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       # taz.de -- Prozess in Frankreich: Thalys-Anschlag kommt vor Gericht
       
       > 2015 scheiterte ein Terrorangriff auf einen Schnellzug Richtung Paris.
       > Das Geschehen war filmreif. Der mutmaßliche Attentäter steht nun vor
       > Gericht.
       
   IMG Bild: Eine Ermittlerin im Thalys kurz nach dem Anschlag im Jahr 2015
       
       Paris afp | Ein Islamist mit einer Kalaschnikow, hunderte Passagiere in
       einem Hochgeschwindigkeitszug und drei Helden: Gut fünf Jahre nach dem
       Anschlag auf Passagiere eines Zuges nach Paris beginnt am Montag in der
       französischen Hauptstadt der Prozess um den inzwischen von US-Starregisseur
       Clint Eastwood verfilmten Fall. Als Zeugen geladen sind drei US-Bürger, die
       den Dschihadisten damals überwältigten und damit wohl ein Blutbad
       verhinderten.
       
       Mit einer Kalaschnikow, einer Pistole und einem Teppichmesser bewaffnet
       trat der 25-jährige Marokkaner Ayoub El Khazzani am 21. August 2015 in
       einen Waggon des Thalys-Zugs von Amsterdam nach Paris. „Er wirkte wie in
       Trance“, schilderte einer der Passagiere später den Ermittlern. Nach einer
       Schrecksekunde stürzte sich der Reisende auf El Khazzani. Einem zweiten
       Passagier gelang es, ihm die Kalaschnikow abzunehmen. Daraufhin zog der
       Marokkaner eine Pistole, verletzte den Passagier und entriss ihm das
       Schnellfeuergewehr wieder.
       
       Von dem Lärm aufgeschreckt, eilten Touristen aus den USA in den Waggon,
       darunter zwei Soldaten. Ihnen gelang es, El Khazzani zu entwaffnen, einer
       der Amerikaner wurde dabei durch Messerstiche verletzt. Anschließend
       fesselten sie den Täter – mit den Krawatten von Geschäftsreisenden. „Er
       hatte 270 Schuss Munition bei sich“, sagt der Anwalt der drei Amerikaner,
       Thibault de Montbrial, der von einer versuchten „Massentötung“ ausgeht.
       
       Der US-Regisseur Eastwood verarbeitet die Geschichte zu einem Heldenepos.
       In „The 15:17 to Paris“ von 2018 spielen sich die drei Amerikaner Anthony
       Sadler, Alek Skarlatos und Spencer Stone selbst. Sie werden trotz strenger
       Corona-Auflagen zu dem Verfahren in Paris erwartet. Die drei wurden in
       Frankreich als Helden gefeiert, in die Ehrenlegion aufgenommen und
       erhielten die Staatsbürgerschaft.
       
       El Khazzani muss sich wegen versuchten Mordes und Mitgliedschaft in einer
       Terrorgruppe verantworten, ihm droht lebenslange Haft. Er hatte sich vor
       der Tat der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien
       angeschlossen. Der Marokkaner leugnet nicht, einen Anschlag in dem Zug
       geplant zu haben. Allerdings behauptete er, im letzten Moment Zweifel
       bekommen zu haben, bevor er überwältigt wurde. „Ich bin kein Massenmörder,
       sondern ein nobler Kämpfer“, sagte er den Ermittlern zufolge. Sein Anwalt
       betont, er bereue die Tat und habe sich in der Haft „entradikalisiert“.
       
       Verbindung zum Charlie-Hebdo-Attentäter 
       
       El Khazzani war im Sommer 2015 über die Flüchtlingsroute von Syrien nach
       Europa gekommen. Ihn begleitete der Dschihadist Abdelhamid Abaaoud, der am
       13. November 2015 eine zentrale Rolle bei den Terrorkommandos spielen
       sollte, die in Paris 130 Menschen ermordeten, bevor er selbst von
       Elitepolizisten getötet wurde. El Khazzani gab an, Abaaoud habe ihn mit dem
       Anschlag beauftragt.
       
       In dem Prozess müssen sich noch weitere Männer verantworten. Sie sollen El
       Khazzani und Abaaoud geholfen haben, nach Europa einzureisen, bestreiten
       dies aber. Das Verfahren ist bis zum 17. Dezember angesetzt.
       
       15 Nov 2020
       
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