URI: 
       # taz.de -- Bidens Team für die US-Außenpolitik: Sie sind wieder da
       
       > Die außenpolitische Personalwahl des kommenden US-Präsidenten Joe Biden
       > steht für Multilateralismus – und knüpft an den Kurs Obamas und Clintons
       > an.
       
   IMG Bild: Antony Blinken soll US-Außenminister werden
       
       Berlin taz | An diesem Dienstag will der kommende [1][US-Präsident Joe
       Biden] eine ganze Reihe von Namen künftiger Kabinettsmitglieder
       bekanntgeben. Die Top-Besetzung seines außenpolitischen Teams ist schon
       seit Sonntag nacht in der Öffentlichkeit.
       
       Nach übereinstimmenden Medienberichten soll Antony Blinken Außenminister
       werden, Jake Sullivan wird Nationaler Sicherheitsberater und die prominente
       Schwarze Diplomatin Linda Thomas-Greenfield soll den Posten der
       UN-Botschafterin übernehmen. Alle drei verfügen über langjährige Erfahrung
       in der Außenpolitik.
       
       Der 58jährige Antony Blinken ist mit Biden seit über zwei Jahrzehnten eng
       verbunden. Seine außen- und sicherheitspolitische Karriere begann in den
       1990er-Jahren als Mitarbeiter im Nationalen Sicherheitsrat des damaligen
       Präsidenten Bill Clinton. Während der Amtszeit von George W. Bush diente er
       dem außenpolitischen Ausschuss des US-Senats, dessen damaliger Vorsitzender
       Joe Biden war.
       
       Als Biden unter Barack Obama zum Vizepräsidenten gewählt wurde, stieg
       Blinken zum stellvertretenden Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsrates
       auf, später zum stellvertretenden Außenminister.
       
       ## Architekt des Atomabkommens
       
       Blinken gilt als überzeugter Multilateralist. Gemeinsam mit Sullivan war er
       einer der US-amerikanischen Architekten [2][des Atomabkommens mit dem
       Iran], das Donald Trump einseitig aufkündigte und in das wieder einzutreten
       Joe Biden angekündigt hat.
       
       Allerdings war er auch an den beiden außenpolitischen Entscheidungen
       beteiligt, die Obamas Präsidentschaft am stärksten auf die Probe gestellt
       haben: Er unterstützte die militärische Intervention in Libyen, die zum
       Sturz des früheren Diktators Muammar el-Gaddafi führte – und die Obama
       selbst später als den größten außenpolitischen Fehler seiner
       Präsidentschaft bezeichnete.
       
       Und er war auch an dem Zickzack-Kurs Obamas in Bezug auf Syrien beteiligt:
       Obama hatte angekündigt, der Einsatz von Giftgas von Seiten des syrischen
       Regimes von Baschar al-Assad stelle für die US-Regierung eine rote Linie
       dar, deren Überschreitung ernste Konsequenzen haben würde.
       
       Als genau das dann aber mehrfach geschah, wich Obama zurück, überließ die
       Entscheidung dem Kongress und war sichtlich erleichtert, als Assad mit
       russischer Vermittlung einer Auflösung der syrischen Giftgasbestände
       zustimmte – auch wenn das nicht zu einem Ende der Angriffe führte. Blinken
       soll damals für einen größeren militärischen Einsatz der USA plädiert
       haben, verteidigte dann aber öffentlich Obamas Vorgehen.
       
       ## Prägende Jahre in Paris
       
       Allgemein wird Blinken – ähnlich wie Obamas damaliger Beraterin und
       späteren UN-Botschafterin Semantha Power – eine Neigung zu militärischer
       Intervention nach dem Prinzip der Schutzverantwortung („responsability to
       protect“) nachgesagt.
       
       Blinken gilt nicht als Ideologe, aber die enge Verbindung zu seinem damals
       in Paris lebenden Stiefvater, einem Anwalt und Holocaust-Überlebenden soll
       ihn sehr geprägt haben. Dieser hatte dem jungen Blinken viel über seine
       KZ-Haft erzählt, als Blinken mit seiner Mutter nach deren Scheidung in
       Paris beim neuen Partner der Mutter lebte.
       
       Wie Blinken, sind auch Sullivan und Linda Thomas-Greenfield keine
       Quereinsteiger*innen, wie sie Donald Trumps Präsidentschaft auch in der
       Außenpolitik prägten, sondern lang gediente Außenpolitiker*innen.
       
