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       # taz.de -- Stealthing-Urteil des Amtsgerichts Kiel: Moralisch falsch
       
       > Juristisch mag der Freispruch für den Mann, der entgegen der Absprache
       > ohne Kondom mit einer Frau verkehrte, nachvollziehbar sein. Menschlich
       > nicht.
       
   IMG Bild: Weglassen oder anpieksen – beides schlecht für Safer Sex
       
       Sex ohne Kondom – obwohl vorher eindeutig abgelehnt. Einer Frau aus Kiel
       ist das passiert, [1][der mutmaßliche Täter wurde freigesprochen]. Das ist
       absolut unverständlich. Denn für mindestens 51 Prozent unserer Gesellschaft
       ist das eine grauenhafte Vorstellung.
       
       Das Ausmalen dieses Szenarios berührt und bedroht etwas ganz Elementares,
       Tiefsitzendes, Intimes – es ist wahrscheinlich das [2][Bedürfnis nach und
       das Recht auf Schutz] und Selbstbestimmung über unseren Körper. Das geht
       gar nicht, unter keinen Umständen, ist die einzig mögliche Bewertung dieser
       Situation!
       
       Einige Menschen stellen sich vielleicht Fragen wie: War er denn
       HIV-positiv? Hatte er andere Geschlechtskrankheiten? Ist sie schwanger
       geworden? Ist er überhaupt gekommen? Aber die Antworten auf diese Fragen
       sind im Grunde egal, jedenfalls für die moralische Verurteilung der Tat.
       Denn selbst wenn all das nicht der Fall ist, bleibt es ein Vertrauensbruch
       übelster Art, ein seelischer, körperlicher, eben ein sexueller Übergriff.
       
       Nicht eindeutig im juristischen Sinne, zumindest noch nicht. Wobei es bei
       aller Unklarheit schon zu bedauern ist, dass der Kieler Richter seinen
       Spielraum nicht dazu genutzt hat, das Gesetz weit auszulegen – das Berliner
       Urteil hätte ihm dabei den Rücken freigehalten.
       
       Damit künftig kein Spielraum mehr bleibt, muss das Oberlandesgericht
       Schleswig den Fall neu verhandeln lassen. Sollte der Mann – oder andere
       künftig Angeklagte, die einer Frau oder auch einem Mann so etwas antun –
       bei einer etwaigen Verurteilung bis zum Bundesverfassungsgericht gehen, ist
       das sein gutes Recht. Und dann stellen wir hoffentlich fest, was es
       juristisch bedeutet, einen Menschen einer Intimität auszusetzen, die dieser
       ausdrücklich nicht wollte. Menschlich ist das längst klar.
       
       23 Nov 2020
       
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   DIR Alina Götz
       
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