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       # taz.de -- Nach Attentat auf Atomwissenschaftler: Iran kündigt Vergeltung an
       
       > Die Urheber des Anschlags, so die Regierung, seien in Israel zu finden.
       > Sie wollten, glaubt man in Teheran, einen Neuanfang der Beziehungen zu
       > den USA torpedieren.
       
   IMG Bild: War angeblich garnicht mehr mit Atomkraft, sondern mit Impfstoffen beschäftigt: Mohsen Fachrisadeh
       
       Teheran ap/dpa | Nach dem mutmaßlichen Attentat auf einen iranischen
       Atomwissenschaftler hat die Führung in Teheran Vergeltung geschworen. Der
       Oberste Führer des Landes, Ajatollah Ali Chamenei, forderte am Samstag eine
       „entschlossene Bestrafung“ der Täter und ihrer Hintermänner. Präsident
       Hassan Ruhani sagte, die iranische Nation werde „zu gegebener Zeit“ auf den
       Tod von Mohsen Fachrisadeh reagieren. Wie schon sein Außenminister vor ihm
       machte Ruhani Israel für die Tat verantwortlich, das den Fall nach wie vor
       nicht kommentierte.
       
       Die [1][New York Times berichtete], auch ein US-Vertreter und zwei
       Geheimdienstmitarbeiter hätten erklärt, dass Israel hinter dem Attentat
       stehe. Es sei unklar, ob die US-Regierung vorher informiert gewesen sei,
       doch beide Staaten seien engste Verbündete.
       
       Wenige Stunden nach dem Angriff auf den Wissenschaftler teilte das
       US-Verteidigungsministerium mit, der US-Flugzeugträger „USS Nimitz“ sei
       zurück in die Region beordert worden. Das war insofern ungewöhnlich, als
       dass die „USS Nimitz“ schon monatelang dort im Einsatz war. Als Grund wurde
       vom Pentagon der geplante Abzug von US-Soldaten aus dem Irak und
       Afghanistan genannt. Es sei nur umsichtig, sich auf Notsituationen
       vorzubereiten, hieß es.
       
       UN-Generalsekretär António Guterres mahnte nach dem Anschlag zur Mäßigung.
       „Wir fordern Zurückhaltung und sehen es als notwendig an, dass Maßnahmen
       vermieden werden, die zu einer Eskalation der Spannungen in der Region
       führen könnten“, sagte ein UN-Sprecher in New York.
       
       Irans UN-Botschafter Madschid Tacht erinnerte in einem Schreiben an
       Guterres daran, dass in den vergangenen Jahren mehrere iranische
       Wissenschaftler bei Anschlägen getötet worden seien. Die Ermordung
       Fachrisadehs sei ein weiterer Versuch, die Region ins Chaos zu stürzen und
       die wissenschaftliche Entwicklung des Irans zu stören. Im Sommer hatte
       zudem [2][eine Brand- und Explosionsserie] Infrastruktur- und Atomanlagen
       im Iran beschädigt. Auch damals wurde über Israel als Urheber spekuliert,
       zumal Israel immer wieder auch iranische Militäreinrichtungen in Syrien
       angreift.
       
       Beobachter aus Teheran sahen in dem Anschlag auch einen Versuch Israels und
       der Regierung von US-Präsident Donald Trump, einen Neuanfang der
       Beziehungen zwischen Teheran und Washington zu torpedieren. „Das war nicht
       nur ein Anschlag auf den Professor, sondern auf die bevorstehenden
       diplomatischen Bemühungen beider Länder nach der Amtsübernahme von Joe
       Biden“, twitterte etwa der Teheraner Politologe Mohsen Milani. Ähnlich
       sieht es die prominente iranische Journalistin Sahra Asghari. „Der Anschlag
       war der Preis, den der Iran für Trumps Wahlniederlage bezahlen musste.“
       
       ## UN-Sanktionen gegen Moshen Fachrisadeh
       
       Moshen Fachrisadeh soll Anfang der 2000er Jahre das militärische
       Atomprogramm Amad (Hoffnung) im Iran geleitet haben. Der Angriff auf ihn am
       Freitag in Absard außerhalb Teherans schien genau geplant und mit
       militärischer Präzision durchgeführt worden zu sein. Nach Angaben des
       iranischen Staatsfernsehens explodierte eine Bombe auf einem alten Lkw
       unter einer Holzladung in dem Moment, als Fachrisadehs Wagen vorbeifuhr.
       Mindestens fünf Bewaffnete seien dann aus Verstecken gekommen und hätten
       das Feuer auf das Auto eröffnet, berichtete die halbamtliche
       Nachrichtenagentur Tasnim.
       
       Präsident Ruhani signalisierte mit seiner Ankündigung einer Reaktion zu
       „gegebener Zeit“, dass sein Land nichts übereilen wolle. „Die iranische
       Nation ist zu klug, um in die Falle der Zionisten zu tappen. Sie versuchen
       Chaos zu stiften“, sagte er. Gleichzeitig betonten Ruhani und Chamenei, ihr
       Land werde an seinem zivilen Atomprogramm festhalten.
       
       Diesem wurden durch das Internationale Atomabkommen mit dem Iran 2015 enge
       Grenzen gesetzt, um zu verhindern, dass Teheran eine Atomwaffe baut. Seit
       dem [3][einseitigen Ausstieg der USA] aus dem Pakt 2018 hielt sich aber
       auch der Iran [4][nach und nach nicht mehr an seine Verpflichtungen].
       Israel wirft dem Iran vor, auch sein Atomwaffenprogramm weiter
       voranzutreiben. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte 2018,
       Fachrisadeh habe dies so angelegt. „Merken Sie sich diesen Namen“, sagte er
       damals.
       
       Gegen Fachrisadeh hatte der UN-Sicherheitsrat wegen seiner Arbeit am 2003
       eingestellten Amad-Programm Sanktionen verhängt. Nach US-Erkenntnissen soll
       er zuletzt die Organisation für Verteidigungsinnovation und Forschung im
       Iran geleitet haben. Laut dem US-Außenministerium wird dort an
       Forschungsprojekten gearbeitet, die potenziell auch für Atomwaffen nützlich
       sein könnten. Die iranische Mission bei den Vereinten Nationen erklärte
       hingegen, Fachrisadeh habe an Tests und einem möglichen Impfstoff für das
       Coronavirus gearbeitet.
       
       28 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.nytimes.com/2020/11/27/world/middleeast/iran-nuclear-scientist-killed.html
   DIR [2] /Vorfall-in-Atomanlage-im-Iran/!5698453
   DIR [3] /Debatte-Iranpolitik-der-USA-und-der-EU/!5599086
   DIR [4] /Irans-umstrittenes-Atomprogramm/!5639950
       
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