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       # taz.de -- Anschläge in Frankreich: Höchste Terrorwarnstufe ausgerufen
       
       > In Nizza hat ein Mann mit einem Messer mehrere Menschen getötet. In
       > Avignon konnte die Polizei einen Gewaltakt vereiteln.
       
   IMG Bild: Die Polizei hat den Bereich um die Kirche Notre-Dame in der Innenstadt von Nizza abgeriegelt
       
       Paris taz | In der Basilika Notre-Dame de l'Assomption im südfranzösischen
       Nizza hat ein mutmaßlicher Islamist bei einem Messerangriff drei Menschen
       getötet und weitere Personen verletzt. Nach bisher unbestätigten Angaben
       von Medien soll eines der beiden weiblichen Todesopfer in der Kirche
       enthauptet worden sein. In Frankreich gilt deswegen nun die höchste
       Terrorwarnstufe. Es sei die Stufe „Urgence Attentat“ des
       Anti-Terror-Alarmplans „Vigipirate“ ausgerufen worden, sagte
       Premierminister Jean Castex in der Nationalversammlung in Paris.
       
       Zu den Opfern gehöre auch der Wächter dieser Kirche, die sich im Zentrum
       der südfranzösischen Stadt zwischen dem Bahnhof und dem Chagall-Museum
       befindet. Der Attentäter wurde von Polizisten bei seiner Festnahme im
       Gotteshaus verletzt. Die Polizei war von Anwohnern der Basilika alarmiert
       worden.
       
       Eines der schwerverletzten Opfer konnte sich zunächst in ein Café retten,
       wo es aber kurz darauf verstarb. Zwei andere Personen erlagen noch in der
       Kirche ihren Verletzungen. Über den Gesundheitszustand der anderen
       Verletzten wurden keine Angaben veröffentlicht.
       
       In Nizza ist der Schock enorm. Vor vier Jahren war es dort zuletzt zu einem
       Anschlag gekommen: Vor einem Feuerwerk zum Nationalfeiertag am 14. Juli
       2016 war ein in Nizza lebender Tunesier mit einem Lkw auf der
       Strandpromenade in die Menge gerast. 86 Menschen fanden den Tod, fast 500
       wurden verletzt. „Heute sind wir erneut Opfer des Islamo-Faschismus, das
       steht außer Zweifel“, hat der Bürgermeister der Stadt, Christian Estrosi,
       erklärt.
       
       ## Behörden sehen Tat als terroristischen Anschlag
       
       Auch der Attentäter, dessen Identität zunächst nicht bekannt war, wurde
       laut Medienberichten mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht.
       Beim Transport in einer von Polizisten eskortierten Ambulanz soll er laut
       dem Sprecher der Polizeigewerkschaft Unité SGP, Laurent Martin de Frémont,
       mehrfach „Allahu Akbar“ gerufen haben.
       
       Gegen ihn ist von der Pariser Antiterror-Staatsanwaltschaft wegen „Mord und
       Mordversuch aus terroristischen Motiven“ ein Untersuchungsverfahren
       eingeleitet worden. Das bestätigt, dass für die Behörden kein Zweifel daran
       bestehen, das es sich beim Blutbad in der Basilika um einen vorsätzlichen
       terroristischen Anschlag handelt.
       
       Die Bedrohungslage war den Behörden bekannt. Nur zwei Wochen ist es her,
       dass in Conflans-Sainte-Honorine bei Paris der Lehrer Samuel Paty von einem
       jungen Tschetschenen angegriffen und enthauptet wurde, weil er die
       umstrittenen Mohammed-Karikaturen im Unterricht gezeigt hatte.
       
       Seither hat sich die Spannung nicht gelegt. Ganz im Gegenteil: Die
       Solidaritätsbezeugungen mit Paty und allen Lehrern und Lehrerinnen haben
       [1][in einigen muslimischen Staaten] und vor allem in der Türkei noch Öl
       ins Feuer gegossen. [2][Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sah
       darin einen Anlass zu einer verbalen Eskalation im Streit] mit dem
       französischen Staatschef Emmanuel Macron, den er einer islamophoben
       Hetzkampagne bezichtigt.
       
       ## Vorfälle in Avignon und im saudischen Dschidda
       
       Noch am Dienstag hatte ein Propagandaorgan der Terrororganisation al-Qaida
       wegen der erneuten Publikation der Mohammed-Zeichnungen Frankreich mit
       „Vergeltung“ bedroht und dabei namentlich religiöse Einrichtungen wie
       christliche Kirchen als potenzielle Angriffsziele genannt. Bereits in der
       vorigen Woche war die polizeiliche Bewachung von Kirchen Synagogen und
       Moscheen vom Innenministerium verstärkt worden. Frankreichs Präsident
       Emmanuel Macron hat angekündigt, er werde sich zusammen mit Innenminister
       Gérald Darmanin nach Nizza begeben.
       
       Derweil kam es bis zum frühen Donnerstagnachmittag zu zwei weiteren
       Vorfällen: Im ebenfalls südfranzösischen Avignon hat die Polizei einen
       mutmaßlichen Angreifer getötet, der Passanten mit einer Waffe bedroht haben
       soll. Derzeit gebe es keine Hinweise auf einen Terrorhintergrund,
       berichteten Polizeikreise am Donnerstag. 
       
       Außerdem hat ein Mann am französischen Konsulat in Dschidda in
       Saudi-Arabien einen Sicherheitsbeamten angegriffen und leicht verletzt. Der
       Täter sei festgenommen worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur
       SPA am Donnerstag. Der Mann sei um die 40 Jahre alt und habe den Wächter
       mit einem „scharfen Werkzeug“ angegriffen, sagte Polizeisprecher Mohammed
       al-Ghamdi demnach. Die genauen Hintergründe der Tat blieben zunächst
       unklar.
       
       Die französische Botschaft in Riad sprach in einer Mitteilung von einer
       „Messerattacke“. Der verletzte Wachmann sei bei einer Sicherheitsfirma
       angestellt, erklärte die Botschaft, ohne dessen Staatsangehörigkeit zu
       nennen. Saudische Sicherheitskräfte hätten den Täter unmittelbar nach dem
       Angriff überwältigt. Die Botschaft verurteilte die Attacke scharf. Man habe
       das Vertrauen in saudische Behörden, die französische Gemeinde im Land zu
       schützen. Franzosen in Saudi-Arabien wurden zugleich zu „höchster
       Wachsamkeit“ aufgerufen. (mit dpa)
       
       29 Oct 2020
       
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