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       # taz.de -- Rot-Rot-Grün streitet um Wohnungs-Posten: Verhärtigte Fronten
       
       > Krach um Vorstand der Wohnraumversorgung: Die Entscheidung von Senator
       > Kollatz (SPD) für Volker Härtig sehen viele als Rückkehr zum alten
       > Baufilz.
       
   IMG Bild: Bin ich schon drin, oder was? Volker Härtig wird neuer Vorstand der Wohnraumversorgung Berlin
       
       Berlin taz | Für viel [1][Empörung] sorgt die von Finanzsenator Matthias
       Kollatz (SPD) geplante Neubesetzung des Vorstands der Wohnraumversorgung
       Berlin mit [2][Volker Härtig (SPD)]. Der Vorsitzende des
       SPD-Fachausschusses Soziale Stadt ist bei Linken, Grünen und
       mietenpolitischen Akteuren aufgrund einer kolportierten Nähe zur
       Bauwirtschaft und wegen seines häufig als aggressiv beschriebenen
       Auftretens umstritten. Sowohl Aktivist:innen als auch [3][Grüne] und
       [4][Linke] befürchteten mit der Personalie die Rückkehr zu alten
       Baufilzzeiten.
       
       Als Vorstand der Wohnraumversorgung sitzt Härtig ab 1. Januar 2021 einer
       Anstalt des öffentlichen Rechts vor, die nach dem Mietenvolksbegehren 2015
       von Aktivist:innen erstritten wurde. Ihre [5][Aufgabe] ist,
       unternehmenspolitische Leitlinien der landeseigenen Wohnungsfirmen
       festzulegen, zu kontrollieren und dafür auch in den Austausch mit
       stadtpolitischen Initiativen zu treten.
       
       In einer [6][am Donnerstag veröffentlichten Erklärung] forderten sieben
       Initiativen wie Stadt von Unten, Bizim Kiez und Kotti & Co. den Senator
       auf, die Personalie rückgängig zu machen. Sie werten die Besetzung als
       „einen Angriff auf die soziale Mietenpolitik“, der auch im Zusammenhang mit
       jüngsten Äußerungen von der SPD-Spitzendkandidatin Franziska Giffey stünde,
       die etwa den Mietendeckel nicht verlängern will. Die SPD versuche, eine
       180-Grad-Kehrtwende in der Stadtentwicklungspolitik einzuleiten, so die
       Befürchtung: „Volker Härtig steht nicht nur für männliches Dominanzgebaren,
       sondern explizit für die Abkehr von Partizipation und sozialer
       Wohnungspolitik.“ Die Entscheidung stelle auch die Mietenpolitik von Linken
       und Grünen infrage.
       
       Das sehen diese offenbar ähnlich: Der Spitzenkandidat der Linken,
       Kultursenator Klaus Lederer, sagte der taz: „Ich verstehe, dass die
       Initiativen darin eine Abkehr der SPD von der bisherigen Wohnungs- und
       Mietenpolitik sehen, die neben dringend notwendigem Neubau leistbaren
       Wohnraums auch regulatorische Eingriffe vorsieht.“ Lederer habe seine Sicht
       auch Kollatz wissen lassen. Letztendlich sei es dessen Entscheidung, ob er
       seiner Partei einen solchen Bärendienst erweisen wolle, so Lederer – und es
       liege „bei den Spitzen der Berliner SPD, ob sie ihn gewähren lassen“.
       
       ## Gescheitertes Gespräch des Parteispitzen
       
       Die Landesvorsitzende der Linken, Katina Schubert, wollte nach einem am
       Donnerstag gescheiterten Gespräch über Härtig auf Ebene der rot-rot-grünen
       Landesvorsitzenden die Entscheidung im Senat diskutieren: „Die SPD soll uns
       mal erklären, was der Finanzsenator und der Regierende Bürgermeister
       eigentlich mit der Wohnraumversorgung vorhaben. Wenn jemand, der
       Mitbestimmung ablehnt, zum Vorstand erklärt wird, deutet das darauf hin,
       dass diese Anstalt öffentlichen Rechts nicht mehr funktionieren soll.“
       
       Auch Werner Graf, Landeschef der Grünen, war nach der Entscheidung empört:
       „Eine schlechte Nachricht für Mieter:innen in Berlin. Kollatz legt die Hand
       an die Wohnraumversorgung und macht den Kämpfer gegen diese wichtige
       Anstalt zu ihrem Chef.“ Diese „Fehlbesetzung“ sei nicht akzeptabel, so
       Graf.
       
