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       # taz.de -- Evangelikale Aufklärung an Schulen: Antiabtreibungsunterricht
       
       > Ein evangelikaler Verein lehrt Sexualpädagogik an Bremer Schulen. Die
       > Fundamentalist*innen lehnen Homosexualität und Schwangerschaftsabbrüche
       > ab.
       
   IMG Bild: Wie man ein Kondom über einen Holzphallus zieht, kann die schuleigene Sexualpädagogik vermitteln
       
       BREMEN taz | Als Christian Linker, Geschäftsführer des
       Rat-und-Tat-Zentrums für queeres Leben, vor Kurzem eine Anfrage der FDP im
       Bremer Landtag las, zog er, wie er der taz erzählt, erst mal scharf die
       Luft ein.
       
       „Beteiligungsbedingungen externer Anbieter in der [1][Sexualpädagogik] an
       den Schulen im Land Bremen“ [2][ist die Anfrage überschrieben]. Im
       Eingangstext heißt es: „Immer wieder sorgen auch Berichte über die Inhalte
       und die in der Sexualpädagogik verwendeten Unterrichtsmaterialien für
       mediale Diskussionen.“
       
       Das Rat-und-Tat-Zentrum ist einer dieser externen Anbieter. Seit 25 Jahren
       beantworten Mitarbeiter*innen in Schulen Fragen zu Homo-, Trans- und
       Intersexualität und was den Jugendlichen sonst auf den Nägeln brennt. „Für
       mich liest sich das wie eine Misstrauenserklärung gegenüber uns und
       anderen, die diese Arbeit machen“, sagt Linker.
       
       Die Reaktion Linkers erklärt sich auch durch die Antragstellerin: Birgit
       Bergmann ist Mitglied der [3][evangelikalen] Matthäus-Gemeinde in Bremen.
       Evangelikale lehnen Homosexualität und Schwangerschaftsabbrüche ab und
       begründen dies mit Bibelzitaten. Sie habe die Anfrage gestellt, weil sie
       Transparenz in diesem „sensiblen Bereich“ wichtig finde, sagt Bergmann der
       taz.
       
       Ihre Fragen zielen auf die Qualifikation der Anbieter und nach welchen
       Kriterien sie ausgewählt werden. Der Senat sagt, dies sei Sache der
       Schulen. Das heißt: Er hat keine Ahnung, wer was macht in den Schulen. Er
       nennt neben Rat und Tat als Anbieter das Mädchenhaus, Pro Familia und das
       Jungen-Büro. Alle legen im weitesten Sinne ihren Schwerpunkt auf sexuelle
       Selbstbestimmung.
       
       ## „Abtreibung ist keine Lösung“
       
       In der Aufzählung fehlt die [4][Christliche Elterninitiative], in deren
       Beirat Bergmann sitzt. Laut Selbstdarstellung auf der Vereins-Homepage
       hatte diese 1985 „die Aktion ‚Recht auf Leben‘ initiiert, eine Gruppierung,
       die angesichts der vielen Abtreibungen in unserem Land Frauen und Familien
       in Konfliktsituationen helfen sowie das Leben von Kindern vor und nach der
       Geburt schützen will.“
       
       Seit 2011, so heißt es [5][in einem Artikel in FEBB-Family,] dem Magazin
       der freien evangelischen Bekenntnisschule, bietet der Verein auch ein
       „Unterrichtsprojekt“ an. Sie und ihre Kollegin kämen für je sechs
       Unterrichtsstunden in 9. und 10. Klassen, sagt Projektleiterin Beatrix
       Fäsenfeld der taz. Sie seien regelmäßig an sechs Schulen, darunter an der
       [6][FEBB] und zwei öffentlichen Schulen in Bremen. Welche das sind, möchte
       sie nicht sagen.
       
       Sie versichert, dass sie Schwangerschaftsabbrüche nicht bewerten würden.
       Doch die Selbstbeschreibung im FEBB-Magazin klingt anders. „Wir klären auch
       über Abtreibung auf und machen deutlich, dass dies für uns keine Lösung des
       [Schwangerschafts-]Konfliktes ist“, heißt es in dem Artikel von 2015.
       
       Und im Telefonat – in dem sie den negativ konnotierten Begriff „Abtreibung“
       nutzt, nie den neutralen „Schwangerschaftsabbruch“ – sagt Fäsenfeld, sie
       würden über das [7][„Post Abortion Syndrome“ (PAS)] sprechen.
       
       Fundamentalist*innen wie die [8][„Ärzte für das Leben“] behaupten, das PAS
       sei eine „seelische Erkrankung nach Abtreibung mit psychosomatischer
       Symptomatik“. Es gibt keine medizinische Fachgesellschaft, die einen
       wissenschaftlichen Nachweis für die Existenz dieses „Syndroms“ gefunden hat
       und es als Krankheit klassifiziert.
       
