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       # taz.de -- US-Wahl vor der Entscheidung: Biden schon fast Präsident
       
       > In Pennsylvania ist Trumps Vorsprung auf unter 24.000 Stimmen gesunken.
       > Die noch fehlenden werden heute gezählt. Sie dürften Biden den Sieg
       > bringen.
       
   IMG Bild: Trump-Unterstützer*innen versammelten sich am Donnerstag in Philadelphia, Pennsylvania
       
       Berlin taz | Am dritten Tag nach der US-Präsidentschaftswahl steht der
       demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden kurz davor, die Marke von
       270 Wahlleuten zu überspringen. Im [1][umkämpften Bundesstaat Pennsylvania]
       ist Trumps Vorsprung von 600.000 Stimmen am frühen Mittwochmorgen auf unter
       24.000 Stimmen gesunken. Rund 175.000 Briefwahlstimmen müssen dort noch
       ausgezählt werden, davon viele aus der demokratisch dominierten Region um
       Philadelphia. Dort wird [2][die ganze Nacht über weitergezählt], ein
       Ergebnis dürfte im Lauf des Freitags vorliegen.
       
       Gewinnt Biden die 20 Wahlleute aus dem Bundesstaat, liegt er bei 273
       Stimmen im Electoral College und hat die Wahl gewonnen. In den
       Bundesstaaten Arizona und Nevada konnte Biden bislang seinen Vorsprung
       halten. In Georgia ist Biden, der lange deutlich zurücklag, inzwischen
       hauchdünn in Führung gegangen, nachdem viele Stimmen aus der
       Metropolenregion um Atlanta gezählt wurden.
       
       Während Joe Biden in einem kurzen Presseauftritt zur Geduld aufrief und
       betonte, Demokratie sei manchmal zäh und chaotisch, wiederholte Donald
       Trump bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus [3][seinen Vorwurf des
       Wahlbetrugs]. In Pennsylvania holten die Demokraten heimlich immer neue
       Wahlurnen aus dem Hinterzimmer, um ihm den Sieg zu stehlen, sagte Trump,
       ohne dafür irgendeinen Beleg zu liefern. Zähle man die legalen Stimmen,
       gewinne er mit Leichtigkeit, kämen die illegalen dazu, stehle man ihm den
       Sieg.
       
       Trumps Team hatte zuvor einen Rechtsstreit gewonnen, in dem es darum ging,
       dass seine Wahlbeobachter näher an die Auszählungstische herantreten
       dürfen. Sie können jetzt auf zwei Meter heran – Trump bleibt dennoch bei
       seinen Betrugswürfen, die selbst die konservative New York Post als
       vollkommen haltlos bezeichnete.
       
       ## Angst vor Gewalt vor den Auszählungszentren
       
       Zuvor hatte Trump auf Twitter in Großbuchstaben „STOP THE COUNT!“
       gefordert, die Auszählung möge gestoppt werden. Twitter belegte fünf der
       letzten sieben Tweets des Präsidenten mit dem Warnhinweis, die Aussagen
       seien „umstritten und möglicherweise irreführend in Bezug auf die
       Beteiligung an einer Wahl oder einem anderen staatsbürgerlichen Prozess“.
       
       Vor den Auszählungszentren in Städten wie Las Vegas (Nevada), Phoenix
       (Arizona), Detroit (Michigan) und Philadelphia (Pennsylvania) versammelten
       sich am Donnerstag Trump-Anhänger*innen und skandierten ebenfalls „Stop the
       Count“ („Stoppt die Auszählung“). In Phoenix kamen am Donnerstag etwa 100
       Demonstranten zusammen, einige [4][trugen Gewehre und Pistolen]. Laut
       Gesetz im US-Staat Arizona ist das offene Tragen von Waffen erlaubt.
       Allerdings waren diese Demonstrationen bislang nicht groß und trotz
       aggressiver Stimmung kam es nicht zu Gewaltausbrüchen.
       
       Facebook verbot derweil eine große Gruppe, deren Mitglieder zu einem
       Auszählungsstopp aufgerufen hatten. Es gab „besorgniserregende Aufrufe zu
       Gewalt von einigen Gruppenmitgliedern“, wie das soziale Netzwerk mitteilte.
       Die Gruppe „Stop the Steal“ hatte mehr als 350.000 Mitglieder, bevor
       Facebook sie entfernte, sie war jedoch nur eine von mehreren Gruppen.
       Inhalt waren unbegründete Behauptungen über angeblichen Wahlbetrug und die
       Organisation von Protesten.
       
