URI: 
       # taz.de -- Nach Wahlen in der Elfenbeinküste: Sie kommen wieder mit Macheten
       
       > Nach der Wiederwahl von Präsident Ouattara bleibt die Angst vor Gewalt.
       > In einer der Hochburgen der Ouattara-Gegner verschanzen sich die
       > Bewohner.
       
   IMG Bild: Straßensperren in Yopougon, einem Vorort von Abidjan
       
       Abidjan taz | In Yopougon, dem dichtestbesiedelten Stadtteil der ivorischen
       Metropole Abidjan, knallt mittags die Sonne. Die Regenzeit ist vorbei. Doch
       im Viertel Kouté sind nur wenige Menschen unterwegs. Noch vor knapp zwei
       Wochen waren die breiten neuen Straßen hier problemlos passierbar. Jetzt
       ist alles anders.
       
       Seit der [1][umstrittenen Präsidentschaftswahl] am 31. Oktober haben die
       Bewohner*innen Ziegelsteine, alte Tische, Verkaufsstände und Paletten
       angeschleppt. Alle 50 Meter haben sie Straßensperren errichtet.
       
       In der Nähe der Bäckerei Petit Paris sitzt eine Gruppe junger Männer im
       Schatten. Sie beobachtet genau und argwöhnisch, wer in das Viertel kommt
       und ob die Besucher*innen es wieder verlassen. [2][Misstrauen ist überall
       zu spüren]. Halblaut sagt ein älterer Mann im Vorbeigehen: „Das ist wie
       2010. Das haben wir schon mal gesehen.“
       
       Ende 2010 kam es nach der Präsidentschaftswahl, bei der der damalige
       Amtsinhaber Laurent Gbagbo seine Niederlage gegen Alassane Ouattara nicht
       anerkannte, zu Kämpfen mit mehr als 3.000 Toten. Jetzt hat sich Ouattara zu
       einer dritten Amtszeit wiederwählen lassen, und seine Gegner erkennen das
       nicht an. Traditionell ist Yopougon eine Hochburg von Gbagbos Ivorischer
       Volksfront (FPI).
       
       ## Tote in Kouté
       
       Große Unruhen sind bisher zwar ausgeblieben. Dennoch gab es auch in Kouté
       Tote. Am Wahltag wurden Bewaffnete mit Macheten in Minibussen nach Kouté
       gekarrt und attackierten die Bewohner*innen. Zwei Menschen sollen getötet
       worden sein. Eine junge Frau in engen Jeans und grauem T-Shirt, die in der
       Nähe des Angriffs war, erzählt knapp: „Ich bin gerannt und habe versucht,
       mich so schnell wie möglich zu verstecken.“
       
       Einer der beiden Toten gehörte zu den Angreifern. Deren mutmaßlicher
       Anführer soll gerufen haben: „Wir kommen zurück.“ Seitdem kümmert sich das
       Viertel selbst um seine Sicherheit.
       
       Denn es wird spekuliert, dass die Angreifer vom Ouattara-Lager losgeschickt
       wurden. Die Opposition, die FPI einschließlich, hatte schließlich zum
       zivilen Ungehorsam aufgerufen, um die Wahlen zu verhindern. Mitunter wird
       auch vermutet, dass sich einflussreiche Oppositionelle in Kouté aufhalten.
       Belege dafür gibt es nicht. „Aber was sollte es sonst gewesen sein?“, fragt
       sich die junge Frau. „Warum sind sie ausgerechnet zu uns gekommen?“
       
       In anderen Gegenden von Yopougon ist auf den ersten Blick der Alltag
       zurück. Nachdem vor der Wahl zahlreiche Menschen in ihre Dörfer gefahren
       waren und Geschäfte schlossen, sind die Straßen wieder verstopft. An jeder
       Ecke bieten Frauen Gemüse und Obst an. Vor den Ampeln schmieren Jungs Seife
       auf die Scheiben der wartenden Autos und verlangen für das Putzen Geld.
       
