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       # taz.de -- Wandel in Bosnien und Herzegowina: CSU-Mann bringt neue Perspektive
       
       > Der ehemalige Landwirtschaftsminister Christian Schmidt soll neuer Hoher
       > Repräsentant für das Balkanland werden – und es aus der Misere führen.
       
   IMG Bild: Nach dem Brand im Lager Lipa sind Flüchtlinge dem Schnee ausgeliefert
       
       Sarajevo taz | Der ehemalige Landwirtschaftsminister und CSU-Politiker
       Christian Schmidt soll Hoher Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft
       in Bosnien und Herzegowina werden und damit den [1][Österreicher Valentin
       Inzko] von diesem Posten ablösen.
       
       Mit dem Personalwechsel deutet sich auch eine neue Politik der
       internationalen Gemeinschaft gegenüber dem Balkanstaat an. Vor allem
       Deutschland, die neue Administration der USA und Brüssel wollen das Land
       aus der konstitutionellen und wirtschaftlichen Misere befreien und die
       Weichen für die Aufnahme des Landes in die EU stellen.
       
       Das Land soll grundlegend reformiert werden, heißt es aus diplomatischen
       Quellen. Der noch amtierende Hohe Repräsentant Inzko und [2][sein Vorgänger
       Christian Schwarz-Schilling] haben in den letzten Monaten bereits die
       Richtung dafür vorgegeben. Die Herrschaft korrupter nationalistischer
       Politiker müsse schon kurzfristig eingeschränkt werden, fordern beide. Das
       Justizsystem müsse grundlegend reformiert werden, Kriegsverbrechen sollten
       nicht mehr verherrlicht werden können. Langfristig sollte die Verfassung
       des Landes nach europäischem Recht gestaltet werden. Christian Schmidt soll
       nach Wünschen aus Berlin, Brüssel und Washington mit frischer Energie ans
       Werk gehen.
       
       Das Amt des Hohen Repräsentanten wurde mit dem [3][Friedensvertrag von
       Dayton vor 25 Jahren] installiert, um die Umsetzung des Vertrages, der
       gleichzeitig die Verfassung des Landes darstellt, zu überwachen. Bestellt
       und kontrolliert wird der Hohe Repräsentant vom sogenannten Peace
       Implementation Council (PIC), dem 55 Staaten und internationale
       Organisationen wie die Vereinten Nationen, die OSZE oder die Weltbank
       angehören.
       
       Vor allem Russland, das sowohl im PIC wie auch im Weltsicherheitsrat
       vertreten ist, hat sich bis dato geweigert, die Institution des Hohen
       Repräsentanten weiter zu erhalten – vor allem aus Rücksicht auf die
       serbischen Nationalisten in Bosnien und Herzegowina, die ihre Macht nicht
       eingeschränkt sehen wollen. So wurde die Neuwahl eines Hohen Repräsentanten
       unmöglich und der Österreicher Inzko blieb mehr als 10 Jahre im Amt.
       
       Er hatte während dieser Zeit allerdings nur wenig Rückendeckung durch die
       internationale Gemeinschaft. So konnte Inzko die sogenannten Bonn Powers,
       die ihm die Möglichkeit geben, Politiker, die „gegen den Geist des
       Abkommens von Dayton verstoßen“, einfach abzusetzen, nicht anwenden.
       
       Das soll jetzt alles anders werden. Denn nach Informationen aus
       diplomatischen Kreisen ist es Angela Merkel und dem Kanzleramt gelungen,
       Russland in eine neue Strategie einzubinden. Für Russland wäre es
       unmöglich, einem Amerikaner grünes Licht zu geben, was vor allem die
       bosnische Öffentlichkeit in Sarajevo gewünscht hat. Der 63-jährige
       CSU-Politiker Christian Schmidt könnte aber von Russland akzeptiert werden,
       heißt es aus diplomatischen Quellen.
       
       Nach der Fluchtbewegung von Zehntausenden [4][vor allem jungen Menschen in
       Richtung Westeuropa], weil sie den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen
       Stillstand nicht mehr ertragen wollen, haben Brüssel, die USA und
       Deutschland jetzt offenbar den ernsthaften Willen, im Land Veränderung
       voranzutreiben.
       
       Die Personalie des Bundestagsabgeordneten Christian Schmidt, der im
       außenpolitischen Ausschuss des Bundestages sitzt, war schon seit Längerem
       im Gespräch. Der ehemalige Landwirtschaftsminister verfügt über Kontakte
       nach Osteuropa und Russland und war mehrmals in Bosnien. Aber noch muss er
       voraussichtlich im Frühjahr mit dem Segen Russlands vom PIC gewählt werden.
       
       29 Dec 2020
       
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