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       # taz.de -- Prozess gegen Pastor: Ein Mann sät Wind
       
       > Volksverhetzung? Am Freitag stand der evangelikale Martini-Pastor Olaf
       > Latzel vorm Bremer Amtsgericht. Sein Urteil ergeht am Mittwoch.
       
   IMG Bild: Glaubt, Homosexualität sei teuflisch: Pastor Latzel in der „Glocke“, die als Gericht dient
       
       Bremen taz | Sollte Olaf Latzels Rede gegen „praktizierte Homosexualität“,
       die er in einem Eheseminar im vergangenen Herbst [1][als „todeswürdiges
       Verbrechen“ bezeichnet hat], nur aus Versehen online gegangen sein? Das
       Amtsgericht hat am Freitag gegen den evangelikalen Pastor von St. Martini
       wegen des Verdachts auf Volksverhetzung verhandelt, wegen des großen
       öffentlichen Interesses im Kammermusiksaal der Glocke.
       
       Während die Staatsanwaltschaft nach superkurzer Beweisaufnahme die Schuld
       des Geistlichen für erwiesen hielt und 120 Tagessätze à 90 Euro als Strafe
       forderte, plädierte die Verteidigung auf Freispruch. Am Mittwoch wird die
       Vorsitzende Richterin Ellen Best das Urteil verkünden.
       
       Inhaltlich gibt der Mitschnitt von Latzels mehr als einstündigem Vortrag
       mehrere Anknüpfungspunkte für den Vorwurf auf Volksverhetzung. Allerdings:
       Er enthält auch Entlastungsmomente. So erklärt Latzel es zwar zur
       „Katastrophe“, homosexuellen Kolleg*innen, die heiraten, ein Geschenk zu
       machen, jenseits derartiger Ausgrenzungspraxis könne man die Menschen aber
       respektieren.
       
       Gewichtiger dürfte für die Verteidigung sein, dass Latzel zu Eingang seines
       Sermons, den er am 19. Oktober 2019 über rund 30 Hetero-Paare ergossen
       hatte, verspricht, die intime Atmosphäre zu wahren. „Das wird nicht
       rausgehauen über den Äther, also übertragen“, sagt er im Video.
       
       ## Verwirrung um Wirkung und Ursache
       
       Wurde es dann aber doch, ein knappes halbes Jahr später. Er habe einem
       technischen Mitarbeiter im März 2020 die Erlaubnis gegeben, die Ansprache
       zu veröffentlichen, auf Youtube – auf Latzels Kanal, der 15.000 Follower
       hat. Kurz danach begannen Vandalismus-Attacken auf die Gemeinde,
       Farbschmierereien und Kundgebungen, über die Bild-Zeitung und Weser-Kurier
       ausgiebig berichteten.
       
       Besonders schlimm fand die Gemeinde, dass der Schriftzug „God is gay“ auf
       dem Schaukasten angebracht worden war. Chronologisch überraschend machten
       nun Latzel und sein Verteidiger Sascha Böttner diese Angriffe als Kontext
       für die Äußerungen Latzels geltend.
       
       Den 30 Paaren sei klar gewesen, dass er sich auf diese bezogen hätte, als
       Latzel sich darüber beklagte, dass „überall diese Verbrecher vom CSD“
       rumlaufen und Partys feiern würden, hieß es. Das alles seien „bewusst
       anti-christliche Dinge, mit denen die Ehe torpediert wird“, so Latzels
       Ansprache auf Band. „Diese Homo-Lobby, dieses Teuflische drängt immer mehr
       hinein“, warnte er seine Schäfchen.
       
       Dass damit „letztlich nur Personen gemeint sein können“, betonte
       Staatsanwältin Marlene Wieland. Eine Schutzbehauptung sei Latzels
       Beteuerung, stets zwischen dem Menschen und der Tat zu unterscheiden. Man
       sage Ja zum Sünder aber Nein zur Sünde, so dessen formelhaftes Bekenntnis
       schon in einer ersten Stellungnahme zu den Vorwürfen Ende April vergangenen
       Jahres.
       
       „Es wird in den Äußerungen gerade nicht differenziert“, so die
       Anklagevertreterin mit Hinweis auf Passagen der Ansprache, in denen Latzel
       Homosexualität in die Nähe von Zoophilie rückt. Es sei klar, dass mit den
       Äußerungen LBGTI-Personen in ihrem Menschsein als solchem getroffen werden
       sollten, so Wieland.
       
       Unbestreitbar hat da jemand Wind gesät. Heikel am Verfahren bleibt, dass es
       das Grundrecht auf Religionsfreiheit berührt. Dass die Staatsanwaltschaft
       befand, Latzel habe sich mit seinem Versuch, eine feindselige Haltung gegen
       LBGTI-Menschen zu erzeugen, „weitreichend vom evangelischen Glauben
       entfernt“, ist problematisch.
       
       Zu Recht wies die Verteidigung darauf hin, dass diese Feststellung gerade
       nicht staatlichen Behörden obliegen könne. Fakt ist: Wenn Olaf Latzel
       einfach nur in seinem Gotteshaus fröhlich vor sich hingehasst hätte, wäre
       wohl nichts passiert. Gerichte sind nicht dafür da, weltanschauliche
       Konflikte auszutragen.
       
       ## Im Visier von Latzel-Fans
       
       Umgekehrt erweist sich das Aggressions-Potenzial der Community, an die
       Latzel sich wendet, als nicht unerheblich. So hatte der CSD-Verein, nachdem
       er den Geistlichen im Frühjahr angezeigt hatte, seine Telefone auf
       Anrufbeantworter umschalten müssen. Die Hürde, seinen Hass mit eigener
       Stimme auf Band zu hinterlassen, sei eben höher, so der Vorsitzende Robert
       Dadanski auf taz-Nachfrage.
       
       Dass Latzel jetzt vor Gericht steht, „erfüllt mich nicht mit Genugtuung“,
       sagte Dadanski. Mit der Anzeige „haben wir unsere Pflicht getan“. Bewusst
       habe man auf einen Antrag verzichtet, als Nebenkläger zugelassen zu werden
       „Wir wollen, dass der Staat das in die Hände nimmt.“
       
       Aktualisierung: Nach Erscheinen dieses Artikels wies Böttner darauf hin,
       dass die Kirche an der Weser auch vor der Veröffentlichung seiner Ansprache
       auf Youtube mehrfach und zuletzt im Jahre 2018 Gegenstand von
       Vandalismus-Attacken geworden war, einschließlich der Verwendung des als
       blasphemisch empfundenen Schriftzugs, laut dem Gott homosexuell ist.
       
       20 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Schirrmeister
       
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