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       # taz.de -- Die Wahrheit: Besser segeln durch die Krise
       
       > Unerhörtes über Außenohren, biegsame Knorpel und Lauscher im Gegenwind
       > als Zeichen der besonderen Intelligenz.
       
   IMG Bild: Bekanntester Segelohrträger der Welt: Prince Charles
       
       Hilfe, uns droht die Versegelohrisierung! Das behaupten jedenfalls
       Coronaleugner mit eng anliegenden Ohren. Uns Maskenträgern wären ihrer
       Meinung nach hässliche Segelohren gewiss, denn der Gummizug der Maske biegt
       den geschmeidigen Ohrknorpel nach vorne und das Ohr bleibt so in der
       Segelohrstellung stehen! Ein ähnliches Phänomen kennen wir bereits von
       Kindern, denen beim leichtsinnig simulierten Schielen die Augen für immer
       in der Schielstellung stehen bleiben. Ja, die Natur straft kleine Sünden
       sofort.
       
       Doch wann sprechen wir überhaupt von Segelohren? Dazu muss nach dem
       Ohrenpapst Dr. Merck der Abstand des Ohrenrandes vom Kopf 2,8 Zentimeter
       betragen, ganz strenge Ohrologen fordern sogar, dass ein richtiger
       Segelohrträger seine eigenen Ohrwatschel ohne fremde Hilfsmittel sehen
       können muss.
       
       Leider sind Menschen mit Segelohren immer noch dem Hohn und Spott der
       stromlinienförmigen Ohr-Normalos ausgesetzt. Ganz anders denkt man im
       fernen Indien darüber, dort gelten Segelohren als Zeichen besonderer
       Intelligenz. Eine sehr begründete These, denn ein Mensch mit Segelohren
       hört besser als ein Flachohrträger, und wer mehr hört, weiß auch mehr!
       
       Deshalb sind Segelohren in Wirklichkeit ein Segen und keine Strafe. So
       etwas hören Segelohrverächter gar nicht gern, aber die Natur gibt den
       Segelohrbefürwortern recht. In der freien Wildbahn hat sich das abstehende
       Ohr längst durchgesetzt. Luchs, Uhu und die hellhörige Waldohreule setzen
       seit jeher auf abstehende Ohrpuschel, und auch die Großohrige Fledermaus
       segelt sicher durch die Nacht mit ihren ungewöhnlichen Ohrwatscheln.
       
       ## Druckknöpfe in die Watscheln
       
       Und der unerschrockene Maskenträger sollte wissen, dass er sein störrisches
       Segelohr jederzeit wieder auf Stromlinie bringen kann. Das zahlt die Kasse
       zwar nur bei Kindern, aber die zwei- bis dreitausend Ocken für eine
       Ohrbegradigung sollte einem der Spaß wert sein. Das kann man
       selbstverständlich auch billiger haben: Da wäre als Erstes die
       Knopf-im-Ohr-Methode, bei der ein Ohrologe Druckknöpfe in die Ohrwatscheln
       implantiert, mit denen diese am Kopf festgeplockt werden.
       
       Die geniale Methode von gewieften Schönheitschirurgen, Ohrringträgern
       Magnete ins Schädeldach einzupflanzen, sodass die Ohren mit metallenem
       Ohrschmuck so eng anliegen wie bei der Kegelrobbe, ist nicht unumstritten.
       Richtig-Billiglösungen wie Sekundenkleber und die Nähnadelmethode wollen
       wir aber mal überhört haben!
       
       Doch ob Knopf-im-Ohr oder Magnetmethode, alles Kokolohres! „Freiheit für
       alle Ohren!“, sagt der moderne ganzheitliche Ohrenarzt, der weiß, wie
       wichtig regelmäßige Gymnastik für unsere strapazierten Außenohren ist.
       Diese hält nämlich Ohrenknorpel und Seele geschmeidig.
       
       ## Kartei für Ohrenabdrucke
       
       Den Ruf nach Freiheit wollte seinerzeit die Stasi nicht gern hören, sie
       legte tatsächlich eine Ohrabdruckkartei von Straftätern an, Ohrwell lässt
       grüßen! Verhören und Abhören, das konnte die Stasi, wie gut, dass sie
       verschwunden ist – wie das Teil vom Ohr, das Mike Tyson Evander Holyfield
       abbiss.
       
       Früher nannte man die obligatorische Ohrengymnastik noch profan
       „Ohrenwackeln“, heute wird so etwas als „Seismisches Ohrenyoga“ bezeichnet.
       Das kam natürlich aus Indien, dem El Dorado der Segelohrfreunde, zu uns!
       Wahre Ohrenyoga-Freunde können sich sogar bei ihren Videokonferenzen im
       Homeoffice mit den Ohren unterhalten, denn das Ohren-Alphabet hat längst
       Einzug in die Familie der Körpersprachen gehalten. Und das Beste ist, bei
       so einer Konferenz mit dem Ohrknorpel können Teilnehmer die Maske
       aufbehalten und verstehen sich trotzdem blendend!
       
       Kommunikation mit Ohrenwackeln, so etwas nennt man wohl stillen Humohr.
       
       1 Dec 2020
       
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