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       # taz.de -- Analyst über Wahl in der Elfenbeinküste: „Für ganz Westafrika von Bedeutung“
       
       > Der politische Analyst Gilles Yabi erklärt, was bei der Wahl in der
       > Elfenbeinküste auf dem Spiel steht – und warum er dennoch keinen Krieg
       > erwartet.
       
   IMG Bild: Anhänger:innen des Präsidenten Ouattara bei Wahlkampfveranstaltung in Abidjan am Mittwoch
       
       taz: Herr Yabi, wie beschreiben Sie die Situation in der Elfenbeinküste
       [1][unmittelbar vor den Wahlen]? 
       
       Gilles Yabi: Sie ist von großer Unsicherheit geprägt. Das Risiko
       gewalttätiger Ausschreitungen ist da; in welchem Maß, lässt sich aber nur
       schwer vorhersagen.
       
       Warum ist die Situation so angespannt? 
       
       Das liegt an den Rahmenbedingungen. Schon bevor Präsident Ouattara
       beschloss, erneut anzutreten, gab es Streit, vor allem über die
       Zusammensetzung der eigentlich unabhängigen Wahlkommission. Es gab
       zahlreiche Unstimmigkeiten zwischen der Regierungspartei und der
       Opposition. Am bedeutendsten ist aber die [2][Entscheidung von Präsident
       Ouattara, für ein drittes Mandat anzutreten]. Die alte wie die neue
       Verfassung haben das Prinzip der Limitierung auf zwei Mandate.
       
       Die Regierungspartei RHDP hat Ouattaras Kandidatur mit dem Tod von
       Premierminister Amadou Gon Coulibaly begründet, der eigentlich als Kandidat
       vorgesehen war. Sie sagt, es sei nicht möglich gewesen, in der Kürze der
       Zeit einen neuen Kandidaten aufzubauen. Was halten Sie davon?
       
       In jeder politischen Partei lässt sich ein Präsidentschaftskandidat finden.
       Wenn man eine Verfassung hat, ist der Tod eines Bewerbers kein
       ausreichender Grund, sie nicht zu beachten. Als 2016 die neue Verfassung
       angenommen wurde, sagte die Regierungspartei, dass Ouattara nicht erneut
       Kandidat sein kann. Er selbst erklärte, dass er das nicht wünscht. Der
       Wechsel dieses Standpunkts lässt sich heute nicht mit dem Tod von Amadou
       Gon Coulibaly begründen.
       
       Mit Laurent Gbagbo und Guillaume Soro sind zwei äußert bekannte ivorische
       Politiker im Exil und von den Wahlen ausgeschlossen. Welche Rolle spielen
       sie dennoch in der Elfenbeinküste? 
       
       Im geopolitischen Spiel der Elfenbeinküste gab es in den vergangenen 20 bis
       30 Jahren einige Akteure, die dabei waren. Das sind Alassane Ouattara,
       Expräsident Henri Konan Bédié, Expräsident Laurent Gbagbo und Guillaume
       Soro, der Chef der Rebellen war und zum militärischen Sieg Ouattaras gegen
       Gbagbo nach den umstrittenen Wahlen 2010 beigetragen hat. Soro hat eine
       politische Basis. Allerdings ist es schwierig zu sagen, an welchem Punkt
       diese wichtig wird. Er hat Verbindungen zur Jugend und einige Hochburgen im
       Norden.
       
       Und Gbagbo? 
       
       Auch Gbagbo hat weiterhin politisches Gewicht. Auch wenn seine Ivorische
       Volksfront (FPI) in den vergangenen zehn Jahren sehr geschwächt worden ist,
       bleibt sie einflussreich.
       
       Warum haben Henri Konan Bédié und Pascal Affi N’Guessan – die beiden
       wichtigsten der drei zugelassenen Oppositionskandidaten – nun mitten im
       Wahlkampf den aktiven Boykott angekündigt? Sie hätten doch schon früher die
       Wahlen boykottieren können.
       
       Generell haben die Oppositionsparteien Probleme, eine Strategie zu
       entwickeln. Auch hat sich die Situation durch die Kandidatur Ouattaras
       geändert. Alles dreht sich nun darum, ob diese legal ist. Ich denke, dass
       die Opposition die internationalen Akteure auffordern wollte, Druck auf
       Ouattara auszuüben, um in einen Dialog einzutreten und die Wahlen zu
       verschieben. Erfolgreich war das nicht: Am 31. Oktober wird gewählt.
       
       Welche Bedeutung hat die politische Stabilität der Elfenbeinküste über die
       Landesgrenzen hinaus? 
       
       Eine große. Die ganze Region schaut auf die Elfenbeinküste gerade. In der
       Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) ist es nach Nigeria und
       Ghana die drittwichtigste Volkswirtschaft. Innerhalb der frankophonen
       Staaten und der CFA-Zone spielt es die größte Rolle. Auch ist es ein
       [3][Land, das zahlreiche Migranten anzieht]. Das politische Gleichgewicht
       ist deshalb für die ganze Region von Bedeutung.
       
       Könnte es passieren, dass es nach den Wahlen zu einer ähnlichen Krise wie
       2010 kommt? Damals starben mehr als 3000 Menschen. 
       
       Seit der Ankündigung Ouattaras, erneut zu kandidieren, hat es bereits Tote
       gegeben. Das Risiko, dass die Gewalt weiter ansteigt, ist höher als noch
       vor einigen Monaten. Wir befinden uns in einer Vorwahlkrise. Trotzdem gibt
       es einen Unterschied im Vergleich zu vor zehn Jahren: Damals wurde die Wahl
       zum Krieg, weil beide politischen Lager Armeen hatten. Gbagbo kontrollierte
       formal die ivorischen Streitkräfte. Ouattara, Soro und die Opposition
       konnten die alten Rebellen mobilisieren. Das war eine echte militärische
       Auseinandersetzung. Auch waren französische Streitkräfte sowie [4][die
       Vereinten Nationen vor Ort]. Heute ist die Lage anders: Die
       Sicherheitskräfte stehen unter staatlicher Kontrolle und auf Seiten
       Ouattaras. Das Risiko von Gewalt ist zwar gegeben. Das wird aber nicht in
       einer militärischen Auseinandersetzung enden.
       
       31 Oct 2020
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Katrin Gänsler
       
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