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       # taz.de -- Demonstrationen gegen Coronapolitik: Gefährliches Schutzverständnis
       
       > Wieder haben Menschen gegen die Coronamaßnahmen demonstriert. Doch in
       > Wirklichkeit fordern sie einen Staat, der die Schwächsten nicht schützen
       > soll.
       
   IMG Bild: Die Gegner der Coronamaßnahmem eint ein fundamentales Misstrauen gegen staatliches Handeln
       
       Wieder haben [1][Zehntausende gegen die Coronamaßnahmen der Bundesregierung
       demonstriert], und nicht wenige vergleichen das am Mittwoch
       [2][verabschiedete Infektionsschutzgesetz] mit dem Ermächtigungsgesetz von
       1933. Welch furchtbar dumme Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus.
       
       Dahinter steht ein fundamentales Misstrauen gegen staatliches Handeln, eine
       politische Paranoia und Hysterisierung, die so schrill ist, dass den
       Beteiligten selbst nicht auffällt, wie menschenverachtend sie
       argumentieren. Sie demonstrieren für einen Staat, der die Schwächsten nicht
       schützen, sondern verrecken lassen soll. Für einen Staat, der menschliches
       Leben in lebenswertes und nicht lebenswertes unterteilen soll.
       
       Natürlich kann man nicht alle in einen Topf werfen – Kritik an den
       Maßnahmen der Regierung ist das Lebenselixier der Demokratie. Vor allem
       wenn sie Grundrechte gerade massiv einschränkt. Doch selbst die
       Argumentation einiger, die sich verbitten, als spinnerte Aluhüte bezeichnet
       zu werden, geht in eine bedenkliche Richtung. Etwa die der Gruppe, die sich
       „Corona Ausschuss“ nennt oder die der „Anwälte für Aufklärung“.
       
       Sie werfen „den Medien“ vor, entscheidende Fakten zu verschweigen – und tun
       es doch selbst. Beispielsweise gehen sie von einer sehr niedrigen
       [3][Mortalität] von 0,2 Prozent aus. Sprich: Von 1.000 Covid-19-Erkrankten
       sterben angeblich nur 2. Tatsache. Punkt. Nun, mit der Zahl kann man
       hantieren, sie stammt aus einer von der WHO in Auftrag gegebenen
       Metastudie. Das würde dann bedeuten, dass bis zum Erreichen der oft
       zitierten Herdenimmunität in Deutschland 116.000 Menschen an Covid-19
       sterben würden. Wahrscheinlich ist es, dass die zahlreichen anderen
       Studien, die auf 0,7 bis 0,8 Prozent Mortalität kommen, näher an der
       Realität sind. Sollen wir die Frage, wer recht hat, denn wirklich in einem
       Liveexperiment klären? Einsatz hierzulande: bis zu 500.000 Menschenleben.
       Im Namen der Menschenwürde. Soll sich Angela Merkel hinstellen und sagen:
       „Zuerst dachten wir, 3 Prozent der Infizierten sterben, heute wissen wir,
       es sind eher 0,8 Prozent. Tragbar. Sämtliche Coronamaßnahmen werden sofort
       abgeschafft“?
       
       Zweites Argument: Viele Menschen stürben ja nicht an Corona, sondern mit.
       Stimmt. Gehört zum Allgemeinwissen über Corona. Die meisten Verstorbenen
       hatten auch noch andere Krankheiten. Diabetes. Haben chronische
       Lungenkrankheiten. HIV. Hepatitis. Krebs. Deren Tod zählt offenbar in den
       Augen vieler Demonstrierender nicht. Weil sie ohnehin bald gestorben wären?
       Die selbsternannten Querdenker, die mit dem Grundgesetz rumfuchteln: Sie
       treten seinen Inhalt mit Füßen.
       
       18 Nov 2020
       
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