       Sie stehen für Bidens Vorhaben, die unter Trump in vollkommene Schieflage
       geratenen Beziehungen zu den US-Verbündeten in Europa und der Nato zu
       reparieren und den Ausstieg aus internationalen Institutionen und Abkommen
       rückgängig zu machen.
       
       ## Aufatmen in Europa
       
       Sie müssen ihre jeweiligen Counterparts nicht erst kennenlernen, haben die
       Abkommen zum Teil selbst verhandelt und verkörpern den langjährigen
       Mainstream US-amerikanischer Außenpolitik. Die diplomatischen Corps in
       Europa dürften nach der Unberechenbarkeit der Trump-Ära aufatmen.
       
       Sullivan, der 2008 zunächst in Hillary Clintons Wahlkampfteam als Berater
       gedient hatte, als sie sich um die demokratische Präsidentschaftskandidatur
       bewarb, half dann Obama bei der Vorbereitung der Debatten gegen seinen
       damaligen Konkurrenten John McCain.
       
       In der Regierung diente er als stellvertretender Stabschef für
       Außenministerin Clinton, dann als Nationaler Sicherheitsberater des
       Vize-Präsidenten Joe Biden. 2016 war er außenpolitischer Chefberater der
       Kandidatin Clinton – nach der verlorenen Wahl nahm er einen Lehrauftrag an
       der Yale University an.
       
       Linda Thomas-Greenfield hat sich ebenfalls in der Obama-Regierung einen
       Namen als Diplomatin gemacht. Von 2008 bis 2012 war sie Obamas
       Botschafterin in Liberia, dann bis zum Ende von Obamas Präsidentschaft
       Staatssekretärin im Außenministerium für Afrika-Angelegenheiten. Sie gilt
       als eine der profiliertesten Schwarzen Diplomatinnen in Washington. Trump
       entließ sie kurz nach seiner Amtsübernahme.
       
       Unter Biden soll dem Vernehmen nach der Posten der UN-Botschafterin auch
       wieder mit Kabinettsrang ausgestattet werden – diese Einstufung hatte Trump
       2018 abgeschafft, als seine UN-Botschafterin Nikki Haley aus dem Amt
       schied.
       
       23 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Uebergang-in-den-USA/!5728179
   DIR [2] /Gruenen-Aussenpolitiker-zum-Iranabkommen/!5729851
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Pickert
       
       ## TAGS
       
   DIR USA
   DIR Joe Biden
   DIR US-Außenpolitik
   DIR US-Wahl 2024
   DIR US-Wahl 2024
   DIR US-Wahl 2024
   DIR USA
   DIR Nato
   DIR Schwerpunkt Konflikt zwischen USA und Iran
   DIR US-Wahl 2024
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Biden benennt weiteres Spitzenpersonal: Erfahren, weiblich, Biden
       
       Joe Biden benennt Frauen für alle Spitzenposten der Kommunikation im Weißen
       Haus. Bei Wirtschaftspolitik setzt er auf Obama-Mitarbeiter*innen.
       
   DIR Joe Bidens außenpolitisches Personal: Total multilateral
       
       Mit der Wahl seiner außenpolitischen Expert:innen macht Joe Biden klar: Er
       will Schluss machen mit „America first“.
       
   DIR Trump lässt Übergabe an Joe Biden zu: Joe Biden kann loslegen
       
       US-Präsident Donald Trump gibt seine Blockade der Übergabe der
       Regierungsgeschäfte an Joe Biden auf. Der benennt weitere
       Regierungsmitglieder.
       
   DIR Grünen-Außenpolitiker zum Iranabkommen: „Wir sollten nicht bloß abwarten“
       
       Nach der Abwahl Donald Trumps könnte das Atomabkommen eine zweite Chance
       bekommen. Reinhard Bütikofer sagt: Europa sollte einen neuen Anlauf
       starten.
       
   DIR Militärausgaben und Nato-Interessen: Zu viel verlangt
       
       Nach dem Sieg von Joe Biden soll Deutschland wieder mehr für das Militär
       ausgeben. Die Forderung ist nicht neu, die Begründung aber schon.
       
   DIR Iran verstößt gegen Atomabkommen: Ernüchternde Signale aus Teheran
       
       Führt Joe Biden die USA zurück ins Nuklearabkommen mit Iran? Neue Verstöße
       seitens Teheran machen dies immer unwahrscheinlicher.
       
   DIR Übergang in den USA: Biden setzt auf Bewährtes
       
       Der langjährige Berater des gewählten Präsidenten Ron Klain soll Stabschef
       im Weißen Haus werden. Die Republikaner erobern weiteren Senatssitz.