       In einer Mail schreibt Fäsenfeld später dazu, sie würden darüber sprechen,
       „welche emotionalen Folgen es für eine Frau und einen Mann haben kann, wenn
       man sich z. B. für das Kind oder einen Abbruch entscheidet“.
       
       Zudem zeigten sie „bisweilen“ den Film [9][„Wunder des Lebens“]. Die Frage,
       welcher Film gemeint ist, lässt sie unbeantwortet. Abtreibungsgegner*innen
       benutzen oft Filme, die, untermalt von erhabener Musik, die Verschmelzung
       von Samen und Eizelle zeigen sowie die Entwicklung zum Fötus, um damit von
       Schwangerschaftsabbrüchen abzuschrecken.
       
       Fäsenfeld schreibt in ihrer Mail, der Film sei „ein Auftakt, kontrovers zu
       diskutieren, wann in ihrer Wahrnehmung das Leben beginnt. So wollen wir die
       Schülerinnen und Schüler ermächtigen, sich in diesem Diskursfeld selbst zu
       positionieren.“
       
       Dabei soll es Fäsenfeld zufolge bei dem Projekt darum gehen, Schüler*innen
       „für ihre eigene Sexualität und ihre persönlichen Bedürfnisse“ zu
       sensibilisieren – was ein Film über die Entwicklung im Mutterleib damit zu
       tun hat, kann sie nicht erklären.
       
       Und dass es um „persönliche Bedürfnisse“ oder gar die Entwicklung einer
       lustvollen, selbstbestimmten Sexualität geht, ist schwer vorstellbar, da
       Evangelikale nicht nur [10][homosexuellen, sondern auch heterosexuellen Sex
       ohne Trauschein ablehnen].
       
       Ihre Qualifikationen haben Fäsenfeld, Seelsorgerin und
       Verwaltungsassistentin, und ihre Kollegin Heidrun Kruse, Pädagogin und
       [11][„Schwangerschaftskonfliktberaterin“], nach eigenen Angaben an
       evangelikalen Einrichtungen erworben.
       
       Als Beispiele nennt Fäsenfeld die [12][„Akademie Team F“] oder die „Ignis
       Akademie“. Letztere hat im Juli [13][„sexuelle und geschlechtliche
       Identitätsstörungen“] sowie „therapeutische Vorgehensweisen für sexuelle
       Störungen“ im Lehrplan. Diese [14][„Homo-Heilung“ ist in Deutschland bei
       Minderjährigen verboten], da Homosexualität keine Krankheit ist und daher
       weder therapierbar noch therapiebedürftig. Die Frage nach Seminaren, die
       für die sexualpädagogische Arbeit qualifizieren, lässt Fäsenfeld
       unbeantwortet.
       
       Die Bremer Bildungsbehörde teilt der taz mit, öffentliche Schulen seien
       anders als konfessionelle „zur weltanschaulich-religiösen Neutralität“ und
       „in einem höheren Maße zur Zurückhaltung bei der ethisch-moralischen
       Bewertung von Schwangerschaftsabbrüchen“ verpflichtet. Wenn die christliche
       Elterninitiative das Thema so vermittle, dass „eine Diskussion angeregt“
       werde, sei es zulässig.
       
       27 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Oesterreichs-Schulen-engagieren-Externe/!5552412
   DIR [2] https://www.bremische-buergerschaft.de/drs_abo/2020-11-11_Drs-20-702_c2363.pdf
   DIR [3] /Evangelikale-in-Bremen/!5701592
   DIR [4] https://www.cei-bremen.de/unterrichtsprojekt-aufklaerung/
   DIR [5] https://docplayer.org/docs-images/44/16553407/images/page_5.jpg
   DIR [6] /Evangelikale-Erziehung/!5723499
   DIR [7] /Plaene-des-Gesundheitsministers/!5569100
   DIR [8] https://aerzte-fuer-das-leben.de/fachinformationen/schwangerschaftsabbruch-abtreibung/post-abortion-syndrom-pas/
   DIR [9] http://www.stumme-helden.de/wunder-des-lebens/
   DIR [10] https://www.ead.de/fileadmin//user_upload/Ehe_als_gute_Stiftung_Gottes.pdf
   DIR [11] https://www.buzzfeed.com/de/julianeloeffler/bundeslaender-pruefen-anti-abtreibungsorganisation-profemina
   DIR [12] https://www.team-f.de/de/sexualitaet__462/
   DIR [13] https://www.ignis.de/wp-content/uploads/2020/10/Kompass_2020-2.pdf
   DIR [14] /Bundestag-schuetzt-Homosexuelle/!5683595
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eiken Bruhn
       
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