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       # taz.de -- Haft in Kamerun: Deutscher Ingenieur kommt frei
       
       > Das Urteil im Berufungsverfahren gegen Wilfried Siewe aus Erlangen ist
       > gefallen: Der in Kamerun inhaftierte Elektrotechniker kann bald nach
       > Hause.
       
   IMG Bild: Layoko Siewe zu Hause in Erlangen. Sie war mit ihrem Mann in Kamerun, als er verhaftet wurde
       
       MÜNCHEN taz | Wilfried Siewe, der deutsche Elektrotechniker, der seit
       Februar 2019 unter dubiosen Beschuldigungen in Kamerun im Gefängnis sitzt,
       soll im Dezember freikommen. Wie seine Frau Layoko Siewe der taz mitteilte,
       fiel am Donnerstagabend in dem Berufungsverfahren in Yaoundé das Urteil: 16
       Monate Freiheitsstrafe.
       
       Wilfried Siewe war mit seiner Frau und den beiden Kindern in Kamerun im
       Urlaub, [1][als er am 18. Februar 2019 verhaftet wurde]. Da fotografierte
       er gerade die Kathedrale und ein Justizgebäude in der Hauptstadt Yaoundé.
       Die Behörden sahen in ihm eine Gefahr für die Staatssicherheit.
       
       Als Indizien für diese Behauptung werteten sie, dass der Erlanger, der
       ursprünglich aus Kamerun stammt, ein Buch von Oppositionsführer [2][Maurice
       Kamto] bei sich trug und man im WhatsApp-Verlauf seines Smartphones ein
       Video von einer Demonstration in Deutschland fand. Die hatte sich gegen den
       autoritären Kameruner Machthaber Paul Biya gerichtet.
       
       Monatelang saß Siewe im Gefängnis und wartete auf den Beginn seines
       Verfahrens – vergebens. Im September schließlich profitierte Siewe
       scheinbar von einer Amnestie, die Biya für politische Häftlinge erlassen
       hatte. Zu einer Verhandlung wegen der ursprünglichen Vorwürfe kam es
       deshalb nicht mehr.
       
       Er sagt, er sei von Justizbeamten verprügelt worden 
       
       Zwischenzeitlich hatte es allerdings eine Gefangenenrevolte in der
       Haftanstalt gegeben. In diesem Zusammenhang erhoben die Staatsanwälte neue
       Vorwürfe gegen den Deutschen: Er sollte wahlweise an der Revolte
       teilgenommen haben, in ihren Wirren andere Häftlinge bestohlen oder einen
       Fluchtversuch unternommen haben. Zum Schluss blieben die Teilnahme an der
       Revolte sowie der Fluchtversuch, wegen derer er in einem Schnellverfahren
       im August 2019 zu drei Jahren Haft verurteilt wurde.
       
       Das Berufungsverfahren dauerte dafür umso länger. Nach vielfachen
       Terminverschiebungen kam es nun erst am Donnerstag zu einem Urteil: Siewe
       wurde vom Vorwurf des Fluchtversuchs freigesprochen, aber wegen der
       angeblichen Teilnahme an der Revolte zu 16 Monaten verurteilt.
       
       Der 43-Jährige selbst bestreitet die Tat, berichtet vielmehr, dass er in
       der Folge der Unruhen von Justizbeamten zusammengeschlagen worden sei, die
       ihm eine Platzwunde am Kopf zugefügt hätten, so dass er enorme Menge Blut
       verloren habe. Die Wunde habe man ihm später ohne Betäubung genäht.
       
       Auch sonst berichtete Siewe seinen Anwälten und seiner Familie von elenden
       Zuständen in der Haftanstalt. So saß er, obwohl die Familie für seine
       Unterbringung zahlte und er somit eine „privilegierte“ Behandlung genoss,
       mit 15 und mehr Häftlingen gemeinsam in einer 18 Quadratmeter großen Zelle.
       
       Dass Siewe nun noch mehrere Wochen Haft vor sich hat und erst im Dezember
       freikommt, obwohl er sich bereits seit über 20 Monate im Gefängnis
       befindet, liegt daran, dass das erste halbe Jahr vom Gericht nicht
       angerechnet wurde. Damals sei Siewe ja wegen anderer Vorwürfe inhaftiert
       gewesen. Dass deren Haltbarkeit nie überprüft wurde, weil es noch vor
       Beginn eines Verfahrens zur Amnestie gekommen war, spielte für das Gericht
       offenbar keine Rolle.
       
       „Gut zu wissen, wann er zurückkommt“, sagt seine Frau 
       
       Das Auswärtige Amt hatte sich dafür entschieden, öffentlich sehr
       zurückhaltend mit dem Fall umzugehen – sehr zum Unmut von Layoko Siewe.
       „Ich habe nicht verstanden, warum Deutschland nicht auf den Tisch gehauen
       hat und gesagt: So geht es nicht.“ Schließlich sei ihr Mann unschuldig und
       deutscher Staatsbürger.
       
       Spätestens als ihr Mann zusammengeschlagen worden sei und die Verhandlungen
       immer wieder verschoben worden seien, hätte sie sich ein deutliches Wort
       von deutscher Seite gewünscht. So wie etwa im Fall der Türkei, wo sich nach
       Angaben von Außenminister Heiko Maas mehrere Deutsche in Haft befinden.
       „Ich habe denen gesagt: Ihr gebt den Machthabern in Kamerun das Signal,
       dass sie alles machen können, was sie wollen – ohne irgendwelche
       Konsequenzen.“
       
       Aus dem Auswärtigen Amt selbst war nur zu erfahren, dass die Botschaft in
       Yaoundé Siewe konsularisch betreue und beobachtend an den
       Gerichtsverhandlungen teilnehme. „Das Auswärtige Amt und die Botschaft
       stehen hierzu auch mit den kamerunischen Behörden in Kontakt.“ Klassische
       Standardphrasen. Doch im Diplomatensprech steht der Kontakt mit den
       Behörden zumindest eine kleine Stufe über der rein konsularischen
       Betreuung.
       
       Auch andere Politiker hielten sich mit öffentlichen Solidaritätsbekundungen
       sehr zurück. Aus dem Bundestag war zu hören, die Sorge sei groß, man könne
       der Sache dadurch eher schaden. Offenbar befürchtete man, dass Wilfried
       Siewe von interessierter Seite in Kamerun instrumentalisiert und als
       politischer Aktivist dargestellt werden könnte, was wiederum eine trotzige
       Reaktion bei Staat und Justiz hervorrufen könnte.
       
       „Es ist gut zu wissen, wann er zurückkommt“, sagt Layoko Siewe. Feiern will
       sie allerdings erst, wenn ihr Mann wieder daheim sei. Zu viele Hoffnungen
       und Enttäuschungen habe sie bereits erlebt. „Jetzt müssen wir noch beten,
       dass man nicht andere Sachen erfindet, warum er bleiben muss. Bis er
       zurückkommt, beten wir weiter.“
       
       30 Oct 2020
       
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   DIR Dominik Baur
       
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