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       # taz.de -- Statistik zu Gewalt in Beziehungen: „Der Feind im eigenen Bett“
       
       > Häusliche Gewalt steigt laut Zahlen des BKA. Corona habe dies „sehr
       > wahrscheinlich“ noch verschärft, so Frauenministerin Franziska Giffey.
       
   IMG Bild: Bundesfrauenministerin Franziska Giffey (SPD) mit einem Schild ihrer Initiative „Stärker als Gewalt“
       
       Berlin taz | „Die Zahlen steigen, und sie schockieren“, sagte
       Bundesfrauenministerin Franziska Giffey (SPD): Mehr als 142.000 Fälle von
       [1][häuslicher Gewalt] gab es hierzulande im Jahr 2019. Mehr als 80 Prozent
       der Opfer waren Frauen. Und mehr als die Hälfte der Betroffenen lebte mit
       dem Täter unter einem Dach. „Das ist der Feind im eigenen Bett“, sagte
       Giffey bei der Vorstellung der Sonderauswertung Partnerschaftsgewalt des
       Bundeskriminalamts am Dienstag in Berlin.
       
       Ähnlich viele Frauen wie im Jahr zuvor starben durch Gewalt in
       Partnerschaften oder Ex-Partnerschaften: 117 Mal kam 2019 eine Frau durch
       Mord, Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge um – fast jeden
       dritten Tag im Jahr. Noch gebe es keine Zahlen zu den Fällen während der
       Coronapandemie ab März dieses Jahres, sagte Giffey. Es sei aber „sehr
       wahrscheinlich“, dass diese die Lage weiter verschärft habe.
       
       Das zeigen auch erste Auswertungen des bundesweiten [2][Hilfetelefons gegen
       Gewalt gegen Frauen], das 24 Stunden am Tag erreichbar ist. Corona sei das
       bestimmende Thema für ihre Arbeit 2020, sagte Leiterin Petra Söchting. Seit
       April seien die Beratungskontakte im Bereich häuslicher Gewalt um 20
       Prozent gestiegen: „Wir haben mittlerweile alle 20 Minuten eine Anfrage zum
       Thema Gewalt in Partnerschaften und ehemaligen Partnerschaften.“
       
       Das BKA erhebt die gesonderten Zahlen im Bereich Partnerschaftsgewalt erst
       seit 2015. Dabei geht es um psychische Straftaten wie Bedrohung, Stalking
       oder Nötigung, aber auch um körperliche Delikte wie Vergewaltigung,
       Körperverletzung, Mord und Totschlag. Die Statistik, sagte BKA-Präsident
       Holger Münch, bilde allerdings nur das Hellfeld ab – also das, was bei der
       Polizei zur Anzeige kommt. „Das Dunkelfeld ist in diesem Bereich
       erheblich“, sagt Münch.
       
       ## „Schweigen schützt die Täter.“
       
       Der Weg zur Polizei werde aus vielen Gründen nicht gesucht: „Aus Angst vor
       möglichen Konsequenzen, aus Scham oder finanzieller Abhängigkeit.“ Münch
       warb dafür, dennoch Kontakt zur Polizei zu suchen: „Schweigen schützt die
       Täter.“ Es sei besser, einmal mehr einen Hinweis zu geben als einmal zu
       wenig. Gerade in [3][der Coronakrise] müsse dabei auch das Umfeld
       Verantwortung übernehmen, also zum Beispiel der Freundeskreis oder
       Nachbar:innen.
       
       Giffey und Münch kündigten an, ab 2021 die erste repräsentative
       Dunkelfeldstudie zu starten, in der Frauen und Männer zu Gewalterfahrungen
       in Paarbeziehungen befragt werden. „Wir müssen das Dunkelfeld weiter
       aufhellen“, sagte Münch. Zudem solle die Studie Menschen anregen, über ihre
       Erfahrungen zu sprechen und das Tabu zu brechen, sagte Giffey – nur so
       könnten sie sich auch Hilfe holen. Bislang holten sich bis zu 80 Prozent
       der Betroffenen keine.
       
       Giffey bekräftigte außerdem ihr Vorhaben, im Frühjahr über Eckpunkte für
       eine gesetzliche Regelung über einen Rechtsanspruch auf einen Platz im
       Frauenhaus zu sprechen. 350 Frauenhäuser gibt es hierzulande – zu wenig,
       sagte Giffey: „Es gibt weiße Flecken in Deutschland“, an denen Frauen nicht
       ausreichend Hilfe bekommen. Sie setze auf einen Ausbau der Häuser und
       Beratungsstellen.
       
       Katharina Göpner vom Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe
       forderte eine konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention, des
       Übereinkommens des Europarats zur Gewalt gegen Frauen. Die gebe vor, dass
       es ein strukturelles und koordiniertes Vorgehen gegen häusliche Gewalt
       brauche und entsprechende Ressourcen zur Verfügung gestellt werden müssten.
       Das gelte auch und gerade in der Coronapandemie, damit etwa die
       Beratungsstellen weiter erreichbar seien.
       
       10 Nov 2020
       
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