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       # taz.de -- Thunberg als Gastchefredakteurin: Wirkt der „Greta“-Effekt?
       
       > Greta Thunberg war für einen Tag Chefredakteurin bei Schwedens größter
       > Tageszeitung. Für die einen ist das PR, für andere ein Hoffnungsschimmer.
       
   IMG Bild: Die Klimaaktivistin selbst kommt zwei mal in der Ausgabe vor: im Editorial und als Interviewerin
       
       Stockholm taz | Dagens Nyheter (DN) hatte es spannend gemacht. Nachdem
       Schwedens auflagenstärksten Tageszeitung vor einigen Wochen mitgeteilt
       hatte, [1][Klimaaktivistin Greta Thunberg] werde das Blatt für einen Tag
       als „Chefredakteurin“ übernehmen, war nicht viel mehr zu erfahren gewesen,
       als dass sie mit einem Redaktionsteam eine spezielle Klimaausgabe
       vorbereite.
       
       Mit der Ausgabe vom 6. Dezember war es so weit. 58 der 96 Seiten der
       Sonntagszeitung drehen sich um das Klima. Kleine Auswahl: Eine Reportage
       aus einem russischen Ort auf der Halbinsel Kola, wo es in diesem Jahr so
       warm war wie noch nie; welchen Zusammenhang es zwischen der Abholzung des
       Regenwalds und der Entstehung neuer Pandemien gibt, was das Pariser
       Klimaabkommen macht und welche Folgen die Klimakatastrophe für [2][die
       Urbevölkerung der Samen hat]. Umfangreiche Statistiken, Fotostrecken, ein
       Essay von Margaret Atwood. Was man vermissen konnte, sind
       Lösungsvorschläge.
       
       Thunberg, im Impressum als „Gastchefredakteurin“ genannt, taucht nur an
       zwei Stellen selbst auf. Im Gespräch mit Naturforscher David Attenborough
       und im Editorial. In dem wiederholt sie ihre Botschaft, dass Veränderung
       heute und nicht erst 2025 oder 2030 beginnen müsse: „Die Verantwortung für
       Schwedens größte Tageszeitung einer minderjährigen Laiin und Aktivistin zu
       überlassen, ist völlig unverständlich. Es ist verrückt. Wenn der Grund
       dafür nicht die absurde Tatsache wäre, dass wir uns in einer existenziellen
       Krise befinden, die von unserer Gesellschaft noch immer ignoriert wird.“
       
       Dass es zwar womöglich eine gelungene PR-Aktion, aber für einen seriösen
       Journalismus unverantwortlich sei, Greta Thunberg die Chefredaktion einer
       Zeitung zu überlassen, meinten vorab viele schwedische Medien.
       
       ## Ein großes Versprechen
       
       In Expressen wurde vor einer „Havarie sondergleichen“ und einer Verwischung
       „zwischen Journalismus und Fake News“ gewarnt. Anna Careborg,
       Chefredakteurin des konservativen Svenska Dagbladet, bezeichnete es als
       „völlig undenkbar“ für ihre Zeitung, „Thunberg oder einem anderen
       Aktivisten“ die Entscheidung über den Inhalt des Blattes zu überlassen.
       Denn „um das Vertrauen in den Journalismus aufrechtzuerhalten“, sei
       „Integrität von ausschlaggebender Bedeutung“. Was DN mache, sei eine
       „Niederlage für den Nachrichtenjournalismus“.
       
       Wobei sich allerdings die Frage stellt, wie relevant solche Kritik bei
       einer Zeitung ist, die bislang dem Kleinreden der Klimakrise gern breiten
       Raum einräumte. So wunderte sich Johan Rockström, nun Leiter des
       Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung vor einigen Jahren schon, „ob
       Svenska Dagbladet die Inhalte in irgendeiner Form journalistisch überprüft,
       bevor sie solche Texte veröffentlichen“. Viel von der Kritik, die unter dem
       Deckmantel der Verteidigung journalistischer Unabhängigkeit daherkomme,
       gelte eher der Klimabotschaft selbst, vermutet deshalb sicher nicht zu
       Unrecht die grüne ETC.
       
       Die Einladung für ihr Gastspiel als „Chefredakteurin“ war ergangen, nachdem
       sie bei einem Redaktionsbesuch im September eine Gardinenpredigt gehalten
       hatte: „Ihr sagt, ihr berichtet über die Klimakrise, aber das tut ihr
       nicht. Ihr berichtet über Klimaaktivisten mit Zöpfen und gelber Regenjacke,
       die ein paar unbequeme Sachen sagen, die Zitate bringen, die sich gut
       klicken. Aber das hat nichts mit der Klimakrise zu tun.“
       
       Chefredakteur Peter Wolodarski hat versprochen, dass sich das ändern soll.
       Nicht nur mit der Klima-Themenausgabe. DN wolle die Klimaberichterstattung
       insgesamt ausbauen. Werde diese Zusage nicht gehalten, bleibe es wirklich
       bei einem bloßen PR-Coup meint ETC und empfiehlt vielen KritikerInnen, ihre
       eigene Glaubwürdigkeit beim Thema Klima zu überprüfen.
       
       Wird es einen „Greta-Effekt“ geben? Svenska Dagbladet sah sich jedenfalls
       veranlasst, der DN das Feld nicht kampflos zu überlassen, und hatte in
       seiner Samstagausgabe drei Seiten für ein Thunberg-Interview freigeräumt.
       
       6 Dec 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Reinhard Wolff
       
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