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       # taz.de -- Netflix testet lineares Angebot: Auswahl macht müde
       
       > In Frankreich testet Netflix ein lineares Angebot mit fester Abfolge wie
       > im Fernsehen. Nichts entscheiden zu müssen liegt auch bei Streaming im
       > Trend.
       
   IMG Bild: Entscheidungsfreiheit? Lieber einfach chillen
       
       „Stranger Things“, die dritte Staffel von „Fargo“ oder doch lieber
       [1][einen der tausend anderen Filme]? Decision Fatigue, das Ermüden an
       Entscheidungen, nennt sich in der Psychologie das Phänomen, wenn sich
       Menschen einfach nicht mehr entscheiden können, weil die Auswahl zu groß
       ist. Für Streamingunternehmen heißt das dann schlimmstenfalls, dass
       Kund*innen seltener reinschauen, frustriert abschalten oder gleich ihr
       Abonnement kündigen.
       
       Womöglich deshalb hat der [2][Streamingdienst Netflix] in Frankreich nun
       einen Testlauf mit einem linearen Programm gestartet. [3][Auf dem Kanal
       namens Direct] wolle man Abonnent*innen und klassische TV-Zuschauer*innen
       abholen, die sich beim Fernsehen „einfach zurücklehnen“ wollen. Besonders
       in Frankreich gebe es sehr viele solcher Nutzer*innen. Laut Netflix soll
       Direct über 24 Stunden hinweg [4][ein festes Programm aus französischen und
       US-amerikanischen Filmen und Serien abspielen], das alle fünf Tage
       ausgetauscht wird.
       
       Nun klingt es absurd, dass sich ausgerechnet ein Streamingdienst wie
       Netflix der Methoden des klassischen Fernsehens bedient, um einerseits
       überforderte Abonnent*innen auf der Plattform zu halten und andererseits
       neue Nutzer*innen zu gewinnen. Die Streamingrevolution der 2010er Jahre ist
       doch gerade dadurch definiert, dass sie die Fesseln des linearen Angebotes
       hinter sich und Nutzer*innen selbst entscheiden ließ, was sie sehen
       wollen.
       
       Womöglich stellt das Unternehmen jetzt erst fest, dass
       Entscheidungsfreiheit nicht alles ist – dass viele User*innen sich gern von
       einem festen Programm berieseln lassen. [5][So versucht Netflix in seinem
       Wachstum während der Coronapandemie] nun dem klassischen Fernsehen die
       Zuschauer*innen abzugraben.
       
       ## Neuerdings handverlesen
       
       Womöglich folgt nach Frankreich bald Deutschland, wo der Altersdurchschnitt
       bei den Zuschauer*innen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens jenseits der
       60 liegt. [6][Diese Altersgruppe ist bei Netflix bislang wenig vertreten].
       
       Was der Streamingdienst mit seiner Entscheidung indirekt auch verrät: Er
       verzichtet für Direct auf seinen Algorithmus. Dieser bedient im
       On-Demand-Programm normal die Vorlieben einzelner Nutzer*innen. Bei Direct
       aber kuratieren Mitarbeiter*innen händisch. Das scheint dann doch
       besser als ausgefeilte Mathematik.
       
       9 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://unogs.com/countrydetail/
   DIR [2] /Netflix/!t5008117/
   DIR [3] https://about.netflix.com/fr/news/direct-new-feature-tested-in-france
   DIR [4] https://www.engadget.com/netflix-has-launched-a-linear-channel-in-france-133949611.html?guccounter=1&guce_referrer=aHR0cHM6Ly93d3cuZ29vZ2xlLmF0Lw&guce_referrer_sig=AQAAAClCvQpBpkP-8ufjzGmyqZxIsk3o9xC-3VyrKAYbf4QM-flgY5kJcDWDQH8GYr5meneJdSHfCo9TkoSC1Xddkz2x0brYEh43jFPokCx5lqXjoxFKpzlf8Urk1chk-5ipY7T0vpRdxDnAPWvkWOPpv2lo2e0tfR9zKgYwo99ExCX1
   DIR [5] https://de.statista.com/infografik/2951/anzahl-der-streaming-abonnenten-von-netflix-weltweit/
   DIR [6] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1171667/umfrage/umfrage-unter-netflix-nutzern-in-deutschland-zur-altersverteilung/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Denis Giessler
       
       ## TAGS
       
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