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       # taz.de -- Parlamentswahl in Georgien: Verloren hat die Demokratie
       
       > Nach der Wahl in Georgien will die Opposition den deutlichen Sieg der
       > Regierungspartei nicht anerkennen. Junge Wähler*innen sind frustriert.
       
   IMG Bild: Unterstützer*innen der Vereinigten Nationalen Bewegung des Ex-Präsidenten Saakaschwili in Tiflis
       
       Aus der Traum? Von wegen! Schenkt man den vorläufigen offiziellen
       Ergebnissen der [1][Parlamentswahl in Georgien] vom vergangenen Samstag
       Glauben, wird die Regierungspartei Georgischer Traum des milliardenschweren
       Oligarchen [2][Bidzina Iwanischwili] auch in den nächsten vier Jahren die
       Geschicke in der Südkaukasusrepublik bestimmen. Angeblich rund 48 Prozent
       der Stimmen sowie 13 von 30 in der ersten Runde gewonnene Direktmandate
       sichern der Partei erneut eine komfortable Mehrheit in der neuen
       Volksvertretung, um ihre Alleinherrschaft fortzusetzen.
       
       Zweifel an diesem eindeutigen Sieg der Partei, die seit 2012 regiert, sind
       jedoch angebracht. Einheimische Wahlbeobachter*innen stellten zahlreiche
       Ungereimtheiten fest. Auch die schwammige Stellungnahme der OSZE dürfte
       viele Georgier*innen eher skeptisch zurücklassen: Die Grundfreiheiten bei
       der Wahl seien respektiert worden, Vorwürfe des Drucks auf Wähler*innen und
       die Verwischung der Grenze zwischen Regierungspartei und Staat hätten das
       Vertrauen der Öffentlichkeit in den Wahlprozess sinken lassen, heißt es
       darin.
       
       Davon einmal abgesehen: Vor allem die Frustation vieler junger Wähler*innen
       ist verständlich. Schließlich waren sie der Motor der Massenproteste von
       2019. Diese trugen entscheidend dazu bei, eine Reform des Wahlrechts
       durchzusetzen, die die Anzahl der Direktkandiaten reduziert – zugunsten der
       Mandatsverteilung über Parteilisten.
       
       Und die Opposition? Sie ist zerstrittener denn je und hat es nicht
       geschafft, eine klare Alternative zu formulieren. Unter der Ägide des in
       der Ukraine lebenden georgischen Ex-Präsidenten [3][Michail Saakaschwili]
       hat sie jetzt jedoch nichts Besseres zu tun, als zu Protesten gegen das
       Ergebnis und zu einem Boykott der parlamentarischen Arbeit aufzurufen. Der
       Oppositionspolitiker Nika Melia bezeichnet die Wahl sogar als Krieg, der
       nicht verloren worden sei.
       
       Derartige Einlassungen sind brandgefährlich, da sie die Polarisierung in
       der Gesellschaft weiter befördern. Zudem wird erneut ein Defizit des
       politischen Systems deutlich: Parteien als solche spielen kaum eine Rolle,
       sie sind wenig mehr als One-Man-Shows und dienen als Resonanzboden für die
       persönlichen Fehden ihrer jeweiligen Vorsitzenden. Auch wenn noch nicht
       klar ist, wie die Machtverhältnisse im Parlament genau aussehen werden, ein
       Verlierer steht bereits fest: die Demokratie in Georgien.
       
       2 Nov 2020
       
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   DIR Barbara Oertel
       
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