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       # taz.de -- Nach Abstimmung in den USA: Vom Wahlkampf in den Rechtsstreit
       
       > Die Republikaner versuchen, einen möglichen Wahlsieg des Demokraten Joe
       > Biden juristisch zu verhindern – und könnten so das Endergebnis
       > verzögern.
       
   IMG Bild: Briefwahlunterlagen in Wisconsin, Trumps Team fordert hier eine Neuauszählung der Stimmen
       
       Berlin taz | Zwei Tage nach Schließung der Wahllokale in den USA stapeln
       sich in den noch nicht entschiedenen Bundesstaaten die juristischen
       Einwände von republikanischer Seite. Die Einsprüche könnten das
       Wahlverfahren um ein offizielles Endergebnis um Wochen hinauszögern.
       
       In Wisconsin, das am Mittwochabend noch als für Biden entschieden
       ausgerufen wurde, fordert Trumps Wahlkampfteam eine Neuauszählung. Das ist
       im Rahmen der dortigen Wahlgesetze ein vollkommen legaler und normaler
       Vorgang. Allerdings kann die Neuauszählung erst dann beantragt werden, wenn
       ein offizielles Endergebnis vorliegt.
       
       Auch vor vier Jahren wurde in Wisconsin neu ausgezählt, damals auf Antrag
       der viertplatzierten Grünen-Kandidatin Jill Stein. Am Ende wurden dem
       ohnehin siegreichen Kandidaten Donald Trump 123 zusätzliche Stimmen
       zugesprochen.
       
       In Pennsylvania, wo Trumps anfänglicher Vorsprung immer weiter schwindet,
       je mehr die vor dem Wahltag abgegebenen oder per Briefwahl verschickten
       Stimmen aus den demokratisch dominierten Wahlbezirken Philadelphias
       ausgezählt wurden, versuchten die Republikaner mit unterschiedlichen
       Begründungen, die Auszählung zu stoppen. Sie gaben etwa vor, dass ihren
       Wahlbeobachtern in Philadelphia nicht ausreichend naher Zutritt gewährt
       worden sei – was schon am Dienstag von einem Gericht zurückgewiesen wurde.
       
       In Michigan, wo am Mittwoch Biden zum Wahlsieger ausgerufen worden war,
       nachdem die späte Auszählung der überwiegend demokratischen
       Briefwahlstimmen Trumps Vorsprung in sein Gegenteil verkehrt hatte,
       [1][hatten die Republikaner mit dem gleichen Argument versucht, den
       Auszählungsprozess zu stoppen].
       
       ## Klagen schon vor der Wahl
       
       Schon vor dem Wahltermin hatten die Republikaner bei Pennsylvanias Regelung
       geklagt, dass Briefwahlunterlagen mit einem Poststempel vom Wahltag oder
       früher auch dann noch mitgezählt werden, wenn sie bis zum 6. November
       eintreffen. Doch der Oberste Gerichtshof des Bundesstaats bestätigte die
       Regelung, der US Supreme Court lehnte es ab, sich damit zu befassen.
       Allerdings suggerierten drei der konservativen obersten Richter, das
       Gericht könnte sich nach der Wahl des Themas erneut annehmen, sollten diese
       Stimmen den Ausschlag für den Ausgang der Wahl insgesamt geben.
       
       In der Vergangenheit haben die Gerichte dagegen entschieden, von den
       Bundesstaaten aufgestellte Regeln für die Wahl im Nachhinein für illegal zu
       erklären – mit der Begründung, dass das die Rechte Tausender Wähler*innen
       verletzen würde, die im besten Glauben an die Gültigkeit dieser Regeln ihre
       Stimme abgegeben hätten.
       
       Mit der gleichen Begründung hatte der Oberste Gerichtshof von Texas schon
       vor dem Wahltermin den Versuch der Republikaner zurückgewiesen, rund
       130.000 Stimmen für ungültig zu erklären, die bei einigen
       Drive-Through-Wahllokalen abgegeben wurden. Wegen der Coronapandemie waren
       diese Stationen eingerichtet worden, bei denen aus dem Auto heraus
       Stimmzettel abgegeben werden konnten.
       
       ## 53 möglicherweise ungültige Zettel
       
       Am Mittwoch wurde auch das Wahlverfahren in Georgia Ziel juristischer
       Angriffe der Republikaner: Als auch dort der Vorsprung Trumps durch die
       späte Auszählung von in der demokratischen Großstadtregion um Atlanta
       abgegebenen Stimmen zu schwinden begann, versuchten sie die Auszählung mit
       der Begründung zu stoppen, in einem Wahlkreis könnten 53 Stimmzettel
       mitgezählt worden sein, die möglicherweise ungültig seien.
       
       Und in Nevada wollte Trump persönlich bei einem Auftritt am Dienstag nach
       Informationen des konservativen TV-Senders Fox News eine Klage wegen
       Wahlbetrugs in dem Bundesstaat vorstellen – die Begründung blieb zunächst
       unklar.
       
       Bislang gibt es keinen Hinweis darauf, dass irgendeiner der Versuche,
       bestimmte Tranchen von Stimmzetteln für ungültig zu erklären, Erfolg haben
       könnte. Dennoch könnten die Verfahren die Bekanntgabe offizieller
       Ergebnisse verzögern – das brächte wiederum womöglich den vorgeschriebenen
       Zeitplan unter Druck.
       
       Denn bis zum 8. Dezember müssen die Bundesstaaten ihre Wahlleute benannt
       und alle Rechtsstreitigkeiten gelöst haben – andernfalls könnten Gouverneur
       und Parlament des Bundesstaats selbst Wahlleute ernennen, sogar ungeachtet
       des Wahlausgangs. Wenn – wie beispielsweise in Pennsylvania – Gouverneur
       und Parlament aus unterschiedlichen Parteien kommen, könnte der Staat zwei
       unterschiedliche Delegationen von Wahlleuten entsenden: Es wäre dann am
       Kongress in Washington zu entscheiden, welche Wahlleute zugelassen werden.
       
       Beide Kammern des neu gewählten Kongresses treffen sich am 6. Januar, um
       die Stimmen des Electoral Colleges auszuzählen und einen Präsidenten zu
       bestimmen. Sollte es – etwa im ungewöhnlichen, aber nicht völlig
       unmöglichen Fall des Gleichstandes beider Kandidaten mit 269 Wahlleuten –
       keine Mehrheit für einen klaren Sieger geben, wählt das Repräsentantenhaus
       den Präsidenten, allerdings nur mit je einer Stimme pro vertretenem
       Bundesstaat.
       
       5 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Trump-droht-Niederlage-bei-der-US-Wahl/!5726375
       
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