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       # taz.de -- Discounter setzt Bauern unter Druck: Aldi will Bananen noch billiger
       
       > Mitten in der Coronapandemie will der Aldi-Konzern etwa 9 Prozent weniger
       > zahlen. Gewerkschafter und Nachhaltigkeitsexperten sind entsetzt.
       
   IMG Bild: Arbeiterin wäscht Bananen für den Export auf einer Plantage in Ecuador
       
       Hamburg taz | Die Verhandlungen laufen noch. Doch das erste Aldi-Angebot
       pro Kiste [1][Bananen] hat in den Lieferländern für Entsetzen gesorgt.
       11,33 Euro bietet der weltweit wohl größte Einzelimporteur für die krummen
       Früchte. 12,41 zahlt der Konzern noch in diesem Jahr inklusive der
       Transportkosten. Schon damit haben die Produzenten in Ecuador schwer zu
       kämpfen, so Jorge Acosta. Er ist Koordinator der Landarbeitergewerkschaft
       Astac aus Guayaquil, dem Bananendrehkreuz Ecuadors. Das lateinamerikanische
       Land ist der größte Exporteur der gelben Früchte weltweit und befindet sich
       bereits jetzt in einer massiven Krise.
       
       „Einige unserer Mitglieder haben fünf, sechs Wochen keinen Lohn erhalten,
       bei anderen sind die Arbeitsanforderungen erhöht worden, weil bereits jetzt
       viele Bananenimporteure weniger zahlen als die vereinbarten Preise. Dumping
       nennt sich das, und da die Früchte verderblich sind, sind die Bauern
       erpressbar.“ Teilweise, so Acosta, zahlen die Importeure den Produzenten
       nur 3 bis 4 US-Dollar pro Kiste mit 18,14 Kilogramm der Südfrüchte. „Das
       ist oft unterhalb der Produktionskosten und für kleine Produzenten
       existenzbedrohend“, meint Acosta. Er weist auf die steigende Zahl von
       Pleiten kleiner und mittlerer Bananenbauern in Ecuador hin.
       
       „Nun kommt Aldi mit der Ankündigung, die Preise zu senken, obwohl alle Welt
       weiß, dass in Ecuador weder Arbeits- noch Umweltstandards eingehalten
       werden“, schimpft Acosta. Im vergangenen Jahr hat er bei der EU-Kommission
       Beschwerde gegen die Verstöße eingelegt, denn das Freihandelsabkommen
       zwischen der EU auf der einen Seite und Ecuador, Peru und Kolumbien auf der
       anderen hat ein „Nachhaltigkeitskapitel“.
       
       Das verpflichtet die Vertragspartner zur Einhaltung international gültiger
       Sozial- und Umweltstandards. Doch die werden nachweislich in Ecuador
       verletzt. Folgen hat das nicht, denn das Nachhaltigkeitskapitel sieht keine
       Sanktionen vor. „Wir haben es mit einem zahnlosen Tiger zu tun, der uns
       auch nicht helfen wird, wenn wir nachweisen, dass aufgrund der
       Preissenkungen von Aldi Arbeitsrechte verletzt und Löhne noch unfairer
       werden“, kritisiert Acosta.
       
       Die Wahrscheinlichkeit dafür ist hoch, bestätigt Frank Braßel,
       Kampagnenleiter für wirtschaftliche Gerechtigkeit der
       Entwicklungsorganisation Oxfam. „Die Einfuhrpreise für Bananen sind in fünf
       der vergangenen sechs Jahre gesunken, obwohl die Kosten für Kartonagen,
       Pflanzenschutzmittel und Exportgebühren gestiegen sind. Das Bauernsterben
       in Ecuador belegt das“, so Braßel. Aldi reduziere mit seiner Reduzierung
       des Verhandlungspreises um rund 9 Prozent den Spielraum für bessere
       Arbeits- und Lohnbedingungen auf den großen Plantagen. Das dürfte Folgen
       haben. Aldi gilt als Preissetzer, andere Supermarktketten könnten folgen,
       und eine Abwärtsspirale der Ankaufspreise und daraus resultierend der Löhne
       und Arbeitsbedingungen ist wahrscheinlich.
       
       ## Aldis Versprechen
       
       Das widerspricht Aldis öffentlicher Verpflichtung Anfang des Jahres auf der
       Agrarmesse Grüne Woche, sich stärker für faire Löhne und Einkommen
       einzusetzen. Diese Absichtserklärung bestätigt Joachim Wehner aus der
       Aldi-Presseabteilung auch jetzt noch. „Wir setzen auf langfristige und
       faire Geschäftsbeziehungen mit Lieferanten und Erzeugern“, antwortet er auf
       Anfrage der taz, ist aber nicht bereit zu erklären, weshalb der Konzern
       mitten in der Pandemie den Ankaufspreis um satte 9 Prozent senken will.
       Unstrittig ist, dass auch in der Bananenproduktion zusätzliche Kosten für
       Desinfektionsmittel, Masken und mehr Abstand in den Bussen der
       Arbeiter*innen anfallen.
       
       Für Frank Braßel ist das Signal des Handelskonzerns fatal. „Selbst wenn
       einzelne Kostenparameter wie der Transport, wie von Aldi behauptet,
       wirklich gesunken sein sollten, frage ich mich, weshalb das Geld nicht für
       die Corona-Mehrausgaben aufgewendet wird. Aldi droht eine Preisspirale nach
       unten loszutreten“ – entgegen der eigenen Absichtserklärung vom Januar
       dieses Jahres.
       
       29 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
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