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       # taz.de -- Militärischer Naturschutz in Kongo: Deutsches Geld für „grüne Armee“
       
       > Deutsche Entwicklungshilfe soll wieder in den militärischen Schutz von
       > Kongos Nationalparks fließen. Darunter leidet die Bevölkerung.
       
   IMG Bild: Von Deutschland bezahlte Wildhüter im Kahuzi-Biega-Nationalpark im Februar 2020
       
       Berlin taz | Es war um neun Uhr am Morgen, als der Konvoi von Marcelin
       Bahaya überfallen wurde. Der Hinterhalt wurde für den
       Landwirtschaftsminister Mitte Oktober in der ostkongolesischen Provinz
       Südkivu gelegt, auf einer Straße mitten im dichten Regenwald des
       Kahuzi-Biega-Nationalparks. Hier tummeln sich Milizen, die illegal in Minen
       tätig sind oder Transporte ausrauben.
       
       Die Parkverwaltung beschuldigte Jean-Marie Kasula, den Vorsitzenden der
       Minderheit der Batwa-Pygmäen in der Region. „Er ist bewaffnet und nimmt
       seine Erpressungsaktivitäten und den Diebstahl des Eigentums von Menschen
       auf der Nationalstraße 3 wieder auf“, erklärte sie. Seine Männer hätten
       Wertsachen und Geld geraubt und einem Leibwächter des Ministers eine Waffe
       entwendet. Beweise für Kasulas Rolle nannte Pressesprecher Hubert Mulongoy
       nicht. Er betonte lediglich: „Es besteht kein Zweifel daran, dass dieser
       Angriff in direktem Zusammenhang mit Jean-Marie Kasula steht.“
       
       Der Kahuzi-Biega-Nationalpark ist eine Säule der [1][deutschen
       Entwicklungszusammenarbeit im Kongo]. Seit 1986 ist die Bundesrepublik
       Deutschland der wichtigste Geldgeber des Parks. Ohne diese Unterstützung
       hätte der Park die Kriegszeiten im Kongo nicht überstanden. Über die
       Entwicklungsbank KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) wird der Großteil der
       Gehälter der 225 Wildhüter bezahlt.
       
       Dieses Jahr deckte das [2][taz-Rechercheprojekt „Grüne Armee“] über die
       Militarisierung des Naturschutzes in Afrika die zunehmenden Übergriffe der
       Wildhüter auf die Bevölkerung im Umfeld der Nationalparks in der
       Demokratischen Republik Kongo auf.
       
       Spektakulärster Vorfall: die [3][Verhaftung des Batwa-Anführers Kasula]
       wegen angeblich illegaler Abholzung zwecks Herstellung von Holzkohle, die
       die Bevölkerung zum Kochen verwendet. Dafür sowie wegen Gründung einer
       bewaffneten Miliz wurde er angeklagt. Als Beweisstück diente ein kaputtes
       Maschinengewehr aus den Beständen der Armee. Ein Militärgericht verurteilte
       Kasula in einem eintägigen Schauprozess zu 15 Jahren Haft.
       
       ## Bundesregierung reagierte auf taz-Berichte
       
       Seit Ende August ist Kasula wieder frei – dank internationalen Drucks. Doch
       sein Berufungsprozess läuft, und nun kommen die neuen Vorwürfe dazu.
       Parksprecher Mulongoy holzt gegen die lokalen und internationalen NGOs, die
       sich für die Rechte indigener Völker wie der Batwa-Pygmäen einsetzen: „Im
       Namen des Schutzes der Menschenrechte rufen diese Organisationen Pygmäen
       dazu auf, gegen das Gesetz zu verstoßen“, so der Parksprecher: „Man fragt
       sich, ob sie nicht diejenigen sind, die sie letztendlich bewaffnen.“
       
       Nach der taz-Berichterstattung über den Prozess gegen Kasula sowie über
       Vergewaltigungsvorwürfe gegen einen [4][hochrangigen Leiter des
       Virunga-Nationalparks] in der Provinz Nordkivu hatte die deutsche
       Bundesregierung reagiert. Alle Finanzmittel für Kongos Naturschutzbehörde
       ICCN, die die Parks verwaltet, wurden eingefroren.
       
       Jetzt sollen die Gelder wieder fließen. Die erneute deutsche Finanzierung
       der Nationalparks im Kongo soll Anfang Dezember Teil der Verhandlungen mit
       Kongos Regierung darstellen, bei denen es um die Wiederaufnahme der seit
       Jahren eingestellten Entwicklungszusammenarbeit geht.
       
       Um Menschenrechtsverletzungen durch Wildhüter vorzubeugen, hat das
       Entwicklungsministerium BMZ im Mai mit der ICCN ein Memorandum geschlossen.
       Es geht um die „Verbesserung des Menschenrechtsschutzes im Rahmen der
       Förderung von Naturschutzgebieten“, so das BMZ auf taz-Anfrage. Vereinbart
       worden sei unter anderem die Ernennung eines
       ICCN-Menschenrechtsbeauftragten, Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz „zum
       Kapazitätsaufbau beim Menschenrechtsschutz in der Arbeit der
       Parkverwaltungen“ sowie die Erstellung von Risikoanalysen.
       
       Die wichtigste Reform liegt in der Verwaltung der Parks an sich. In Zukunft
       sollen alle sechs Naturschutzgebiete des Kongos, in welche deutsche Gelder
       fließen, nur noch in enger Zusammenarbeit zwischen ICCN und internationalen
       Organisationen verwaltet werden. „Internationale
       Nichtregierungsorganisationen sollen ihre Erfahrungen aus anderen Regionen
       und ihre Expertise im Bereich des Schutzes von Menschenrechten und von
       Konfliktlösung einbringen“, erklärt das BMZ.
       
