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       # taz.de -- US-Außenminister Pompeo in Israel: Tatsachen schaffen vor Biden
       
       > Weichen stellen, solange Trump noch im Amt ist: Als erster US-Minister
       > hat Mike Pompeo eine Siedlung im Westjordanland und die Golanhöhen
       > besucht.
       
   IMG Bild: Protest gegen Pompeos Besuch: Palästinensische Demonstrierende am Donnerstag nahe Psagot
       
       Tel Aviv taz | Die Aussicht dürfte US-Außenminister Mike Pompeo gefallen
       haben, als er am Donnerstag im Rahmen seiner mehrtägigen Israelreise dem
       Weingut Psagot einen Besuch abstattete. Vom Garten aus fällt der Blick auf
       malerische Hügel unter hellblauem Himmel. Das Pikante: Das Weingut und die
       Hügel, die sich hinter der Villa erstrecken, liegen in den
       Palästinensergebieten. Pompeo ist der erste hochrangige US-Politiker, der
       offiziell eine Siedlung in den besetzten Gebieten besucht hat.
       
       Dass der Außenminister ausgerechnet die Verbindungen zu diesem Weingut
       stärkt, dürfte kein Zufall sein. Medienberichten zufolge haben die
       Besitzer, die Brüder Falic, US-Präsident Donald Trump unterstützt, den
       israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit großzügigen Spenden
       versehen und Siedlerorganisationen im vergangenen Jahrzehnt mindestens 5,6
       Millionen US-Dollar zukommen lassen. Als Pompeo im vergangenen Jahr die
       US-Position aufhob, dass die jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten
       gegen das Völkerrecht verstoßen, schuf die Winzerei ihm zu Ehren eine Reihe
       von Weinen unter Pompeos Namen.
       
       Vor dem Europäischen Gerichtshof war das Weingut weniger erfolgreich. Die
       Besitzer hatten versucht, eine Entscheidung der EU zu kippen, nach der
       [1][alle Produkte aus Siedlungen im Westjordanland als solche markiert
       werden müssen]. Der EuGH wies die Klage im November 2019 jedoch zurück. Für
       die USA kündigte der Außenminister nach seinem Besuch in Psagot dagegen am
       Donnerstag an, Produkte aus den besetzten Gebieten künftig als „israelisch“
       zu kennzeichnen.
       
       Auf seiner Reise durch das Westjordanland machte Pompeo auch einen
       Abstecher nach Qasr el-Yahud, einer biblischen Taufstelle an der Grenze zu
       Jordanien. Am Nachmittag reiste er weiter zu den Golanhöhen, die Israel
       1981 von Syrien annektiert hatte, die völkerrechtlich aber als besetzt
       gelten. Im März letzten Jahres hatten die USA die israelische Souveränität
       über das Gebiet offiziell anerkannt.
       
       Diese Groß-Israel-Reise des US-Außenministers hat eine enorme Symbolkraft.
       Offenbar versuchen Netanjahus rechtsgerichtete Regierung und der
       US-Außenminister, vor der Amtsübernahme des designierten US-Präsidenten Joe
       Biden noch Tatsachen zu schaffen.
       
       Laut der israelischen Tageszeitung Times of Israel versucht Netanjahu indes
       auch, grünes Licht aus den USA für einen Siedlungsbau im Industriegebiet
       Atarot im Westjordanland zu bekommen. Erst am vergangenen Sonntag hatte die
       Regierung eine Ausschreibung für Bauunternehmen für einen
       [2][Siedlungsneubau in Givat Hamatos in Ostjerusalem] veröffentlicht.
       
       Netanjahu weiß, dass Joe Biden den israelischen Siedlungsplänen in Zukunft
       deutlich kritischer gegenüberstehen dürfte als die bisherige
       US-Administration, die in nur wenigen Jahren wildeste Siedlerfantasien
       erfüllte.
       
       Pompeo seinerseits könnte noch etwas anderes bereits im Kopf haben: seine
       eigene Kandidatur für das Amt des US-Präsidenten. [3][Evangelikale
       christliche Zionisten] machen rund 25 Prozent der amerikanischen
       Wählerschaft aus und könnten dem potenziellen Präsidentschaftskandidaten
       die Großzügigkeit in Bezug auf den Siedlungsbau im Heiligen Land im
       Wahlkampf 2024 danken.
       
       ## BDS als „antisemitisch“ einstufen
       
       Seinen Besuch des Weinguts am Donnerstag rundete Pompeo schließlich mit der
       Ankündigung ab, dass die US-Regierung die anti-israelische Boykottbewegung
       BDS formell als „antisemitisch“ bezeichnen werde und gegen Gruppen vorgehen
       werde, die mit ihr verbunden sind.
       
       Für den bahrainischen Außenminister Abdullatif bin Raschid al-Sajani, der
       am Mittwoch ebenfalls mit Pompeo, Netanjahu, dem israelischen Präsidenten
       Reuven Rivlin und dem israelischen Außenminister Gabi Aschkenasi
       zusammengetroffen war, war der Besuch in Israel ein Spagat. Bahrain und
       Israel hatten sich im Oktober darauf verständigt, ihre Beziehungen zu
       normalisieren. Am Mittwoch nun hieß es, man wolle bis Jahresende
       Botschaften in dem jeweils anderen Land eröffnen.
       
       Wie wenig Rückhalt Bahrains Regierung bei ihrer Normalisierungspolitik
       gegenüber Israel hat, zeigt ein Bericht der Times of Israel. Demnach hat
       das Außenministerium des Königreichs kurzerhand die Wahrheit verdreht und
       davon gesprochen, dass die offiziellen Treffen nicht in Jerusalem, sondern
       in Tel Aviv stattgefunden hätten – offenbar, um mit der Erwähnung
       Jerusalems kein weiteres Öl ins Feuer der heimischen Gegner*innen des
       Normalisierungsabkommens zu kippen.
       
       19 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
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