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       # taz.de -- Göttinger Friedenspreis für Äbtissin: Mutter Mechthild ist Mutter Courage
       
       > Eine Äbtissin, die Menschen Kirchenasyl gewährt und der deshalb eine
       > Gefängnisstrafe droht, erhält zusammen mit Seebrücke den Göttinger
       > Friedenspreis.
       
   IMG Bild: Die Äbtissin Mechthild Thürmer wird angeklagt, weil sie sich wie eine Christin verhält
       
       Augsburg taz | Nein, natürlich würde die bescheidene oberfränkische
       Benediktinerin so was von sich weisen. Mutter Courage? Oder vielleicht
       besser noch: Mutter Zivilcourage? Was für andere besonders mutig erscheint,
       ist für [1][Mutter Mechthild eine Selbstverständlichkeit.] Oder ein Akt der
       Nächstenliebe. Was sich für etwas altmodische Christen wie sie ja noch
       nicht einmal ausschließt. „Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich
       aufgenommen“, heißt es schließlich bei Matthäus. Deshalb nimmt die Äbtissin
       von Maria Frieden in Kirchschletten auch regelmäßig Flüchtlinge bei sich im
       Kloster auf, gewährt ihnen Kirchenasyl. Über 30 waren es in den vergangenen
       Jahren.
       
       Doch die Staatsanwaltschaft stellt Matthäus 25,35 die eigene Lektüre
       gegenüber: „Verdacht der Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt in drei Fällen
       gemäß §§ 95 Absatz 1 Nr. 2 AufenthG, § 27 StGB“. Auf Deutsch: [2][Äbtissin
       Mechthild Thürmer muss vor Gericht]. Von einer „empfindlichen
       Freiheitsstrafe“ ist sogar die Rede.
       
       Zuerst hatte man es ja noch mit einem Strafbefehl versucht: 2500 Euro
       sollte die Klosterchefin zahlen, weil sie eine Eritreerin vor der
       Abschiebung bewahrte. Und gut wäre es gewesen. Aber auf den
       Einschüchterungsversuch ließ sie sich nicht ein. Notfalls gehe sie lieber
       ins Gefängnis, als dafür Strafe zu zahlen, dass sie jemandem in Not
       geholfen habe, sagt sie. Für diese Zivilcourage erhält die 62-Jährige nun
       den Göttinger Friedenspreis 2021.
       
       Thürmer teilt sich den Preis mit der Bewegung „Seebrücke“, die die Kampagne
       „Sichere Häfen“ ins Leben gerufen hat. „Die Preisträger“, so die Jury,
       „werden ausgezeichnet für ihr Engagement für sichere Fluchtwege und eine
       gesicherte Aufnahme von Menschen, die versuchen,aus lebensbedrohlichen
       Gewaltsituationen nach Deutschland und in andere europäische Staaten zu
       gelangen und dort Aufnahme und Schutz zu finden.“
       
       ## Preisverleihung im März
       
       Die Bewegung „Seebrücke“ gründete sich Ende Juni 2018. Damals musste das
       Seenotrettungsschiff „Lifeline“ mit 234 Menschen an Bord tagelang im
       Mittelmeer auf hoher See ausharren, weil es in keinem europäischen Hafen
       anlegen konnte. Die Seebrücke engagiert sich gegen die Kriminalisierung von
       Seenotrettung und initiierte die Kampagne „Sichere Häfen“. Ihr haben sich
       mittlerweile 169 deutsche Städte angeschlossen und die Aufnahme
       zusätzlicher Flüchtlinge angeboten.
       
       Der Preis soll, so Corona es erlaubt, am 6. März 2021 im Deutschen Theater
       Göttingen verliehen werden – mit einem prominenten Laudator: dem ehemaligen
       Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP).
       
       20 Nov 2020
       
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   DIR Dominik Baur
       
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