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       # taz.de -- Friedensgespräche für Libyen: Kein Krieg mehr – und nun?
       
       > Kurz vor Ende ist eine Libyen-Konferenz ins Stocken geraten. Die Spaltung
       > des Landes soll überwunden werden, doch was daraus folgt, ist offen.
       
   IMG Bild: Am 18. April 2020 tobten die Kämpfe in Libyen noch, mittlerweile schweigen die Waffen
       
       Tunis taz | Mit einer Enttäuschung endeten in der Nacht auf Montag die
       jüngsten [1][Gespräche zur Beilegung des Libyenkonflikts] in Tunis. Die
       US-amerikanische UN-Missionschefin Stephanie Williams konnte nach einer
       Woche Verhandlungen im Rahmen des „Dialogforums“ nicht wie gehofft die
       Namen eines neuen Premierministers, Präsidenten und deren Stellvertreter
       verkünden. Offiziell pausieren die Gespräche nun bis zum nächsten Sonntag
       und werden dann per Videokonferenz weitergeführt.
       
       Williams sieht das von den Vereinten Nationen organisierte Treffen dennoch
       als Erfolg: „Die Mehrheit der Delegierten will den Status quo im Land
       beenden“, sagte sie vor Journalisten.
       
       In Tunis verhandelten Vertreter aller libyschen politischen Kräfte über die
       Wiedervereinigung des gespaltenen Landes, nachdem sich Militärvertreter
       beider Kriegsparteien – der international anerkannten Übergangsregierung
       von Premierminister Fajis al-Sarradsch in Tripolis und dem General Chalifa
       Haftar im Osten des Landes – im Oktober in Genf auf ein
       Waffenstillstandsabkommen geeinigt hatten.
       
       Sie vereinbarten Wahlen am 24. Dezember 2021 und neue gemeinsame
       Übergangsinstitutionen, aber in einer erhitzten Schlussphase konnten sie
       sich nicht über deren Besetzung und die Mechanismen der Kandidatenauswahl
       einigen. Dies soll nun bis Anfang Dezember geschehen.
       
       Die angereisten Libyer traten öffentlich nicht auf. Seit dem vergangenen
       Wochenende blieben die Vertreter von Stämmen, Zivilgesellschaft, Parlament
       und Staatsrat in einer Art Quarantäne von der Außenwelt abgeschnitten.
       Angereiste libysche Lobbyisten wurden kurzerhand von UN-Mitarbeitern aus
       dem Hotel Four Seasons geworfen, das exklusiv für die Konferenz angemietet
       war.
       
       Journalisten wurden auf Pressekonferenzen in einem Zelt vor dem
       benachbarten Hotel Golden Tulip vertröstet. Als Begründung für die
       Abschottung diente die Gefahr von Corona-Infektionen. „Es ist das erste
       Mal, dass der Virus einen positiven Effekt in Libyen hat“, frotzelte ein
       libyscher Journalist im Pressezelt.
       
       ## Mehr als 2 Millionen Euro aus Deutschland
       
       Kritik mussten sich die Veranstalter des Dialogs wegen der intransparenten
       Auswahl der Teilnehmer gefallen lassen. Zwar hatten das Parlament im Osten
       und der Staatsrat in Tripolis Vertreter geschickt, doch mehr als 50
       Teilnehmer wurden von der UN-Mission Unsmil ohne nachvollziehbare Maßstäbe
       ausgesucht.
       
       Nach übereinstimmenden Aussagen vieler Konferenzteilnehmer stand nicht
       mangelnde Kompromissfähigkeit der Delegierten einer Einigung im Wege.
       Milizen, Söldner und bewaffnete Gruppen im ganzen Land verdienen an der
       derzeitigen Rechtlosigkeit gut und wollen deren Beendigung verhindern.
       
       Kaum jemand glaubt, dass Haftars Armee oder die regierungstreuen Milizen in
       Tripolis eine neue Einheitsregierung oder gar neue gewählte Abgeordnete
       ohne Widerstand akzeptieren würden. Angeblich wollte der Geschäftsmann Ali
       Dabeiba Stimmen kaufen – ob dieses Gerücht stimmt oder vielmehr Dabeiba
       schaden soll, bleibt unklar. „Vielleicht war es klug, das Auswahlverfahren
       der Kandidaten zu verzögern“, kommentierte ein Korrespondent des libyschen
       Fernsehsenders Al-Ahrar.
       
       Deutschland unterstützt die Tuniskonferenz mit mehr als 2 Millionen Euro.
       Sie ist die Fortsetzung des Berliner Prozesses, der Ende Januar mit einem
       Libyen-Gipfeltreffen im Bundeskanzleramt begonnen hatte. Danach war der
       Krieg in Libyen erst noch einmal aufgeflammt, bis die regierungstreuen
       Einheiten in Tripolis mit türkischer Unterstützung Haftars Armee nach
       Ostlibyen zurückdrängen konnten. Seitdem schweigen die Waffen an der Front
       in Zentrallibyen.
       
       Auffällig still blieb es jetzt in Ankara und Moskau, den Schutzmächten der
       beiden Kriegsführer. Die US-Diplomatin Williams hat die politische
       Initiative zurück in die Hände der Vereinten Nationen gegeben und will nun
       mit einem erfolgreichem Abschluss der Tunisgespräche den Abzug der von
       Moskau und Ankara geschickten Söldner durchsetzen.
       
       16 Nov 2020
       
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