       Eine solche Zusammenarbeit wird bereits im Salongapark im Zentrum Kongos
       betrieben: der WWF war dort Partner der ICCN.
       
       Auch dort kam es zu zahlreichen Menschenrechtsverstößen. In einem internen
       Untersuchungsbericht vom März 2019, der der taz vorliegt, ist die Rede von
       vergewaltigten Frauen und Fischern, deren Genitalien verstümmelt wurden.
       Aufgrund der Vorfälle wurden daraufhin alle deutschen Gelder für Salonga
       eingefroren, ebenso US-Gelder für den WWF und die US-amerikanische Wildlife
       Conservation Society (WCS), die in Kahuzi-Biega aktiv ist.
       
       ## Deutschland will Menschenrechte schützen
       
       Jetzt ist der WWF erneut als Partner in Salonga vorgesehen, die WCS hat
       einen Co-Management-Vertrag für das Naturschutzgebiet Okapi im Norden des
       Landes unterzeichnet. Deutschland versichert, zahlreiche Maßnahmen
       eingeleitet zu haben, um neue Menschenrechtsverletzungen zu verhindern:
       Wildhüter werden in Menschenrechten geschult, für die angrenzende
       Bevölkerung wurden Beschwerde-Hotlines eingerichtet.
       
       Die internationalen Organisationen, so das BMZ, sollen „die
       Personalverantwortung inklusive Auswahl und Ausbildung der Ranger sowie die
       Aufarbeitung von Zwischenfällen stärker verantworten.“ Eine
       „Berichtspflicht gegenüber der KfW“ werde es geben: „Dies umfasst auch die
       Meldung von besonderen Vorfällen.“
       
       Was Kahuzi-Biega angeht, präzisiert eine KfW-Sprecherin zur taz, ein
       „Mediationsprozess“ unter ICCN-Beteiligung sei Bedingung für die
       Wiederaufnahme der Zahlungen: „Für die KfW bleibt eine weitere Verbesserung
       der Kooperation ein wesentliches Hauptaugenmerk des Engagements.“
       
       Doch das Memorandum mit der Naturschutzbehörde ICCN ist nicht öffentlich,
       und die [5][Militarisierung des Naturschutzes im Kongo] nimmt nicht ab,
       sondern zu. Denn Kongos Naturschutzbehörde ICCN steht mittlerweile unter
       gemeinsamer Aufsicht der Ministerien für Tourismus und für Verteidigung.
       
       Die rund 4.000 Wildhüter im Kongo stehen nun unter Kommando der
       [6][kongolesischen Armee], die für schwere Menschenrechtsverbrechen
       berüchtigt ist. Ihr Chef, Generalmajor Maurice Aguru, tourt seit Ende 2019
       durch die Parks und kündigt an, die Rangereinheiten auf 11.000 Mann
       aufzustocken. Seitdem laufen landesweite Rekrutierungsmaßnahmen.
       
       ## Zwölf tote Ranger in diesem Jahr
       
       Die Regierung macht geltend, es seien allein dieses Jahr in den
       Nationalparks Virunga, Kahuzi-Biega und Okapi 12 Ranger getötet worden.
       Kongos Wildhüter werden systematisch im Antiterrorkampf ausgebildet, von
       westlichen Militärtrainern und israelischen Sicherheitsfirmen. Einen
       Großteil der Trainings für Afrikas Wildhüter haben die USA bezahlt, für die
       der Kampf gegen Wilderei in Afrika ein Teil ihres Kampfes gegen den
       internationalen Terrorismus und dessen Finanzquellen darstellt.
       
       Das BMZ sagt dazu: „Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit lehnt eine
       Militarisierung des Naturschutzes ab. Waffen und Munition werden nicht
       finanziert.“ Gleichzeitig gibt das BMZ „eine gute Ausbildung der Ranger –
       auch in Menschenrechtsfragen – und die Ertüchtigung der
       Naturschutzbehörden“ als Schwerpunkt der Zusammenarbeit an.
       
       Die Zusammenarbeit zwischen Wildhütern und Militär will Deutschland im Auge
       behalten: „Die Kooperation mit den kongolesischen Streitkräften im Rahmen
       gemeinsamer Einsätze soll, wenn diese situationsbedingt und gemäß
       nationaler Gesetzgebung unabdingbar sind, auf der Grundlage eines
       schriftlichen Protokolls erfolgen“, sagt das BMZ. „Neben der Regelung der
       Befehls- und Kommandogewalt soll dieses eine klare Verpflichtung zur
       Wahrung menschenrechtlicher Standards sowie disziplinarische und
       strafrechtliche Maßnahmen bei Verstößen enthalten.“
       
       Kann das funktionieren? Zweifel sind angebracht. Aus Sicht der Behörden
       sind die autochthonen Waldbewohner im Kahuzi-Biega-Park Aufständische, die
       neutralisiert werden müssen. Im November nahmen Soldaten den mutmaßlichen
       Milizenführer Nshokano Batumike fest, der als Chef der bewaffneten Gruppe
       MDPAP (Mouvement de Défense Pour Autochtones Pygmées) für Angriffe auf die
       Armee und über 50 Dörfer verantwortlich gemacht wird.
       
       Und am vorvergangenen Wochenende kündigte Kongos junger Tourismusminister
       Yves Bunkulu in Kinshasa neue Militäroperationen „großen Ausmaßes“ an, „um
       für Ruhe in den Nationalparks zu sorgen“.
       
       25 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schlindwein
       
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