# taz.de -- Studieren in Corona-Zeiten: Mensa ohne Menschen
> Das Studium findet derzeit kaum an der Uni statt, die Studierenden sitzen
> die meiste Zeit zu Hause. Wie kommen sie damit klar?
IMG Bild: Die Pizzeria ist der einzige Teil der Mensa, der noch im Normalbetrieb läuft
Hamburg taz | Seit einigen Wochen läuft das [1][Wintersemester], und immer
noch müssen die meisten Student*innen im Norden allein zu Hause lernen.
Manche Dozierende stellen Audiodateien bereit, die sich beim Abwaschen als
Podcast hören lassen, andere bieten online Live-Veranstaltungen an, die der
Präsenzlehre schon näher kommen.
An der [2][Universität Hamburg] finden im zweiten Semester in Folge alle
Vorlesungen und Seminare digital statt, lediglich Labor- und Schulpraktika
können in Präsenz abgehalten werden. Nach der Ankündigung, dass das
Semester erneut online stattfindet, erhielt das Präsidium der Universität
prompt einen offenen Brief, unterschrieben von 30 Dozent*innen.
Sie fordern, die eigentlich als [3][Präsenz] geplanten Veranstaltungen im
Wintersemester stattfinden zu lassen. Man habe in den letzten Monaten viel
Arbeit in die Erstellung von Hygienekonzepten investiert.
Nach Meinung des Präsidiums ist die Kritik allerdings unberechtigt. Die
aktuelle Hamburger Eindämmungsverordnung schreibe vor, Veranstaltungen nur
in Präsenz stattfinden zu lassen, wenn es „zwingend erforderlich“ sei – und
das sei eben nur bei Labor- und Schulpraktika der Fall.
## Präsenzlehre nur im Ausnahmefall
Auch die Leibniz-Universität Hannover und die [4][Leuphana-Universität]
Lüneburg haben ihre Veranstaltungen auf Online-Lehre umgestellt. Auf der
Website der Universität Hannover heißt es, Präsenz sei nur zulässig, wenn
es ansonsten zu einer Verlängerung der Studienzeit käme. Ausschlaggebend in
[5][Lüneburg] ist, ob eine Veranstaltung in Präsenz aus „didaktischen
Gründen unabdingbar notwendig ist“. Alle anderen Lehrveranstaltungen
müssten – teils auch entgegen der Planung – ausschließlich online
stattfinden.
Die Technische Universität und die Hochschule für Angewandte Wissenschaften
in Hamburg lassen das Wintersemester hingegen wie geplant hybrid
stattfinden. Vor allem Veranstaltungen für Erstsemester und Seminare in
kleinen Gruppen wolle man in Präsenz ermöglichen. Dafür mietet die
Hochschule Kinosäle in den Zeise-Kinos im Hamburger Stadtteil Ottensen an.
Auch die Universität Bremen hält am geplanten Hybrid-Semester fest. Die
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel teilt auf ihrer Webseite mit, dass
man das Semester zwar vorrangig digital durchführe, die „notwendigen
Präsenzformate für praktische Lehreinheiten“ aber wie geplant anbiete. Bis
vor einer Woche fanden auch Veranstaltungen für Erstsemesterstudierende vor
Ort statt. Aufgrund der neuen Landesverordnung müssten diese nun allerdings
ebenfalls digital abgehalten werden.
Als die Coronamaßnahmen kurz vor dem Sommersemester 2020 eingeführt wurden,
mussten die Universitäten ihren Lehrbetrieb sehr kurzfristig auf digital
umstellen – und das war leider oftmals spürbar. In einer Umfrage der
Universität Hamburg zum vergangenen Semester geben nur etwas mehr als die
Hälfte der befragten Student*innen an, mit der digitalen Lehre gut
zurechtzukommen. Nur sechs Prozent der befragten Dozent*innen konnten
Vorerfahrungen mit reiner Online-Lehre aufweisen.
## Kaum Interaktion, kein Feedback
Einige Seminare an der Uni Hamburg wurden abgehalten wie Vorlesungen:
Frontalunterricht, kaum Interaktion, kein Feedback. Wenn das zwei Semester
so läuft, ist ein Drittel des gesamten Bachelor-Studiums vorbei.
Hinzu kommt, dass viele Studierende alte Laptops oder sogar nur Tablets
besitzen. In ländlichen Gegenden gibt es zudem oft keine stabile
Internetverbindung. Zwar besteht keine Anwesenheitspflicht in den
Online-Seminaren, doch das Abspielen einer aufgenommenen Veranstaltung
ersetzt nicht die aktive Teilnahme. Und wie soll jemand ein Fach wie
Politikwissenschaft studieren, wenn er nicht mit anderen Studierenden
diskutiert?
Gleichzeitig ist es für Student*innen naturwissenschaftlicher Studiengänge
oft eine Katastrophe, wenn die Laborpraktika nur digital stattfinden. Zwar
können Studierende auf diese Weise die Versuchsdurchführung beobachten,
aber sie lernen nicht, Experimente selbst durchführen.
Werden die Labor doch geöffnet, wie in einigen Fällen an der Uni Hamburg
geschehen, ergeben sich unter Umständen paradiesische Zustände:
Forschungsgruppen bestehen teilweise nur aus einer Person, die Betreuung
ist dann natürlich optimal.
## 40 Prozent verlieren Nebenjob
Trotzdem geben knapp 77 Prozent der Studierenden bei der Umfrage der
Universität Hamburg an, dass sich die Kontaktbeschränkungen negativ auf
ihre Arbeits- und Leistungsfähigkeit ausgewirkt haben. Dazu kommt, dass
viele Studierende nebenbei arbeiten müssen, um ihr Studium zu finanzieren.
Dem Deutschen Studentenwerk zufolge haben gut zwei Drittel der
Student*innen einen Nebenjob. 40 Prozent von ihnen haben ihn während der
Krise verloren.
Und so stellt für viele nicht einmal das Studium die größte Herausforderung
dar, sondern wie sie über die Runden kommen.
Mehr dazu lesen Sie in der gedruckten taz am wochenende oder [6][hier]
4 Dec 2020
## LINKS
DIR [1] /Gruene-Hochschulpolitik-in-Hamburg/!5729136
DIR [2] https://www.uni-hamburg.de/
DIR [3] /Hochschul-Lehre-in-Hamburg/!5726529
DIR [4] /Studienplaetze-im-Norden/!5709629
DIR [5] https://www.leuphana.de/
DIR [6] /e-kiosk/!114771/
## AUTOREN
DIR Paula Bäurich
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