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       # taz.de -- Klimaschutz in den USA unter Biden: Rückkehr zum Pariser Abkommen
       
       > Joe Biden will einen ehrgeizigen Klimaschutz für die USA und die Welt.
       > Donald Trump hat ihm ein klimapolitisches Trümmerfeld hinterlassen.
       
   IMG Bild: „Stop the Fire“ statt „Stop the Count“: Biden will die Klimapolitik der USA erneuern
       
       Berlin taz | Der Tweet am Tag nach der Wahl war ein Versprechen. Als
       Präsident werde er Klimaschutz ganz oben auf die Agenda setzen: „Heute hat
       die Trump-Administration offiziell das Pariser Abkommen verlassen“,
       [1][schrieb Joe Biden am 4. November.] „Und in exakt 77 Tagen wird eine
       Biden-Administration wieder beitreten.“
       
       Das wird noch die leichteste Übung, wenn eine US-Regierung unter Joe Biden
       die stärkste Volkswirtschaft und den historisch größten CO2-Verschmutzer
       der Welt auf ernsthaften Klimaschutz ausrichten will. Denn mit einem Brief
       an die UNO und 30 Tagen Wartezeit will Washington ab dem 20. Januar 2021
       wieder in den Club des Pariser Abkommens eintreten.
       
       Schwieriger wird es für den neuen Präsidenten, die USA tatsächlich auf
       Klimakurs zu bringen, wie es ein großer Teil seiner Wähler und die globale
       Umweltszene erwarten. Der Abschied des Klimaleugners Trump aus dem Weißen
       Haus löst nicht alle Probleme. Aber es eröffnet Chancen, in der weltweiten
       Klimapolitik wichtige Schritte voranzukommen.
       
       „So groß der Schock vor vier Jahren war, als Trump mitten in der
       Klimakonferenz in Marrakesch die Wahl gewann“, sagt Susanne Dröge,
       Klimaexpertin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), „so groß sind
       jetzt die Erwartungen, dass sich unter Biden viel ändern wird.“
       
       ## Jubel über den neuen Mann im Weißen Haus
       
       Weltweit jubeln UmweltschützerInnen und Klimaengagierte über den neuen Mann
       in Washington: Rückkehr ins Paris-Abkommen, große Ambitionen in den USA,
       ein positives Schwergewicht in der Klimadiplomatie, frisches Geld, all das
       sind die Hoffnungen. Für die Analystengruppe [2][„Climate Action Tracker“
       ist Bidens Plan, die USA bis 2050 klimaneutral zu machen, ein
       entscheidender Schritt:]
       
       „Zusammen mit Chinas Versprechen von CO2-Neutralität bis 2060 und den
       Plänen der EU, Japans und Südkoreas, bis 2050 klimaneutral zu sein, nähern
       wir uns einem Kipppunkt, der das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Abkommen in
       greifbare Nähe rückt“, heißt es.
       
       Einfach wird das allerdings nicht. [3][Denn Biden hat zwar als Kandidat ein
       umfangreiches Klimapaket versprochen:] Mit Investitionen von 2 Billionen
       US-Dollar will er grüne Energien fördern, 6 Millionen Gebäude sanieren
       lassen, den öffentlichen Nahverkehr in Städten massiv ausbauen. Er hat
       versprochen, den US-Strom bis 2035 ohne CO2 zu erzeugen und das Land
       ähnlich wie die EU auf einen Kurs zu bringen, bis 2050 klimaneutral zu
       sein.
       
       Außerdem werde er China als Vorreiter bei E-Autos ablösen und viele
       „gutbezahlte Mittleklassejobs“ schaffen, hat er erklärt. Auch wenn Biden
       den weitgehenden „Green New Deal“ mit vielen sozialen Forderungen der
       Parteilinken nicht explizit übernommen hat, hat er viele Details kopiert.
       
       ## Ein klimapolitisches Trümmerfeld
       
       Allerdings findet seine neue Regierung auf Bundesebene erst einmal ein
       klimapolitisches Trümmerfeld vor: Trump und seine Getreuen haben nach einer
       Zählung der Washington Post [4][insgesamt 125 Umweltnormen und -gesetze
       verwässert oder abgeschafft]; die Umweltbehörde EPA und das
       Außenministerium, beide für Energie- und Klimapolitik zentral, sind von
       Trumps Truppen von innen zerstört worden, viele Experten haben den Behörden
       den Rücken gekehrt.
       
       Das internationale Ansehen der USA in der Umweltpolitik ist auf einem
       Tiefpunkt, das wichtige Vertrauen zu zentralen Ländern wie China, Indien
       und vielen Enwicklungsländern in Afrika schwer geschädigt – auch weil die
       USA sich aus der Finanzierung der UNO zurückgezogen haben und [5][dem
       Grünen Klimafonds immer noch zwei Milliarden Dollar schulden.]
       
       Auch innenpolitisch kann der Weg zu schnellem Klimaschutz holprig werden.
       Ein konservativ dominierter Oberster Gerichtshof, der schon Präsident Obama
       bei der Regulierung der Kohlekraftwerke gebremst hat, könnte der neuen
       Regierung Probleme bereiten. Vor allem aber fehlt den Demokraten bisher
       eine Mehrheit im US-Senat, wo wichtige Gesetze und internationale Verträge
       entschieden, gemacht und zugelassen werden.
       