       Der Linke Bausenator Sebastian Scheel hatte nach taz-Informationen
       versucht, die Entscheidung noch zu verhindern. Formal ist daran nach einer
       normalen Stellenausschreibung allerdings nicht mehr zu rütteln. Lediglich
       Mitbewerber:innen könnten diese rechtlich angreifen.
       
       Finanzsenator Kollatz sieht ohnehin keinen Grund, die Personalie zu
       hinterfragen: Härtig sei „ein ausgewiesener Fachmann in den für diese
       Position wichtigen Bereichen des Wohnungsbaus und der Stadtentwicklung“,
       wie er sagt. Er werde sich für den Neubau starkmachen und „gut mit den
       Verbänden der Wohnungswirtschaft zusammenarbeiten, ohne die es ja nicht
       geht“. Zur Kritik sagte er: „Eine Pro-Neubau-Position mit dem Berliner Filz
       gleichzusetzen ist schäbig.“ Kritiker mäßen Neubau keinen ausreichenden
       Stellenwert bei.
       
       Härtig selbst wollte sich nicht vor dem 4. Januar äußern. Die
       Landesvorsitzenden der SPD, Raed Saleh und Franziska Giffey, wollten sich
       nicht dazu äußern. Die Personalie sei eine Entscheidung des Senats.
       
       Die mietenpolitischen Initiativen befürchten nach der Unverrückbarkeit der
       Personalie, dass die Arbeit im Fachbeirat der Wohnraumversorgung
       schwieriger werden dürfte. Dort sitzen auch mietenpolitische Aktivist:innen
       wie etwa Rouzbeh Taheri vom Volksbegehren Deutsche Wohnen & Co. enteignen.
       
       Gerade deshalb werten die mietenpolitischen Initiativen die Besetzung als
       Frontalangriff. Der bisherige Inhaber Jan Kunert sei für seine Nähe zur
       mietenpolitischen Bewegung bekannt gewesen, wie es in dem Brandbrief der
       Mieter-Initiativen heißt: „Diese auch in der Stellenausschreibung
       formulierte Qualifikation bringt Härtig eindeutig nicht mit!“
       
       Auch bleibt unklar, wie die Zusammenarbeit mit der anderen Vorständin
       laufen soll – der im Mai von der linken Stadtentwicklungsverwaltung
       berufenen Sozialwissenschaftlerin [7][Ulrike Hamann], die selbst
       Mitgründerin von Kotti & Co. ist. Ihre Berufung erfolgte damals übrigens in
       Absprache mit der Finanzverwaltung von Kollatz.
       
       Härtig habe sich in den vergangenen Jahren als Gegner stadtpolitischer
       Initiativen dargestellt – zivilgesellschaftliche Mitbestimmung bei
       Wohnungsbauprojekten lehne er ab. Im Stadtplanungsausschuss von
       Friedrichshain-Kreuzberg habe Härtig etwa seit Jahren gezeigt, dass sein
       Stil konfrontativ, zuspitzend und aggressiv sei. Man rätsele, wie man mit
       dieser Person konstruktiv zusammen arbeiten solle. Persönliche Erfahrungen
       hätten gezeigt, dass Härtig ein „notorisch geringschätziges Verhalten
       gegenüber allen Formen von Bürger:innenbeteiligung“ an den Tag lege.
       
       Auch beim Volksbegehren Deutsche Wohnen und Co. Enteignen sieht man die
       Personalie kritisch: „Die Besetzung ist es ein regelrechter Affront
       gegenüber der stadtpolitischen Mietenbewegung“, sagt Moheb Shafaqyar von
       der Volksinitiative. Die SPD plane ein Rollback des bereits Erkämpften.
       Härtig sei ihnen als waschechter Immobilienlobbyist bekannt.
       
       17 Dec 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Streit-um-die-Personalie-Volker-Haertig/!5733905
   DIR [2] /Vorstand-Wohnraumversorgung-Berlin/!5739542
   DIR [3] https://twitter.com/kaddinsky/status/1339184719343333382
   DIR [4] https://twitter.com/die_gennburg/status/1339553158641704962
   DIR [5] https://www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohnraumversorgung/
   DIR [6] https://www.bizim-kiez.de/blog/2020/12/17/volker-haertig-als-vorstand-in-der-wvb/
   DIR [7] https://bbu.de/nachricht/46283
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gareth Joswig
       
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