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       # taz.de -- Sri Lankas Präsident baut Macht aus: Auf dem Weg zur Autokratie
       
       > Im südasiatischen Inselstaat festigt Präsident Rajapaksa per
       > Verfassungsänderung die Macht seines Clans – und keiner scheint ihn
       > stoppen zu können.
       
   IMG Bild: Sri Lankas Präsident Gotabaya Rajapaksa
       
       Mumbai taz | Mit Schusswunden-Aufklebern auf der Brust haben im
       sri-lankischen Parlament Abgeordnete der oppositionellen Partei Peace
       People's Power (SJB) kürzlich gegen eine umstrittene Verfassungsänderung
       protestiert. Sie gibt Staatspräsident [1][Gotabaya Rajapaksa] von der
       regierenden Volksfront (SLPP) weitgehende Befugnisse und rechtliche
       Immunität.
       
       Drei Oppositionsparteien, darunter die SJB, hatten die Änderungen vergebens
       vor dem Obersten Gericht angefochten. Erlaubt ist dem Präsidenten nun, den
       Premierminister und das Kabinett nach Gutdünken zu ernennen und zu
       entlassen.
       
       Auch hat er fortan das Recht, das Parlament schon nach der halben
       Legislatur und damit nach zweieinhalb Jahren aufzulösen. Zudem darf er die
       Vorsitzenden der Kommissionen für Wahlen, Polizei, Menschenrechte,
       Korruption und Finanzen bestimmen sowie Oberste Richter.
       
       Die regierenden singhalesischen Nationalisten der SLPP hatten dies mit
       ihrer Zweidrittelmehrheit im Parlament durchgesetzt und dabei sogar noch
       einige Stimmen der Opposition erhalten. Die SLPP argumentierte mit
       nationaler Sicherheit und wirtschaftlicher Entwicklung und baut unter
       diesem Deckmantel ihre Macht aus.
       
       ## Rajapaksa-Brüder teilen sich wichtigste Regierungsämter
       
       Die mächtigen Brüder Gotabaya und Mahinda Rajapaksa teilen sich bereits das
       das Amt des Präsidenten und des Premiers. Sie haben mit der
       Verfassungsänderung das Parlament weiter geschwächt. Darin sind zudem noch
       ein weiterer Bruder und drei Neffen Abgeordnete.
       
       Bereits im März hatte Präsident Gotabaya Rajapaksa die Volksvertretung
       aufgelöst, bis sein Bruder Mahinda im August die [2][Parlamentswahlen]
       gewann und damit neuer Premierminister werden konnte.
       
       Nachdem am Montag bei einem im Parlamentsgebäude eingesetzten Polizisten
       eine Corona-Infektion bekannt wurde, wurde die Volksvertretung zunächst für
       zwei Tage ganz geschlossen. Bislang ist die Pandemie in Sri Lanka mit rund
       7.900 gemeldeten Infektions- und 16 Todesfällen noch mild verlaufen.
       
       Doch die wirtschaftlichen Folgen werden nachwirken. Nach den
       Terroranschlägen auf Kirchen zu Ostern von 2019 hatte sich der wichtige
       Tourismussektor erst langsam erholt. Nun ist er erneut schwer getroffen.
       
       ## Warnung vor Wirtschaftskrise
       
       Oppositionspolitiker wie Karu Jayasuriya von der früheren Regierungspartei
       UNP, die nach einer Spaltung marginalisiert wurde, warnen vor den Folgen
       gestiegener Lebensmittelpreise und wachsender Arbeitslosigkeit. Der frühere
       Parlamentssprecher bewertet die Verfassungsänderung als „Aufstieg einer
       Diktatur“.
       
       Gajendrakumar Ponnambalam von der Tamilischen Nationalen Volksfront (TNPF)
       sagte bei der Parlamentsdebatte, dass der verfassungsändernde Zusatz 20A
       Sri Lanka jetzt als „singhalesisch-buddhistischen Herrscherstaat“ auf
       Kosten „eines multinationalen Landes (…) mit Singhalesen, Tamilen und
       Muslimen“ definiere.
       
       Vor allem die tamilische Bevölkerung im Norden spürt den [3][Druck]. Sie
       weiß, dass der Präsident Rajapaksa quasi nicht mehr rechenschaftspflichtig
       ist. Der Pater S.J. Emmanuel aus Jaffna, der sich seit dem Ende des
       Bürgerkriegs 2009 für eine Versöhnung von Tamilen und Singhalesen einsetzt,
       bezeichnet per [4][Twitter] die Verfassungsänderung als „traurigsten Tag“
       seines Lebens: „Auf der einen Seite ist die Bedrohung durch das
       Coronavirus, auf der anderen Seite wendet sich meine Heimat leichtsinnig
       einer gefährlichen Zukunft zu. Lasst uns aufwachen und das Nötige tun.“ 
       
       Auch die USA und Indien schauen besorgt nach Sri Lanka, aber vor allem
       wegen der China-freundlichen Außenpolitik der Rajapaksas. Dies war bereits
       der Fall, also noch Mahinda Rajapaksa von 2005 bis 2015 Präsident war.
       US-Außenminister Mike Pompeo, der sich gerade in Indien aufhält, will
       danach Sri Lanka und die [5][Malediven] besuchen. In beiden Ländern hat
       China in den letzten Jahren stark an Einfluss gewonnen.
       
       27 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Praesidentschaftswahl-in-Sri-Lanka/!5638712
   DIR [2] /Parlamentswahl-in-Sri-Lanka/!5705904
   DIR [3] /Wachsende-Spannungen-in-Sri-Lanka/!5650449
   DIR [4] https://twitter.com/ProfSJEmmanuel/status/1319646525576810497
   DIR [5] /Menschenrechte-auf-den-Malediven/!5637903
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Natalie Mayroth
       
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