       Klimapolitik gegen den Senat zu machen wird extrem hart, wie Barack Obama
       erfahren hat. Er musste deshalb (etwa bei der Annahme des Pariser
       Abkommens) häufig mit Exekutivanordnung agieren – die dann sein Nachfolger
       Donald Trump schnell wieder aufhob. Außenpolitisch bleibt die Frage, ob
       Biden gegenüber China auf Konfrontationskurs geht – oder ob sich das Thema
       für Entspannung anbietet, „nach der alten Regel: Beim Klima geht immer
       etwas“, sagt Susanne Dröge.
       
       ## Die breite grüne Basis
       
       Allerdings ist die klimapolitische Lage für Biden deutlich günstiger als
       für Obama. Er kann sich auf eine breite grüne Basis stützen, die es bei
       Obama noch nicht gab. Die 2017 gegründete Pro-Klima-Koalition „America’s
       Pledge“ versammelt 25 US-Staaten, über 500 Städte, mehr als 2.200
       Unternehmen und Kirchen, Umweltgruppen und Universitäten, um Klimaschutz
       von unten zu machen – durchaus erfolgreich.
       
       [6][Trotz Trumps Politik können die CO2-Emissionen der USA deshalb bis 2025
       um 19 Prozent niedriger liegen als 2005, heißt es von der Initiative.] Bis
       2030 könnten das mit großen Anstrengungen „minus 37 Prozent werden, mit
       einer „aggressiven Engagement des Bundes“ sogar minus 49 Prozent – genug,
       um das 1,5-Grad-Ziel zu halten.
       
       Dazu kommt: Die Jugendbewegung Sunrise Movement hat ähnlich wie Fridays for
       Future viel Druck gemacht; die verheerenden Waldbrände an der Westküste,
       Hurrikane wie in Texas, Dürren, Missernten und Überflutungen im
       Mittelwesten zeigen, wie verwundbar auch die Supermacht USA ist. Im
       [7][Wahlkampf versprach Biden,] „sich von der Ölindustrie wegzubewegen, die
       deutlich verschmutzt“. In Umfragen ist die Klimakrise deutlich präsent,
       ohnehin boomt auch in konservativen Staaten wie Texas das Geschäft mit
       Erneuerbaren.
       
       „Die Republikaner im Kongress müssen sich entscheiden, ob sie weiter alles
       blockieren oder sich dem annähern, was auch ihre Wähler wollen“, meint
       Andrew Light, Politikprofessor an der George Mason University in
       Washington, unter Obama ein leitender Beamter für Klimapolitik, gegenüber
       der taz. Immerhin bräuchte Biden den Senat für ein Klimagesetz, einen
       CO2-Preis oder einheitliche Standards für Erneuerbare.
       
       Light sieht durchaus Chancen auf Kooperation bei den Republikanern. Gleich
       zu Amtsbeginn werde Biden ein großes Hilfspaket für die Wirtschaft in der
       Coronakrise schnüren, Geld für Klimaschutz werde auch dazugehören. „Der
       Druck auf die Republikaner wird wachsen, wenn die Regierung, die Medien und
       die Umweltbewegung bei jedem Waldbrand und jeder Überschwemmung nach der
       Klimapolitik fragen.“
       
       ## Ein Nationaler Klimarat für die USA?
       
       Bereits jetzt gebe es Senatorinnen etwa aus Maine oder Alaska, die in
       diesen Fragen mit den Demokraten stimmen könnten. Entscheidend sei, ob der
       Hardliner Mitch McConnell Chef der Republikaner im Senat bleibe oder
       Kompromisse möglich seien.
       
       An Ideen mangelt es der Biden-Truppe jedenfalls nicht. Schließlich gehören
       zu den Beratern auch VertreterInnen des Sunrise Movement oder Jay Inslee,
       der ehemalige Öko-Gouverneur des Staates Washington. Die Rede ist etwa von
       einem „Nationalen Klimarat“ der Regierung analog zum „nationalen
       Sicherheitsrat“.
       
       Ein Vorschlag von Bidens Vize Kamala Harris hat die Klimaszene
       elektrisiert: Harris will über eine [8][„umgekehrte Opec“ diskutieren, um
       mit den wichtigsten Ländern, die Öl, Gas und Kohle verstromen,] über einen
       „begleiteten Ausstieg“ zu reden. Wie gut das in den USA ankommt, ist
       allerdings fraglich. Ein solcher Stopp für fossile Techniken, aus Gründen
       der Klimakrise dringend nötig, würde aber auch in den USA Milliardenwerte
       etwa an Investments für neue Terminals zum Gasexport gefährden.
       
       8 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/joebiden/status/1324158992877154310
   DIR [2] https://climateactiontracker.org/press/bidens-election-could-bring-a-tipping-point-putting-paris-agreement-15-degree-limit-within-striking-distance/
   DIR [3] /Joe-Bidens-Praesidentschaftsplaene/!5702524
   DIR [4] https://www.washingtonpost.com/graphics/2020/climate-environment/trump-climate-environment-protections/
   DIR [5] https://www.nature.com/articles/d41586-019-03330-9
   DIR [6] https://www.americaspledgeonclimate.com/report-delivering-on-americas-pledge/
   DIR [7] https://www.theguardian.com/us-news/2020/oct/23/biden-oil-environment-climate-crisis-conservatives
   DIR [8] https://www.climatechangenews.com/2020/09/18/inverse-opec-kamala-harris-plan-wind-oil-production-awaits-moment/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Pötter
       
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