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       # taz.de -- US-Senat bestätigt Richterin Barrett: Supreme Court wird konservativ
       
       > Der US-Senat hat die Nominierung von Amy Coney Barrett für den Obersten
       > Gerichtshof bestätigt. Von den Demokrat*innen erhielt sie keine Stimme.
       
   IMG Bild: Versuchte die Bedenken ihrer Kritiker*innen auszuräumen: Coney Barrett am Montag im Weißen Haus
       
       Washington taz | Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten ist seit
       Montagabend wieder voll besetzt. Doch das Kräfteverhältnis am US Supreme
       Court könnte sich dadurch über Jahrzehnte hinweg zugunsten des
       konservativen Lagers verschoben haben. Der US-Senat bestätigte die
       Nominierung von Amy Coney Barrett als neue Richterin am obersten Gericht
       knapp mit 52-48 Stimmen.
       
       US-Präsident Donald Trump bezeichnete Barretts Ernennung als einen
       „bedeutsamen Tag für Amerika, für die amerikanische Verfassung für die
       faire und unparteiische Rechtsstaatlichkeit“. Für Trump war es bereits die
       dritte freie Richterstelle, die er während seiner Amtszeit am Obersten
       Gerichtshof besetzen konnte. Zuvor nominierte er bereits Neil Gorsuch und
       Brett Kavanaugh für das höchste Richteramt.
       
       „Dank unserer Verfassung und unserer Kultur der Freiheit leben Sie in einem
       Land, in dem alles möglich ist und wo jeder Traum wahr werden kann“, sagte
       der 74-jährige Trump während einer Rede im Garten des Weißen Hauses. „Ganz
       egal, wer Sie sind. Ganz unabhängig von Ihrer Herkunft. Jeder in Amerika
       hat das Anrecht auf gleichen Schutz nach dem Gesetz.“
       
       Die Wahl im Senat erfolgte wie erwartet entlang der Parteilinien. KeinE
       einzigeR Demokrat*in stimmte für die Nominierung der 48 Jahre alten
       Richterin. Auf republikanischer Seite gab es nur eine Ausnahme: Senatorin
       Susan Collins aus Maine stimmte wie im Vorfeld angekündigt gegen Trumps
       Kandidatin. Sie erklärte, ihre Gegenstimme habe nichts mit Barretts Person
       oder Qualifikation zu tun.
       
       ## Obama hatte Senat nicht auf seiner Seite
       
       Collins kritisierte vielmehr den Zeitpunkt der Nominierung sowie der
       Senatsabstimmung. „Ich denke, es ist weder fair noch konstant, vor der
       [1][Präsidentschaftswahl] im Senat über diese Nominierung abzustimmen“,
       sagte Collins.
       
       Trumps Entscheidung, die im September verstorbene liberale Richterin
       [2][Ruth Bader Ginsburg] kurz vor der Wahl am 3. November zu ersetzen,
       sorgte für einen Aufschrei bei den Demokrat*innen. Vor vier Jahren
       verweigerten die Republikaner*innen dem von Präsident Barack Obama
       nominierten Richter Merrick Garland eine Anhörung im Senat.
       
       Der Grund war damals die bevorstehende Präsidentschaftswahl. Diesmal
       spielte die zeitliche Nähe zur Wahl für den Senator Mitch McConnell,
       Vorsitzender der republikanischen Mehrheit im Senat, keine Rolle.
       Demokrat*innen beschuldigen den Senator aus Kentucky daher der Heuchelei.
       
       Die demokratische Senatorin Elizabeth Warren charakterisierte die
       Abstimmung bereits Sonntagnacht als „unrechtmäßig“ und „letzten Atemzug
       einer verzweifelten Partei“.
       
       Rechtlich ist McConnells politisch motivierter Schachzugs völlig legitim.
       Die US-Verfassung erlaubt es dem amtierenden Präsidenten, jemanden für das
       Amt des obersten Richters zu nominieren. Diese Person muss im Anschluss vom
       Senat bestätigt werden.
       
       Obama hatte 2016 lediglich das Problem, dass die Republikaner*innen die
       Mehrheit im US-Senat besaßen und daher dessen Kandidaten blockieren
       konnten. Da sich die Demokrat*innen im Senat weiterhin in der Minderheit
       befinden, gab es für sie keine Möglichkeit, die Ernennung von Barrett zu
       stoppen.
       
       ## Angst vor konservativem Bollwerk
       
       Wie schon bei [3][Barretts Senatsanhörungen] versammelten sich am Montag
       dutzende Demonstrant*innen vor dem Supreme Court in Washington. Unter ihnen
       war auch eine Gruppe rot gekleideter Frauen, die mit ihren Kleidern auf die
       Dienerinnen in dem von Margaret Atwood verfassten Roman The Handmaid’s Tale
       anspielten. Barrett hatte vor zehn Jahren in der katholischen Organisation
       People of Praise als „Handmaiden“ gedient, also in einer Führungsposition.
       Viele befürchten, dass sich der Oberste Gerichtshof in ein konservatives
       Bollwerk verwandeln könnte.
       
       Durch Barretts Ernennung haben die konservativen Richter am Supreme Court
       nun eine 6-3 Mehrheit. Aufgrund dieser neuen Kräfteverhältnisse besteht die
       Gefahr, dass frühere Entscheidungen wie die Legalisierung von Abtreibung
       und gleichgeschlechtlicher Ehe oder auch das von Obama initiierte
       Gesundheitssystem gekippt werden. Barrett versuchte allerdings, diese
       Bedenken zu auszuräumen.
       
       „Es ist die Aufgabe von Senator*innen, ihre politischen Präferenzen zu
       verfolgen“, sagte die Richterin nach dem Ablegen ihres Amtseides. „Im
       Gegensatz dazu ist es die Aufgabe von Richter*innen, ihren politischen
       Präferenzen standzuhalten.“ Sie versprach zudem, dass sie ihre neue Aufgabe
       „ohne Angst oder Gunst“ verrichten werde.
       
       Sollten sich die Befürchtungen der Demokraten allerdings bestätigen, haben
       sich bereits einige dafür ausgesprochen, die Anzahl der Richter*innen am
       Obersten Gerichtshof zu vergrößern. Auch Trumps Gegner im Kampf um das
       Präsidentenamt, Joe Biden, erklärte in einem [4][Interview mit 60 Minutes],
       dass er sich diese Option offen halten würde, sollte er die Wahl gewinnen.
       Er will die Frage durch eine überparteiliche Kommission von
       Verfassungsrechtler*innen untersuchen lassen.
       
       27 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Schwerpunkt-US-Praesidentschaftswahl-2020/!t5575916/
   DIR [2] /Tod-der-US-Richterin-Ruth-Bader-Ginsburg/!5711442
   DIR [3] /Anhoerung-von-Amy-Coney-Barrett/!5721403
   DIR [4] https://www.cbsnews.com/video/joe-biden-democratic-presidential-candidate-kamala-harris-60-mintues-interview-norah-odonnell-2020-10-25/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hansjürgen Mai
       
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