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       # taz.de -- VfL Wolfsburg im Wandel: Aus Not wurde Tugend
       
       > Der VfL Wolfsburg hat sich in der Fußball-Bundesliga zum
       > Entwicklungsverein gewandelt. Nur an der Außenwahrnehmung hapert es
       > weiterhin.
       
   IMG Bild: Hätte gerne mehr Zuspruch von außen: Wolfsburgs Bartosz Bialek nach seinem 5:3 gegen Bremen
       
       Wolfsburg taz | Immer diese gemeinen Vorurteile: Zu wenig Tradition, zu
       wenig Emotionen, zu wenig Fans – obwohl der VfL Wolfsburg seit mehr als 20
       Jahren durchgängig in der Fußball-Bundesliga vertreten ist, wird das
       sportliche Tochterunternehmen von Volkswagen oft belächelt. Im Moment
       halten sich die Lästereien in Grenzen, weil es läuft. Der VfL ist
       Tabellenfünfter und nach neun Spieltagen immer noch ungeschlagen. „Das war
       ein tolles Spektakel“, sagt Wolfsburgs Cheftrainer Oliver Glasner nach dem
       turbulenten 5:3-Heimsieg gegen Werder Bremen. „Das Einzige, was gefehlt
       hat, waren Zuschauer im Stadion.“ Für seine Verhältnisse fast schon
       euphorisch. Aber eben auch nur fast.
       
       Glasners Stärke ist nicht das Emotionale, sondern das Fachliche. Mit ihm
       als Trainer geht es nicht um große Schlagzeilen, sondern um große Schritte
       nach vorne. Als der VfL Wolfsburg vor einem Jahrzehnt noch Deutscher
       Meister war, leistete er sich viele bekannte Spieler, die mit stattlichen
       Buchungsposten verbunden waren. Mittlerweile ist wirtschaftliche Vernunft
       eingekehrt, weil VW nicht mehr so viel Geld in den Sport investieren
       möchte.
       
       Daraus haben die Verantwortlichen des VfL Wolfsburg ein neues
       Selbstverständnis abgeleitet: Die „Wölfe“ betrachten sich als
       Entwicklungsverein. Sie holen junge und aufstrebende Spieler wie etwa Ridle
       Baku nach Niedersachsen. Der Rechtsverteidiger, der vorher 13 Jahre in
       seiner Heimatstadt beim FSV Mainz 05 spielte, ist 22 Jahre jung und gerade
       erstmals in die Nationalmannschaft berufen worden. Seine starke Leistung
       gegen Werder, gekrönt durch ein Tor, zeigt den gewünschten Weg auf: Es geht
       Verein und Trainer darum, die VfL-Spieler ein bisschen besser zu machen.
       
       Wie gut der VfL Wolfsburg insgesamt unter Glasners Obhut schon geworden ist
       und was sich damit erreichen lässt, bleibt eine knifflige Frage. Die Ruhe
       und Gelassenheit, die der introvertierte Vordenker ausstrahlt, tun der
       Mannschaft offenbar gut. Anders lässt sich der bisherige Erfolg nicht
       erklären.
       
       ## Anschluss nach oben
       
       Andererseits war vor Kurzem auch durchgesickert, dass es hinter den
       Kulissen des Vereins unterschiedliche Sichtweisen auf grundlegende Themen
       gibt. Als ehrgeiziger Trainer hatte Glasner laut formuliert, dass er sich
       noch mehr beziehungsweise andere Neuzugänge gewünscht hätte. Das wiederum
       wertete VfL-Geschäftsführer Jörg Schmadtke als Affront. Ihm gefällt es
       überhaupt nicht, wenn Internes öffentlich diskutiert wird. Also bat er den
       ihm unterstellten Trainer zu einem klärenden Gespräch. Was im ersten Moment
       nach zwischenmenschlichem Kleinkram klingt, zeigt allen Kritikern, dass
       selbst dieser angeblich so öde VfL Wolfsburg ein Verein mit Ecken und
       Kanten sein kann.
       
       Es fehlt gar nicht so viel, um wieder zu den ganz großen Nummern im
       Profisport zu zählen. Ein paar Punkte mehr wären nicht schlecht, um selbst
       Bayern München, Borussia Dortmund oder RB Leipzig zu ärgern. Ein wenig mehr
       Aufmerksamkeit an Deutschlands Stammtischen könnte auch nicht schaden, um
       den VfL Wolfsburg besser zu positionieren.
       
       Womit kommt man ins Gespräch? Mithilfe eines außergewöhnlich treffsicheren
       Stürmers wie dem Niederländer Wout Weghorst, der die Wölfe gegen Werder
       zweimal in Führung brachte. Mit guten Typen wie Ridle Baku, der erfrischend
       schwungvoll und ehrlich auftritt. „Das war extrem viel Slapstick“, sagte
       der Defensivspezialist angesichts der zahlreichen Gegentore im sehenswerten
       Duell mit Bremen.
       
       Gesichter wie das von Baku für die Außendarstellung des Vereins aktiv zu
       nutzen, wäre ein denkbarer Weg. Diesen mit Glasner zu gehen, dürfte
       schwierig werden. Der Österreicher verzichtet bewusst darauf, Einzelne in
       den Vordergrund zu stellen. Seine Lobeshymne vom Freitagabend über Baku
       hört sich so an: „Ridle hat sich bei uns sehr gut zurechtgefunden. Er hat
       noch genug Potenzial, um sich zu verbessern.“ Das ist zweifellos richtig,
       taugt aber nicht für eine Heldengeschichte. Ob das nun gut oder schlecht
       ist, wird zu klären sein – am liebsten vereinsintern, wenn es nach
       Schmadtke geht.
       
       30 Nov 2020
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Otto
       
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