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       # taz.de -- Coronakrise in Deutschland: Söder will Katastrophenfall ausrufen
       
       > Angesichts weiter steigender Infektionszahlen verschärft Bayern die
       > Coronamaßnahmen. Das erwägt auch Sachsen. Niedersachsen will lockern.
       
   IMG Bild: Für Söder führt kein Weg daran vorbei, die Maßnahmen zu verschärfen
       
       Berlin taz | Restaurants und Cafés verkaufen nur noch außer Haus, Kinos,
       Theater, Museen und Konzerthäuser sind komplett geschlossen – und trotzdem
       gehen die Infektionszahlen einfach nicht zurück. Fünf Wochen nach
       Inkrafttreten des Teillockdowns haben die Gesundheitsämter in Deutschland
       binnen 24 Stunden 17.767 neue Corona-Infektionen gemeldet, wie das
       Robert-Koch-Institut (RKI) am Sonntag mitteilte.
       
       Das ist zwar weniger als am Vortag, doch weil an Wochenenden weniger
       getestet wird, fallen die Zahlen sonntags generell niedriger aus.
       Entscheidend ist der Vergleich zur Vorwoche, und da lag die Zahl der neuen
       Ansteckungsfälle mit 14.600 gemeldeten Neuinfektionen um rund 3.160
       niedriger als an diesem Sonntag. Die Zahl der Todesfälle stieg um weitere
       255 auf 18.772.
       
       Was vor allem Sorge bereitet: Der sogenannte Sieben-Tage-R-Wert betrug laut
       RKI-Lagebericht vom Samstag 1,10. Das ist der höchste Wert seit Beginn des
       Teil-Shutdowns am 1. November und bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch
       110 weitere Menschen anstecken. Nur wenn dieser Wert für längere Zeit unter
       1 liegt, flaut das Infektionsgeschehen ab. Doch stattdessen steigt die
       Infektionskurve derzeit exponentiell. „Der sogenannte Lockdown light war
       einen Versuch wert, aber das hat nicht gereicht“, resümiert die Göttinger
       Physikerin Viola Priesemann.
       
       Allerdings gibt es zwischen den Bundesländern große Unterschiede. Abgesehen
       von Bayern gingen die Inzidenzwerte in allen westdeutschen Ländern plus
       Mecklenburg-Vorpommern im November deutlich zurück. In den im Frühjahr
       besonders betroffenen Bundesländern Baden-Württemberg und
       Nordrhein-Westfalen verringerten sich die Werte um 9,3 bzw. 13,1 Prozent,
       in Niedersachsen um 21,1 Prozent und in den beiden Stadtstaaten Bremen und
       Hamburg gar um 43,9 und 48,2 Prozent.
       
       Im Norden niedrige Fallzahlen 
       
       Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein liegen mit ihrer Inzidenz
       sogar knapp unter 50 Fällen über sieben Tage je 100.000 Einwohner – dem
       Wert, den Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für die Gesundheitsämter als
       beherrschbar definierte.
       
       Mit einer Inzidenz von 72 erwägt Niedersachsens Landesregierung bereits,
       den aktuellen Teillockdown „mit einem Stufenplan ähnlich wie im vergangenen
       Frühjahr“ zu beenden. „So wie ich mir das für den Zeitraum bis März
       vorstelle, sollten wir Schritt für Schritt Lockerungen ermöglichen, wenn
       die Infektionszahlen unter eine 7-Tages-Inzidenz von 35 sinken“, kündigte
       Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) in Hannover an.
       
       In Bayern und den meisten ostdeutschen Bundesländern gehen die
       Infektionskurven hingegen weiter kräftig nach oben. Die höchste Rate an
       Neuinfektionen verzeichnet Sachsen. Der Inzidenzwert des Freistaats ist am
       Sonntag knapp über die Marke von 300 geklettert, ein Plus von 45 Prozent
       seit Anfang November. In den Landkreisen Sächsische-Schweiz-Osterzgebirge
       und Bautzen überstieg die Inzidenz gar die Marke von 500. Höher liegt
       dieser Wert nur im bayerischen Regen.
       
       Hieß es Anfang November noch, die Nähe zu Tschechien habe zu den hohen
       Zahlen in Sachsen und Bayern geführt, taugt diese Erklärung nun nicht mehr.
       In Tschechien sinken die Infektionszahlen seit Wochen. Und Thüringen und
       Sachsen-Anhalt verzeichnen mit 60 und 80 Prozent gar die höchsten Anstiege
       binnen eines Monats, obwohl beide Bundesländer keine Außengrenzen haben. In
       Berlin sind die Zahlen zuletzt zwar nicht mehr ganz so drastisch gestiegen,
       mit einer 7-Tage-Inzidenz von 185 verharren sie allerdings weiterhin auf
       hohem Niveau.
       
       Bayerische Landesregierung verschärft Maßnahmen 
       
       Am Sonntag rief die bayerische Landesregierung angesichts der hohen
       Inzidenzen den [1][Katastrophenfall für das Bundesland] aus. Dies erweitert
       ihren Handlungsspielraum und ermöglicht eine einheitliche Kommandostruktur.
       Die Lage sei ernst, begründete Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach
       einer Sondersitzung des Kabinetts den Schritt. Der „sanfte Lockdown“ habe
       zwar eine Wirkung gezeigt, das exponentielle Wachstum jedoch nur gebremst.
       
       Wie in Baden-Württemberg hat die bayerische Landesregierung deswegen eine
       nächtliche Ausgangssperre für alle Städte und Kreise mit einer Inzidenz von
       mehr als 200 Corona-Neuinfektionen beschlossen. Außerdem verbietet sie den
       Konsum von Alkohol unter freiem Himmel. Söder bat darum, die eigene Wohnung
       oder das eigene Haus „nur aus triftigem Grund“ zu verlassen. Er kippte auch
       die geplanten Lockerungen über Silvester.
       
       Derweil wächst der Druck auf die Bundesregierung, bald genaue Regeln für
       die geplanten [2][Coronamassenimpfungen] vorzulegen. „Die Rangfolge der
       Bevölkerungsgruppen, die als Erstes das Angebot erhalten, ist leider noch
       nicht bekannt“, kritisierte der Vorstand der Deutschen Stiftung
       Patientenschutz, Eugen Brysch. Bekannt ist nur, dass Risikogruppen sowie
       Beschäftigte im Gesundheitsdienst und in zentralen Bereichen wie der
       Polizei beim Coronaschutz durch Impfung besonders im Blick sein sollen.
       
       6 Dec 2020
       
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