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       # taz.de -- Verfassungsgericht zu „Berlin Werbefrei“: Direkte Demokratie sabotiert
       
       > Wiederholt ist ein beschämender Umgang mit Volksbegehren zu beklagen.
       > Jetzt hat das Berliner Verfassungsgericht dem Senat die Leviten gelesen.
       
   IMG Bild: Werbung gibt es überall in der Stadt, meist viel zu viel – aber es gibt auch welche, die okay ist
       
       Hören Sie auf mit Ihren Sonntagsreden über die Stärkung direkter
       Demokratie! Tun Sie nicht mehr so, als würden Sie das Engagement Ihrer
       Bürger*innen wertschätzen!
       
       Ja, Sie sind gemeint, rot-rot-grüne Mitglieder des Senats, insbesondere der
       Senatsverwaltung des Inneren. Seien Sie ehrlich: Die Möglichkeit direkter
       Demokratie ist Ihnen eine Last, der Sie mit Sabotage begegnen. Wie anders
       sollte man den Umgang mit Volksbegehren in dieser Legislaturperiode auch
       beschreiben.
       
       Das prominente Beispiel: Mehr als 14 Monate hat sich die Verwaltung von
       Innensenator Andreas Geisel (SPD) Zeit gelassen, um einen simplen
       Antragstext der [1][Initiative Deutsche Wohnen und Co. enteignen] zu
       prüfen. Dann entschied man sich, ihr eine Abschwächung aufs Auge zu drücken
       und den Text von einem Gesetzesauftrag zu einer formal unverbindlichen
       Aufforderung herabzustufen.
       
       Aber es geht noch schlimmer: Wurde mit den Gegenr*innen des
       Immobilienkonzerns wenigstens noch gesprochen, so sind andere Versuche
       einfach direkt mit der Arroganz der Macht vom Tisch gewischt worden.
       Obwohl, von „direkt“ kann keine Rede sein, wenn es wie im Fall des
       [2][Volksentscheids Berlin Werbefrei] 16 Monate dauerte, bis der Senat
       entschied, das Gesetz verstoße gegen das Recht, und es ohne Rückkopplung
       mit den Streiter*innen für eine lebenswerte Stadt dem Verfassungsgericht
       vorlegte. Ebenso wurde mit einem Volksbegehren für mehr Videoüberwachung
       verfahren; da allerdings schon nach rekordverdächtigen sieben Monaten.
       
       ## Der Rechtsstaat funktioniert
       
       In beiden Fällen hat das Berliner Verfassungsgericht dem Senat seine
       sorgfältig geprüften Entscheidungen um die Ohren gehauen. Bereits im
       September wurde gerügt, dass der Senat seine Bedenken nicht mit den
       Überwachungsfreund*innen erörtert habe, obwohl er laut Abstimmungsgesetz
       genau dazu verpflichtet ist. Paragraf 17, Absatz 4. Schauen Sie mal nach,
       liebe Zuständige!
       
       Ein vergleichbares Urteil folgte nun diese Woche im Falle von Berlin
       Werbefrei. Auch hier hielt der Senat es nicht für nötig, zu kommunizieren,
       und versteifte sich stattdessen auf die absurde Position, das Anliegen sei
       unzulässig, weil mit den geforderten Verboten von Werbung im öffentlichen
       Raum und in öffentlichen Räumen zwei gänzlich unterschiedliche Forderungen
       gekoppelt würden. Netter Versuch, entschied das Gericht.
       
       Der Rechtsstaat funktioniert, also Ende gut, alles gut?
       
       Nein! Die Verzögerungstaktik und Ablehnungspraxis des Senats führt etwa im
       Fall der Werbungsbefreier*innen dazu, dass sie nun zwar weitermachen
       können, eine Volksabstimmung parallel zur nächsten Wahl aber nicht mehr zu
       schaffen ist. Bei einem eigenständigen Termin aber die notwendige Anzahl
       von Berliner*innen an die Urnen zu holen, ist ein extrem schwieriges
       Unterfangen. Die Chancen für die engagierten Bürger*innen wurden minimiert
       – danken können sie den Sonntagsredner*innen.
       
       28 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Peter
       
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