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       # taz.de -- Frankreichs Ex-Präsident vor Gericht: „Nur ein Freundschaftsdienst“
       
       > Der französische Ex-Präsident Sarkozy muss sich in einem Prozess
       > verantworten. Wegen Korruption drohen zehn Jahre Haft.
       
   IMG Bild: Nicolas Sarkozy trifft am Montag zu Prozessbeginn im Gericht in Paris ein
       
       Paris taz | Durch eine Hintertür betrat Nicolas Sarkozy am Montag den
       modernen Justizpalast am Stadtrand von Paris. Der französische Ex-Präsident
       muss sich vor dem Strafgericht in einer Korruptionsaffäre verantworten, für
       die ihm zehn Jahre Haft und eine Geldstrafe von über 1 Million Euro drohen.
       
       Gemeinsam mit Sarkozy sind sein Anwalt Thierry Herzog sowie der Jurist
       Gilbert Azibert angeklagt, dessen Anwalt aus gesundheitlichen Gründen am
       Montag eine Verschiebung des Prozesses beantragte. Das Gericht unterbrach
       deshalb am Nachmittag anderthalb Stunden nach Beginn das Verfahren und
       forderte bis Donnerstag ein ärztliches Gutachten des 73-Jährigen an.
       
       Azibert soll Sarkozy vertrauliche Informationen über ein gegen den früheren
       Staatschef laufendes Ermittlungsverfahren gegeben und versucht haben, seine
       Kollegen am Kassationsgericht, das Urteile auf Rechtsfehler untersucht, zu
       beeinflussen. Sarkozy soll dem damaligen Generalanwalt dafür einen Posten
       in Monaco versprochen haben, wie abgehörte Telefongespräche zwischen
       Sarkozy und Herzog ergaben.
       
       „Es ist skandalös, dass die Gespräche zwischen einem Anwalt und seinem
       Klienten abgehört werden“, empörte sich Sarkozy vor knapp zwei Wochen in
       einem Interview mit dem Fernsehsender BFMTV. Er gehe „kämpferisch“ in den
       Prozess.
       
       ## Telefon des Ex-Präsidenten abgehört
       
       Das Telefon Sarkozys wurde im Oktober 2013 im Rahmen von Ermittlungen
       angezapft, die sich auf die Finanzierung seines Wahlkampfes im Jahr 2007
       durch den libyschen Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi konzentrierten.
       Nachdem der Ex-Präsident und sein Anwalt offenbar auf den Abhörvorgang
       aufmerksam wurden, kaufte Herzog zwei Prepaid-Telefonkarten auf den Namen
       seines früheren Mitschülers Paul Bismuth. „Ich werde ihm helfen“, soll
       Sarkozy in einer Konversation mit Herzog über Azibert gesagt haben.
       
       Nach einer Reise des früheren Staatschefs nach Monaco, bei der Sarkozy sich
       für den Juristen einsetzen wollte, änderten die beiden langjährigen Freunde
       aber ihre Taktik – offenbar, weil sie merkten, dass auch die
       „Bismuth“-Telefone überwacht wurden.
       
       Im Vorfeld des auf drei Wochen angesetzten Prozesses hatten die beiden
       Hauptangeklagten geltend gemacht, dass es sich um einen Freundschaftsdienst
       für Azibert gehandelt habe. Es liege weder Korruption noch Einflussnahme
       vor, denn schließlich habe Azibert seinen Posten in Monaco nicht bekommen.
       
       Im Frühjahr beginnt bereits ein weiterer Prozess gegen Sarkozy, der von
       2007 bis 2012 Präsident war. Diesmal geht es um die Finanzierung der
       Kampagne für seine Wiederwahl im Jahr 2012. Der Kandidat soll die erlaubten
       [1][Wahlkampfausgaben um mehr als 20 Millionen Euro überschritten] haben.
       
       ## Millionen von Gaddafi an Sarkozy
       
       Die Libyen-Affäre verlor dagegen vor knapp zwei Wochen an Kraft. Der
       Hauptzeuge, der französisch-libanesische Geschäftsmann Ziad Takieddine, zog
       seine Aussage zurück, wonach im Jahr 2007 [2][Millionen von Gaddafi an
       Sarkozy geflossen] sein sollen. „Die Wahrheit kommt endlich heraus“,
       twitterte der frühere Staatschef. Die Ermittlungsverfahren gegen Sarkozy
       laufen allerdings auch nach Takieddines Kehrtwende weiter.
       
       „Sarko“ ist nicht der erste Präsident der Nachkriegszeit, der vor Gericht
       steht. 2011 wurde Jacques Chirac wegen Scheinbeschäftigung mehrerer
       Mitarbeiter im Pariser Rathaus zu zwei Jahren Haft auf Bewährung
       verurteilt. Der frühere Staatschef erschien aus gesundheitlichen Gründen
       allerdings nicht im Gerichtssaal.
       
       Sarkozy hatte der Justiz immer wieder vorgeworfen, mit Ermittlungen seine
       politische Karriere torpedieren zu wollen. Der frühere Anwalt war 2016 im
       Vorwahlkampf der Konservativen [3][gegen François Fillon gescheitert]. Vor
       der nächsten Präsidentschaftswahl 2022 fordern seine Anhänger bereits die
       Rückkehr des Politrentners, der gerade seine Memoiren veröffentlichte.
       
       23 Nov 2020
       
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