       Zwei Straßen von der Kreuzung „Sorbonne“ entfernt schüttelt Leon Michel den
       Kopf. Der Elektriker sitzt hinter seinem großen braunen Schreibtisch, die
       Klimaanlage surrt. Michel ist ein Aufsteiger, der kein Abitur machen durfte
       – und zuletzt rund 30 Mitarbeiter*innen beschäftigte. „Doch jetzt sind wir
       nur noch acht.“ Die Kundschaft bleibt seit Monaten aus, erst wegen der
       Coronakrise, dann [3][wegen den Wahlen]. Inzwischen schließt Michel sein
       ohnehin meist leeres Geschäft schon gegen 15 Uhr. Kommt es zu einer neuen
       Welle der Gewalt, sollen weder seine Mitarbeiter*innen noch er in der Falle
       sitzen.
       
       ## Das Zittern vor den Jugendbanden
       
       Während der Krise von 2010 schlief Michel in einem kleinen Laden in der
       Nähe. Als er eines Morgens zu seinem Geschäft ging, lagen überall Leichen.
       „Das könnte wieder passieren. Weit davon sind wir nicht mehr entfernt.“ Auf
       die Sicherheitskräfte setzt er keinesfalls: „Sie machen uns eher Angst. Wir
       wissen doch nicht, in welcher Absicht sie kommen.“
       
       Es gibt viele solche Kleinunternehmer in Yopougon. Sogar Industriegebiete
       entstehen. Gleichzeitig gilt es als das Problemviertel Abidjans, in dem
       viele Familien nie bis zum Monatsende Geld haben. Bei Bewerbungen gelten
       Adressen aus Yopougon als Nachteil. Festgesetzt haben sich hier über Jahre
       die sogenannten „Mikroben“ – Jugendbanden, die Überfälle und Diebstähle
       begehen.
       
       In der Straße, an der Michels Geschäft liegt, hieß es erst einen Tag vor
       der Wahl: „Sie kommen, sie kommen!“ Jugendliche, vermutlich nicht einmal
       volljährig, drohten mit ihren Macheten damit, die ganze Nachbarschaft zu
       massakrieren. Letztendlich zogen sie mit einer gestohlenen Handtasche
       wieder ab. Wer sie beauftragt hatte, ist unklar. Aber sie könnten
       wiederkommen, aufgewiegelt von der einen oder anderen Seite. „Wir haben
       alle Angst“, sagt Elektriker Michel, „und dabei wollen wir doch nur in
       Frieden leben.“
       
       10 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Wahlen-in-der-Elfenbeinkueste/!5726052
   DIR [2] /Unruhen-in-der-Elfenbeinkueste/!5727894
   DIR [3] /Wahlen-in-der-Elfenbeinkueste/!5721128
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katrin Gänsler
       
       ## TAGS
       
   DIR Elfenbeinküste
   DIR Alassane Dramane Ouattara
   DIR Abidjan
   DIR Elfenbeinküste
   DIR Elfenbeinküste
   DIR Elfenbeinküste
   DIR Elfenbeinküste
   DIR Elfenbeinküste
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Wahlkampf in der Elfenbeinküste: Ausschluss statt Konkurrenz
       
       Der aussichtsreichste Herausforderer von Präsident Ouattara, Tidjane Thiam,
       wird disqualifiziert. Ouattaras Wiederwahl steht wohl nichts mehr im Wege.
       
   DIR Expräsident der Elfenbeinküste: Gbagbo auf der Heimreise
       
       In Den Haag freigesprochen, kehrt der ivorische Expräsident nun in die
       Heimat zurück. In Abidjan geht die Polizei gegen seine Fans vor.
       
   DIR Unruhen in der Elfenbeinküste: Blutbefleckter Wahlsieg
       
       Präsident Ouattaras Sieg bei den Wahlen vom 31. Oktober ist bestätigt – und
       erneut gibt es Gewalt. Eine schnelle Lösung der Krise ist nicht in Sicht.
       
   DIR Wahlen in der Elfenbeinküste: Ouattaras unschöner Sieg
       
       Der Präsident gewinnt die von der Opposition boykottierte Wahl haushoch,
       aber Beobachter üben Kritik. Die Opposition gründet einen „Übergangsrat“.
       
   DIR Wahlen in der Elfenbeinküste: Die jammernde Opposition
       
       Dem Antiregierungsblock in der Elfenbeinküste ist es nicht gelungen, eine
       Alternative anzubieten. Die Aufrufe zum Wahlboykott helfen nicht weiter.