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       # taz.de -- Kritik an Hilfsmilliarden für Luftfahrt: Zwergenairports siechen weiter
       
       > Die angeschlagene Luftfahrtbranche soll Milliarden erhalten,
       > Kleinstflughäfen bleiben wohl bestehen. Kritiker sehen darin
       > „klimapolitischen Irrsinn“.
       
   IMG Bild: Wohl noch bis Ostern wenig los: Terminal 1 am Flughafen München
       
       Berlin taz | Die Pläne der Bundesregierung, die durch die Coronapandemie
       angeschlagene [1][Luftfahrtbranche mit weiteren Milliardenhilfen zu
       päppeln,] erzeugt Kritik bei Opposition und Umweltschützern. „Wie schon
       beim Lufthansa-Deal wollen Union und SPD hier mit dem Füllhorn Steuergelder
       verteilen und dabei keine Auflagen für den Klimaschutz oder Lärmschutz
       machen“, sagte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Daniela Wagner.
       
       Im Frühjahr war die Bundesregierung mit 9 Milliarden Euro bei der Lufthansa
       eingestiegen – bislang ohne klimapolitische Vorgaben zu machen. Von einem
       „unverantwortlichen Umgang mit Steuergeld“, der die „Klimakrise befeuert“,
       sprach Wagner. „Das sieht nach einem kompletten Förderchaos und maximaler
       politischer Inkompetenz aus“, rügte Werner Reh, Verkehrsexperte des BUND.
       Er forderte Scheuer auf, zu veröffentlichen, „wie viele Coronahilfen an
       welche Flughäfen aus dem am 11. August durch die EU genehmigten Paket von
       1,36 Milliarden Euro gegangen sind“.
       
       Am Wochenende war bekannt worden, dass [2][Bund und Länder zusätzlich etwa
       1,5 Milliarden in die gefährdete Luftfahrtbranche pumpen] wollen.
       Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte sein Plazet gegeben, aus den meisten
       Bundesländern gebe es positive Signale für die Hilfen, hieß es. Da mit
       einer Wiederbelebung des Flugverkehrs nicht vor Ostern gerechnet wird, will
       Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zunächst eine Milliarde Euro
       Bundesgelder in den Sektor stecken, davon 300 Millionen Euro in die
       staatliche deutsche Flugsicherung und 500 Millionen in die Flughäfen.
       
       Hier war das Passagieraufkommen zuletzt um über 80 Prozent im Vergleich zum
       Vorjahr gesunken. Airports mit Bundesbeteiligung soll direkt geholfen
       werden: Der frisch eröffnete Flughafen in Berlin mit 171 Millionen Euro,
       Köln/Bonn mit 23 und München mit 65 Millionen.
       
       ## Bund und Länder teilen sich Hilfen
       
       Bei den anderen rund 20 Airports mit internationalen Flügen sollen sich
       Bund und Länder die Hilfen teilen. Noch vor gut zwei Wochen bei einem
       „Luftverkehrsgipfel“ hatte Scheuer betont, er wolle die Infrastruktur für
       die deutschen „Reiseweltmeister“ erhalten. „Jeder“ schätze „einen Flughafen
       in seiner Nähe“. Zudem seien etwa 25 bis 30 Prozent der 180.000
       Arbeitsplätze in der Branche seien in Gefahr.
       
       Das heißt, dass auch Kleinstflughäfen überleben sollen. Dabei waren viele
       schon vor Corona defizitär. Bereits im September ging der Zwergairport
       Paderborn-Lippstadt in ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, viele der
       167 Jobs fielen einem „schmerzhaften Personalabbau“ zum Opfer. Bis zum
       September nutzten ihn gerade 82.000 Passagiere.
       
       Auch der kaum 100 Kilometer entfernte Flughafen Kassel Calden wird wohl
       weiterbestehen. Zwar sollen laut EU-Vorgaben Airports, die Ende vergangenen
       Jahres bereits defizitär waren, keine Coronahilfen bekommen. Aber: Das gilt
       nicht für Hilfen, die ohnehin gewährt werden. Das Land Hessen, mit 68
       Prozent größter Gesellschafter des Kasseler Airports, unterstützt den
       Flughafen, der derzeit drei Starts und Landungen pro Woche verzeichnet,
       bereits mit 6,8 Millionen Euro im Jahr, 18.600 Euro pro Tag.
       
       ## Einer der kleinsten Airports: Erfurt-Weimar
       
       Coronabedingt gibt es aber offenbar keine weiteren Defizite. Die
       schwarz-grüne Landesregierung rechnet noch bis 2025 mit Zuschüssen in Höhe
       von 6 Millionen Euro. Erfurt-Weimar, einen der kleinsten Airports in
       Deutschland, haben bis September gerade mal 21.000 Passagiere genutzt – so
       wenige wie sonst nirgendwo.
       
       Am Montag gab es dort keine Flugbewegung. Die Landesregierung gab bis
       Redaktionsschluss keine Antwort darauf, wie sie weiter mit dem Flughafen
       umgehen will. „Deutschland braucht keine 25 Regionalflughäfen“, sagte die
       Grüne Wagner. „Das ist wirtschaftlicher und klimapolitischer Irrsinn.“
       
       23 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Verkehrsminister-will-Flughaefen-helfen/!5723586
   DIR [2] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/coronakrise-eine-milliarde-euro-fuer-den-luftverkehr-so-will-der-bund-die-flughaefen-retten/26643614.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kai Schöneberg
       
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