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       # taz.de -- Rechtsextremer Anschlag auf Synagoge: Halle-Prozess auf der Zielgeraden
       
       > Das Halle-Gerichtsverfahren neigt sich dem Ende zu. Am Dienstag sprach im
       > Zeugenstand ein Experte über die Kontinuität des Antisemitismus in
       > Deutschland.
       
   IMG Bild: Antisemitismusexperte Benjamin Steinitz am 20. Prozesstages vor dem Landgericht Magdeburg
       
       Magdeburg afp/epd | Der Prozess um den [1][Anschlag auf die Synagoge in
       Halle] befindet sich nach vier Monaten auf der Zielgeraden. Am Mittwoch
       könnte die Beweisaufnahme in der Verhandlung gegen den mutmaßlichen
       Attentäter Stephan B. vor dem Oberlandesgericht Naumburg (OLG) geschlossen
       werden, nachdem am Dienstag weitere Zeugen gehört und Anträge beraten
       wurden. Womöglich könnten dann am Mittwoch die Plädoyers beginnen.
       
       Am Dienstag schilderte der Anisemitismusexperte Benjamin Steinitz noch
       einmal die Auswirkungen des Anschlags von Halle auf die jüdischen Gemeinden
       in Deutschland. Der Anschlag habe das „Gefühl von Unsicherheit und
       Bedrohung“ verstärkt. „Die Tat ereignete sich nicht in einem
       gesellschaftlichen Vakuum, sie war für die jüdische Community eine weitere
       Tat in einer langen Kette“, sagte Steinitz in seiner Zeugenaussage.
       
       Antisemitismus sei ein den Alltag von Juden prägendes Problem, sagte
       Steinitz weiter und berichtete von unzähligen Verbrechen, die nur in
       wenigen Fällen auch zur Anzeige gebracht würden. Auch der Anschlag selbst
       habe weitere antisemitische Taten nach sich gezogen: Gedenkveranstaltungen
       für das Attentat seien gestört worden und das Denkmal für die ermordeten
       Juden Europas beschmiert worden. Das Gefühl der Unsicherheit und Bedrohung
       habe sich durch den Anschlag in den jüdischen Gemeinden verstärkt,
       berichtete Steinitz. Es habe aber auch eine enorme Welle der Solidarität
       für die Betroffenen gegeben.
       
       In einer weiteren Zeugenaussage bestätigte der psychiatrische Gutachter
       Norbert Leygraf, dass es keine Hinweise auf Bewusstseinsstörungen und eine
       Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten gebe. In seinem
       Gutachten [2][hatte Leygraf B. für voll schuldfähig erklärt].
       
       ## Pladoyers in Sicht
       
       Zu Beginn des Prozesstages hatte das Gericht einen Antrag der Verteidigung
       abgelehnt, die das Verfahren unterbrechen oder aussetzen wollte. Letzteres
       hätte einen kompletten Neubeginn des Prozesses erforderlich gemacht. Es
       ging dabei um einen möglichen weiteren Mordversuch, der dem Angeklagten
       angelastet werden könnte. Stephan B. hatte auf seiner Flucht mit einem Auto
       in Halle einen Somalier angefahren und verletzt. Aus Sicht des Gerichts
       handelte es sich dabei aber nicht um neue Tatsachen. Die Beweisaufnahme
       könnte am Mittwoch abgeschlossen werden. Dann könnte mit den Plädoyers
       begonnen werden.
       
       Sollte die Beweisaufnahme am Mittwoch beendet werden, könnte die
       Bundesanwaltschaft ihr Plädoyer halten. Anschließend plädieren die mehr als
       20 Vertreter der Nebenklage, bevor die Verteidigung das Wort hat. Bislang
       sind Fortsetzungstermine bis Dezember eingeplant.
       
       Dem Angeklagten B. werden unter anderem zweifacher Mord, mehrfacher
       Mordversuch und Volksverhetzung sowie weitere Straftaten zur Last gelegt.
       Er soll am 9. Oktober vergangenen Jahres während der Feierlichkeiten zum
       jüdischen Feiertag Jom Kippur versucht haben, bewaffnet in die Synagoge in
       Halle einzudringen und die dort versammelten Menschen zu töten.
       
       Als ihm dies nicht gelang, erschoss der 28-Jährige auf offener Straße eine
       Passantin und einen jungen Mann in einem Dönerimbiss. Auf der
       anschließenden Flucht verletzte er weitere Menschen, bevor er gefasst
       werden konnte.
       
       Seine Taten filmte der mit mehreren Waffen und Sprengstoff ausgerüstete B.
       und stellte die Aufnahmen live ins Netz. B. räumte die Tatvorwürfe zum
       Prozessauftakt grundsätzlich ein. Der Prozess findet aus Sicherheits- und
       Platzgründen im Landgericht Magdeburg statt.
       
       17 Nov 2020
       
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