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       # taz.de -- Nach Protesten gegen Dumpingpreise: Händler einigen sich mit Bauern
       
       > Nach Blockaden von Lidl und Aldi versprechen die großen Supermarktketten
       > den Landwirten Hilfe. Doch vielen Bauern reicht das nicht.
       
   IMG Bild: Cloppenburg: Landwirte blockierten die Zufahrt zum Zentrallager von Lidl Anfang Dezember
       
       Berlin taz | Nach massiven Bauernprotesten haben die großen
       Supermarktketten versprochen, die unter niedrigen Erzeugerpreisen leidende
       Landwirtschaft in Deutschland zu stärken. Eine einzurichtende Ombudsstelle
       solle Konflikte zwischen Handel und [1][Landwirten] beilegen, teilten der
       Handelsverband Lebensmittel (BVLH) und die Bauernorganisation Land schafft
       Verbindung Deutschland (LsV) am Dienstag mit.
       
       Sie „verfolgen das Ziel“, eine Herkunftskennzeichnung für heimische
       Agrarerzeugnisse einzuführen, heißt es weiter in der erst mit tagelanger
       Verspätung veröffentlichten Abschlusserklärung zu den Gesprächen, die LsV,
       BVLH, Edeka, Rewe, Aldi, Lidl und Kaufland in der vergangenen Woche geführt
       hatten. Die Handelsunternehmen kündigten auch an, in ihrer Werbung die
       Leistungen der deutschen Landwirtschaft stärker hervorzuheben. Zwei
       Arbeitsgruppen sollen darüber hinaus kurzfristig „konkrete und
       strukturelle“ Lösungen erarbeiten, damit Milch- und Schweinebauern mehr
       Geld bekommen.
       
       Die Lebensmittelhändler wollen außerdem die Forderung der Landwirte nach
       einem Sofort-Hilfsfonds unterstützen, um Einkommenseinbußen der Bauern
       durch die Coronakrise und den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in
       Deutschland abzufedern. Neben dem Handel sollen sich daran auch der Staat,
       die Lebensmittelverarbeitung und die -industrie beteiligen. Die
       vereinbarten Maßnahmen sollten „so schnell wie möglich umgesetzt werden“,
       heißt es in der Erklärung.
       
       LsV sagte im Gegenzug zu, darauf hinzuwirken, „dass der Warenverkehr
       künftig ungehindert fließen kann“. Damit dürfte gemeint sein, dass die
       Bewegung sich gegen weitere Blockaden, beispielsweise von Lidl-Lägern oder
       Molkereien, durch Trecker ausspricht.
       
       ## Blockadeteilnehmer unzufrieden
       
       Doch Unzufriedenheit mit der Erklärung gibt es gerade in den Reihen der
       Landwirte, die im Raum Cloppenburg solche Proteste organisiert haben. „Die
       Leute, die da vor den Toren gestanden haben, die sind damit nicht
       einverstanden“, sagte Jan-Bernd Stolle, Bauer aus Großenkneten, am
       Mittwoch der taz. Es fehlten konkrete und schnelle Hilfen. Er schloss
       weitere Blockaden nicht aus.
       
       Auch Stefan Grotjann, der für die Blockadeteilnehmer an den Verhandlungen
       beteiligt war, sagte: „Da waren wir so nicht mit einverstanden, weil wir
       auf der Straße waren für alle Betriebszweige.“ In der Erklärung seien aber
       nur Arbeitsgruppen für die Sektoren Milch und Schwein erwähnt.
       
       „Das ist ein bisschen heiße Luft und sonst nichts“, sagte der der taz der
       niedersächsische Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
       Landwirtschaft, Ottmar Ilchmann, über die Einigung. Dass Beteiligte an den
       Aktionen in Cloppenburg mit dem Papier nicht einverstanden seien, werde zu
       Diskussionen führen, ob der LsV-Sprecher Dirk „Andresen und der
       LsV-Bundesvorstand überhaupt die richtigen Verhandlungsführer sind – und
       Bauer Willi noch“. Unter diesem Namen tritt der Nebenerwerbslandwirt und
       Blogger Willi Kremer-Schillings auf, der früher in der Agrarchemieindustrie
       arbeitete. Auch er war bei dem Gespräch mit den Konzernen dabei.
       
       Wahrscheinlich würden nur wenige Bauern die geplante Ombudsstelle anrufen
       können. „Kein Bauer verkauft seine Rohmilch direkt an den
       Lebensmitteleinzelhandel“, sagte Christian Böttcher, Pressesprecher des
       BVLH, der taz. Schweinemäster würden ihre Tiere ebenfalls nicht
       beispielsweise an Aldi, sondern an Fleischkonzerne wie Tönnies, Vion oder
       Westfleisch liefern.
       
       ## Handel dämpft Erwartungen
       
       Auch die angedachte Herkunftskennzeichnung wird wohl den Bauern keinen
       großen Vorteil bieten. Es müsse bereits jetzt auf dem Etikett stehen, woher
       etwa Frischfleisch komme, so der Sprecher. „Wir haben bei Milch und
       Schweinefleisch Selbstversorgungsgrade, die weit jenseits der 100 Prozent
       liegen. Wir produzieren viel mehr, als wir selbst bei uns verbrauchen“,
       ergänzte Böttcher. Deshalb glaube er, „dass der überwiegende Großteil der
       Lebensmittel in Deutschland von landwirtschaftlichen Rohstoffen stammt, die
       unsere Bauern erzeugt haben.“ Zahlen dazu waren weder bei der Bundesanstalt
       für Landwirtschaft und Ernährung noch beim Statistischen Bundesamt zu
       bekommen.
       
       Böttcher dämpfte auch Erwartungen, dass die Herkunftskennzeichnung bald
       komme. Erst müsse man sich auch mit den Verarbeitern der Lebensmittel
       einigen. „Ich habe von einigen gehört: Mal doch einfach eine
       Deutschland-Fahne auf die Produkte. Nee, so einfach ist das nicht“, sagte
       der Handelslobbyist.
       
       ## Bauernvertreter warnt wegen Corona vor Blockaden
       
       LsV-Sprecher Andresen nannte die Einigung im Gespräch mit der taz denn auch
       „ein Zwischenergebnis, das bei weitem nicht ausreicht.“ Aber wenn jetzt
       Trecker Lebensmittellager zustellen würden, könnte das die Verbraucher
       gegen die Landwirte aufbringen: „Unser Problem ist, dass wir in dieser
       coronabedingten Zeit nicht Läger blockieren sollten.“
       
       Im Hinblick auf die geplante Ombudsstelle räumte Andresen ein, dass der
       Lebensmitteleinzelhandel in der Regel nicht der direkte Vertragspartner der
       Landwirte sei. Einige Obst- und Gemüsebauern aber würden an
       Supermarktketten liefern. Die Frage der taz, wieviel der Zutaten in
       Lebensmitteln nicht aus Deutschland kämen, konnte Andresen nicht
       beantworten. „Es gibt da wenig Transparenz“, sagte er.
       
       16 Dec 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
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