterkünfte: Ein bisschen Zuhause
       
       > In Marzahn eröffnet der erste Standort der neuen Unterkünfte für
       > Geflüchtete: Wohnungen statt Heimatmosphäre und Infrastruktur wie eine
       > Kita vor Ort.
       
   IMG Bild: Eine Küche in der neuen Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Marzahn mit abgeschlossenen Wohneinheiten
       
       Von außen sehen die beiden grau-bunten Gebäude im Murtzaner Ring in Marzahn
       wie ganz normale Wohnhäuser aus. Und das war auch das erklärte Ziel bei der
       zweiten Generation der Flüchtlingsunterkünfte, die der Senat derzeit bauen
       lässt: Ende November werden in die noch nicht völlig fertiggestellten
       Gebäude 431 Flüchtlinge einziehen. Sascha Langenbach vom Landesamt für
       Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) spricht vom ersten Standort der zweiten
       Generation der Modularen Unterkünfte für Flüchtlinge in Berlin. Anders als
       bei der Errichtung anderer Flüchtlingsunterkünfte in Marzahn sind zur
       Eröffnung keine Bürgerproteste angemeldet.
       
       Wer hier einzieht, hat deutlich mehr Platz zum Leben als die 6
       Quadratmeter, die Flüchtlingen in Gemeinschaftsunterkünften per Gesetz
       zustehen. Allerdings auch weniger, als Menschen üblicherweise in Wohnungen
       haben: Eine vierköpfige Familie soll sich zwei Zimmer teilen. Dazu kommen
       eine geräumige Küche mit Sitzplätzen, eine kleine Sanitärzelle und eine
       Besenkammer, also quasi eine abgeschlossene Wohnung. Das unterscheidet
       diese Unterkunft von anderen Flüchtlingsheimen, wo man sich Küche und
       Sanitärräume oft mit allen Bewohnern einer Etage teilen muss.
       Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) sagt: „Die Bewohnerinnen und
       Bewohner haben somit mehr Privatsphäre als in herkömmlichen
       Gemeinschaftsunterkünften. Das ist eine gute Grundlage, um ein
       selbstbestimmtes Leben zu führen.“
       
       Laut LAF-Sprecher Langenbach ist diese in kurzer Zeit durch die
       Senatsverwaltung für Stadtentwicklung errichtete Unterkunft speziell für
       große Familien gedacht, „die auf dem Wohnungsmarkt schwer eine eigene
       Wohnung finden, die aber auch in anderen Flüchtlingsheime aus
       organisatorischen Gründen oft nicht in benachbarten Zimmern wohnen können.“
       Für sie gibt es beispielsweise Achtpersonenwohnungen mit je fünf kleinen
       Zimmern. Die beiden für 27 Millionen Euro errichteten Gebäude sollen 80
       Jahre stehen und können als normale Wohnhäuser genutzt werden, wenn der
       Bedarf an Flüchtlingsunterkünften sinkt.
       
       Ein wenig unterscheidet sich das Wohnen in der Flüchtlingsunterkunft doch
       von dem in normalen Wohnungen. Die spärlichen, aber funktionalen Möbel
       stellt der Heimträger. Waschmaschinen stehen den Bewohnern in zwei
       separaten Räumen zur Verfügung. Deren Nutzung muss man also mit den
       Mitbewohnern abstimmen. Und es gibt eine soziale Betreuung, wenn auch in
       geringerem Umfang als für Geflüchtete, die neu nach Berlin kommen. Denn wer
       hier einzieht, wohnt schon länger in Berlin und soll lernen, auf eigenen
       Beinen zu stehen: Wege zu Behörden allein auf dem Handy finden, statt sie
       sich von einem Sozialbetreuer ausdrucken zu lassen, zum Beispiel. Für
       Schulkinder gibt es einen betreuten Hausaufgabenraum.
       
       ## Infrastruktur auch für die Nachbarn
       
       Wichtig ist dem Land Berlin, dass alle neu zu schaffenden Unterkünfte der
       zweiten Generation Infrastruktur beinhalten, die nicht allein den
       Flüchtlingen dient, sondern allen Bewohnern im Kiez. Das soll auf der einen
       Seite der Integration der Geflüchteten dienen, aber auch die Akzeptanz von
       Flüchtlingsunterkünften erhöhen, gegen deren Bau es in Berlin längst nicht
       mehr so lauten Widerstand gibt wie zwischen 2013 und 2017.
       
       Was da genau entsteht, werde mit dem jeweiligen Bezirksamt abgestimmt, sagt
       Sascha Langenbach. In Treptow-Köpenick sei ein weiterer Standort in
       Planung, in Steglitz-Zehlendorf zwei. In Marzahn, wo Kitaplätze knapp sind,
       hatte sich das Bezirksamt eine integrierte Kita gewünscht. Sie zieht in
       eines der beiden Gebäude und steht allen Kindern in Marzahn offen.
       
       Auch auf dem Spielplatz vor dem Wohnheim sollen einmal alle Kinder der
       Nachbarschaft spielen dürfen. Und eine vom Spielplatz zugängige
       Begegnungsküche soll dazu dienen, dass alteingesessene Marzahner und
       Flüchtlinge einander beim Kochen kennenlernen können, erklärt Julia Morais
       von der Evangelischen Stephanus-Stiftung, die die Unterkunft betreibt.
       Allerdings wird dieses Angebot wohl warten müssen, bis die Coronapandemie
       im Griff ist.
       
       10 Nov 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marina Mai
       
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