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       # taz.de -- Amerika, Neuseeland und Ikea: Bei den Teutonenmaori
       
       > Trump klagt im Weißen Haus auf Eigenbedarf und Biden wird es schwer
       > haben, das Land wieder zu vereinen. Aber Spalten können wir hierzulande
       > auch.
       
   IMG Bild: Frisch vom Golfen zurück: alter Mann mit weißer Mütze
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: Tag-Nacht-Rhythmus.
       
       Und was wird besser in dieser? 
       
       Wir brauchen eine neue, diverse Formulierung für „It ain’t over untill the
       fat Lady sings“.
       
       Die USA haben gewählt und nach langer Hängepartie steht das Ergebnis
       endlich fest: Neuer Präsident ist … Ah, Moment, wir hören gerade … [Hier
       Zweifel, Betrugsbehauptung oder Trump-Klage des Tages einfügen] My God,
       Herr Küppersbusch, wann gibt es denn endlich Sicherheit?
       
       Wenn die Deutsche Bank Trump die Kreditlinie streicht. Zudem laufen 18
       Strafverfahren gegen ihn. Gerald Ford schubste den premiumkorrupten Richard
       Nixon mit einer umfassenden Amnestie aus dem Office; damals ein Skandal,
       heute unmöglich: Biden kann die 900 Mio. Trump-Schulden eh nicht wegatmen
       noch Verfahren in Bundesstaaten aufheben. Eher wird der president-elect
       einen „anständigen“ Republikaner in sein Kabinett aufnehmen wie zuvor Obama
       auch. [1][Trumps Anwaltskrieg um Auszählungen] ist eine Eigenbedarfsklage
       auf Wohnrecht in der Anderswelt – psychologisch. Im Effekt zumindest
       verbrämt sie schäbige kleine Themen wie Konkurs, Knast, Katastrophe.
       
       Klar ist: Trump holte am Ende wesentlich mehr Stimmen, als viele nach vier
       Jahren Lügen, Trügen und Diktatoren-Zuzwinkern erwartet hätten. Auf welche
       Formel bringen Sie die Faszination Trump? 
       
       Heilsamer Spuk. Trumps Amokfahrt hat zahllose Schwächen der amerikanischen
       Demokratie aufgedeckt, und Biden wird circa genau keine davon reformieren
       können, sondern den Laden [2][erst wieder zusammenführen]. Ohne die
       morschen Verfahren und Institutionen anzufassen. Also bleibt uns, den
       Horror von Trump und die Zuneigung zu Biden in eine geläuterte und auch
       erwachsenere Idee von Europa zu gießen. Lasst uns Freunde bleiben.
       
       Immerhin dürfen jetzt endlich alle wieder fröhlich rumprognostizieren. Was
       sehen Sie in der Glaskugel für die nächsten vier Jahre US- und Weltpolitik?
       Gerne kurz fassen! 
       
       [3][Rückkehr der USA zum Pariser Abkommen], Unterstützung für die irische
       Position beim Brexit, klammheimliche Versuche um das zertrumpelte
       Iran-Abkommen. Weiter Truppenabzug aus Deutschland, weiter
       Rüstungsforderungen der USA. Behutsamere Justierung von Neufeind China und
       Altfeind Russland. Ein nicht unwesentlicher Kollateralnutzen: Selbst im
       Mutterland der entfesselten Profitgier sind die epochal neuen Medien an
       Grenzen gestoßen, wo Habsucht an den Selbstmord der Gesellschaft grenzt.
       
       Anderes Thema. Auf Anschläge wie den in Wien vor einer Woche folgen häufig
       Debatten über Prävention, über Polizeibefugnisse, über Religionskritik
       und über den Islam. Welche ist Ihnen die liebste? 
       
       Wut ist gestauchte Trauer. Die liebste wäre mir Slowmotion. Intellektuell
       auch.
       
       Während überall sonst die Welt untergeht, hat die neuseeländische Premier
       Jacinda Ardern das vermutlich diverseste Kabinett aller Zeiten vorgestellt.
       Was empfehlen Sie, jetzt auswandern? 
       
       Ich wähne die CSU sich als Spitzenidentitätspolitiker in Krachledernen und
       Dirndln positionieren. Teutonenmaori. Derzeit sehr unübersichtlich, wo
       Linke die Repräsentanz von Migration, LGBTQ und korrektes Gendern fordern –
       und Rechte begeistert „Deutschland den Deutschen“ zustimmen. Die Güte auch
       des diversesten Kabinetts wird sich in seiner Integrationskraft ausdrücken,
       nicht in seinem Spaltpotenzial.
       
       Der Staat gibt viel Geld für Coronahilfen aus, Linkspartei und
       Rosa-Luxemburg-Stiftung fordern deswegen eine Vermögensabgabe für die
       reichsten 0,7 Prozent. Die ARD berichtete zuerst – und vergaß ganz und gar,
       dem eine wirtschaftsliberal-skeptische Stimme entgegenzusetzen. Macht
       Corona den Sozialismus? 
       
       Statt kongenial „Was soll das!?“ zu knödeln, begrüßt auch
       Kulturstaatsministerin Grüters den Vorschlag Herbert Grönemeyers,
       Millionäre sollten eine Abgabe für Kulturschaffende zahlen. Die „Linke“
       beruft sich auf eine Studie des unverdächtigen „Deutschen Instituts für
       Wirtschaft“ DIW. Und „ARD aktuell“ zitiert dazu immerhin auch Stimmen aus
       der SPD („grobe Richtung stimmt“) und der Union („Braucht kein Schwein“).
       Kurz: Da pickt ein Wahlkampfthema von innen ans Ei.
       
       Ikea bietet nun auch gebrauchte Möbel zum Verkauf an, wegen Klima und so.
       Derweil werden viele Ikea-Möbel immer noch in Niedriglohnländern
       produziert. Image erfolgreich aufpoliert? 
       
       Man muss Klippan und Billy „vollständig und ohne Funktionsmängel
       zurückbringen.“ Das ist nach meiner Erfahrung schon bei der Erstabholung
       sportlich.
       
       Und was machen die Borussen? 
       
       War ’ne schöne Saison. Warum um den Titel mitspielen, wenn man ab jetzt
       über den Trainer diskutieren kann.
       
       8 Nov 2020
       
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