       Das Center for Countering Digital Hate („Zentrum zur Bekämpfung digitalen
       Hasses“), das Facebook zum Entfernen der Gruppe „Stop the Steal“
       aufgefordert hatte, veröffentlichte einen Screenshot eines Gruppenbeitrags
       – in dem stand: „Keine der beiden Seiten wird einlenken. Zeit, die Waffen
       zu reinigen, Zeit, auf die Straße zu gehen.“
       
       ## Führende Republikaner weisen Trump zurecht
       
       Auffällig ist, dass weder [5][Trumps Haussender Fox News] noch führende
       Republikaner*innen sich Trumps Vorwürfe zu eigen machen. „Es gibt keine
       Rechtfertigung für die Äußerungen des Präsidenten heute Abend, die unseren
       demokratischen Prozess untergraben“, schrieb der republikanische Gouverneur
       von Maryland, Larry Hogan, auf Twitter. In einem Interview mit dem Sender
       PBS warf er Trump und dessen Lager vor, mit Warnungen vor der Briefwahl den
       Boden für das jetzige Vorgehen – das Anzweifeln der Ergebnisse – bereitet
       zu haben. Hogan ist der Vorsitzende der Nationalen Vereinigung der
       Gouverneure.
       
       Der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, sagte, es
       sei grundsätzlich nicht ungewöhnlich, dass sich jemand zum Sieger einer
       Wahl ausrufe, wie Trump das – wenn auch vorschnell – getan hatte. Aber: „Zu
       behaupten, die Wahl gewonnen zu haben, ist etwas anderes, als die
       Auszählung zu beenden.“
       
       Senator Marco Rubio, Republikaner mit kubanischen Wurzeln aus Florida, wies
       Trump bereits via Twitter zurecht: „Dass es Tage dauert, legal abgegebene
       Stimmen zu zählen, ist KEIN Betrug.“ Seine Senatskollegin Lisa Murkowski
       aus Alaska mahnte, dass „alle geduldig sein“ müssten, während Ergebnisse
       eintrudelten. Es sei wichtig, den Beamten der Wahlbehörden Zeit zu geben,
       ihre Arbeit zu machen. Es gelte, alle legal eingereichten Stimmen
       zuzulassen und zu zählen.
       
       Der Kongressabgeordnete Adam Kinzinger forderte, für Betrugsvorwürfe
       Beweise vorzulegen und sie vor Gericht zu präsentieren. „Hören Sie auf,
       entlarvte Falschinformationen zu verbreiten … Das wird langsam verrückt“,
       schrieb er auf Twitter.
       
       ## Mehr Stimmen als je zuvor
       
       Allerdings fand Trump auch Unterstützer: Der einflussreiche Vorsitzende des
       Justizausschusses im US-Senat, Lindsey Graham, stellte sich auf die Seite
       von Trump und spendete 500.000 Dollar für dessen Anwaltsfonds.
       
       Der texanische Senator Ted Cruz trat beim Trump-Sprachrohr Sean Hannity auf
       Fox News auf und unterstützte Trumps Aussagen über einen Wahlbetrug. Zuvor
       hatten Trumps Söhne sich auf Twitter über mangelnde Unterstützung
       republikanischer Führungsleute geklagt und gewarnt, jene, die sich
       Hoffnungen auf eine Kandidatur 2024 machten, setzten ihre Karriere aufs
       Spiel, wenn sie jetzt kein Rückgrat zeigten.
       
       Im für den Wahlausgang unbedeutenden „popular vote“, also der Gesamtzahl
       der landesweit abgegebenen Stimmen, liegt Biden inzwischen über vier
       Millionen Stimmen vor Donald Trump. Mit fast 74 Millionen Stimmen hat er
       mehr Stimmen erhalten als jeder Präsident vor ihm. Allerdings hat auch
       Donald Trump mit fast 70 Millionen Stimmen deutlich mehr Zuspruch erfahren
       als etwa Hillary Clinton 2016 oder selbst Barack Obama bei seinem
       fulminanten Wahlsieg 2008.
       
       6 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
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