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       # taz.de -- Eröffnung der U-Bahnlinie U5 in Berlin: Glücklich im Untergrund
       
       > Seit Freitag ist die U5 zwischen Hauptbahnhof und Hönow komplett. Die
       > Eröffnung läutet eine Debatte über die Klimabilanz von U-Bahnen ein.
       
   IMG Bild: Fotomodel: Trainspotter warten auf eine der ersten U-Bahnen auf der U5
       
       Berlin taz | Berlin hat eine U-Bahn-Linie weniger. Mit dem Lückenschluss,
       der die U5 seit Freitag zwischen Hauptbahnhof und Hönow verkehren lässt,
       ist die U55 zwischen Hauptbahnhof und Brandenburger Tor – früher auch:
       „Kanzlerstummel“ – endgültig Geschichte. Dafür können die BerlinerInnen ab
       sofort nicht nur die neu gebauten Bahnhöfe Rotes Rathaus, Museumsinsel und
       Unter den Linden bewundern, sondern etwa auch die Station Bundestag, die
       lange Jahre eine Schattenexistenz fristete.
       
       Das tun sie am Freitagnachmittag dann auch ausgiebig. Unter den strengen
       Blicken dutzender Sicherheitsleute, die einen coronakonformen Ablauf
       gewährleisten sollen, wird hin- und hergefahren, geknipst und gefilmt.
       „Komm, wir steigen erst Alex aus und nehmen die nächste Bahn zurück“, sagt
       eine Frau zu ihrem Begleiter, „ich will mal sehen, wie sich der Übergang
       von der alten Linie anfühlt.“
       
       Der fällt tatsächlich markant aus. Immerhin wurde der türkis gekachelte
       U5-Bahnsteig unter dem Alexanderplatz schon vor fast 90 Jahren, nämlich am
       21. Dezember 1930 eröffnet. Die beiden jetzt neu angefahrenen Bahnhöfe
       (unter der Museumsinsel halten die Züge erst ab Sommer 2021) wirken dagegen
       ausgesprochen modern und elegant: mit braunem Muschelkalk der luftige
       Kreuzungsbahnhof Unter den Linden, mit glänzend schwarzem Pseudo-Terrazzo
       und „Pilzstützen“ der Bahnhof Rotes Rathaus.
       
       In einer aufwändigen Liveschalte hatte die BVG am Freitagvormittag zur
       Jungfernfahrt auf der 2,2 Kilometer langen Teilstrecke geladen.
       Unterbrochen von Aufzeichnungen, in denen die Bahnhofsarchitekten ihre
       Werke mit salbungsvollen Worten rühmten, aber auch von warmen Worten der
       Bundeskanzlerin gingen die neue BVG-Chefin Eva Kreienkamp, der Regierende
       Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Verkehrssenatorin Regine Günther
       (Grüne) in den Untergrund.
       
       Sichtlich stolz waren Ute Bonde und Jörg Seegers, die Geschäftsführer des
       Bauträgers BVG Projekt GmbH, auch wenn sie bedauerten, dass durch die
       Pandemie keine Feier möglich sei. Tatsächlich wäre die U5-Einweihung – nach
       zehnjähriger Bautätigkeit, die mit rund 530 Millionen Euro kaum teurer
       wurde als geplant – unter normalen Bedingungen eine Riesenparty geworden.
       Aber Seegers gab sich zuversichtlich: „Auf die nächsten Bauvorhaben!“,
       schloss er seine kurze Ansprache.
       
       Auch der Regierende Bürgermeister, der den Bau schon als
       Stadtentwicklungssenator begleitet hatte, freute sich in die Kameras,
       wirkte aber doch leicht angefressen: Das [1][am Mittwoch vorgestellte
       Gutachten mehrerer Vereine und Initiativen], das allen angedachten
       U-Bahn-Verlängerungen in Berlin aufgrund ihres Beton- und Stahl-Hungers
       eine katastrophale Klimabilanz attestiert, schmeckte ihm nicht.
       
       „Wenn man nur auf die Klimaschädlichkeit von Beton schaut, können wir ab
       morgen alle Baustellen von Wohngebäuden, Krankenhäusern und Schulen
       dichtmachen“, so Müller, der von einer „Milchmädchenrechnung“ sprach. Der
       [2][Bau neuer U-Bahn-Abschnitte] mache nicht überall Sinn, durchaus aber
       bei Lückenschlüssen oder der Anbindung neuer Wohngebiete. Man dürfe auch
       nicht vergessen, dass durch neue Angebote bei der U-Bahn der Autoverkehr
       abnehme. Ein Effekt, den die Autoren der Studie allerdings schon
       eingepreist hatten.
       
       ## Sieben Studien für U-Bahn-Verlängerungen
       
       Senatorin Günther bestätigte, dass in ihrer Verwaltung mittlerweile sieben
       Machbarkeitsstudien für U-Bahn-Verlängerungen vorliegen. Sie würden „gegen
       Ende des 1. Quartals 2021“ im Senat präsentiert. Eine rund 170 Seiten lange
       Studie zur Verlängerung der U7 zum BER, die bis zu 800 Millionen Euro
       kosten könnte, liegt der taz vor. Das Klimagutachten rechnet vor, dass die
       bei dieser Maßnahme emittierte Menge an CO2 erst nach über 110 Jahren durch
       positive verkehrliche Effekte kompensiert würde.
       
       Auch die Linke, bei der U5-Eröffnung nicht vertreten, goss noch ein
       bisschen Wasser in den Wein: Der verkehrspolitische Sprecher der Fraktion,
       Kristian Ronneburg, widersprach der Aussage der BVG, die neue U5 sei die
       „erste komplett barrierefreie Linie“ im Netz. Denn: „Viele Bahnhöfe
       verfügen nur über steile Rampen.“ Für echte Barrierefreiheit brauche es
       zusätzliche Aufzüge und Blindenleitsysteme.
       
       ## U5 ist 'ne lahme Ente
       
       Die U5 sei zudem, so Ronneburg, „die langsamste Linie auf dem Großprofil
       der U-Bahn“ – also von den neueren Linien, deren breitere Wagen deutlich
       effizienter Fahrgäste transportieren als das ältere Kleinprofil (U1 bis
       U4). Der Linken-Politiker forderte, das durch eine Automatisierung des
       Betriebs zu ändern, die dichtere Takte ermögliche. „Wir werden uns dafür
       einsetzen, dass dieses Projekt nicht wie in der Vergangenheit wieder
       beerdigt wird.“
       
       4 Dec 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Studie-zur-Klimabilanz-der-U-Bahn/!5729091
   DIR [2] /Streit-um-Verkehrspolitik-in-Berlin/!5716640
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Claudius Prößer
       
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