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       # taz.de -- Drehbuchautorin klagt wegen Belästigung: #MeToo in Chinas Staatsfernsehen
       
       > Als die Chinesin Zhou Xiaoxuan ihre Belästigungserfahrung öffentlich
       > machte, wurde sie zensiert und bedroht. Ihr Fall landet nun vor Gericht.
       
   IMG Bild: Zhou Xiaoxuan (2.v.l.) und Unterstützerinnen am Mittwoch vor dem Gericht in Peking
       
       Peking taz | In den Morgenstunden des Mittwochs haben sich Dutzende junge
       Frauen vor dem Gericht in Pekings Haidian-Bezirk versammelt. Auf ihre
       Gesichtsmasken haben sie mit rotem Lippenstift „#Me2“ geschrieben. Eine
       besonders mutige Gruppe hält Protestbanner vor die Kameras der anwesenden
       Journalisten: „Wir verlangen eine Antwort“, steht darauf geschrieben.
       
       Eine Antwort fordert auch die mittlerweile 27-jährige Zhou Xiaoxuan. Als
       sie im Wintermantel zu ihrer Anhörung erscheint, gibt sie ein kurzes
       Statement ab: „Selbst wenn wir in diesem Fall letztlich keinen rechtlichen
       Sieg erreichen werden: Solange wir der Öffentlichkeit beweisen, dass es
       Opfer von Gewalt gegen Frauen gibt, ist das schon eine Art Sieg.“ Darauf
       verschwindet Zhou unter Tränen im Gerichtsgebäude.
       
       Die Drehbuchautorin ist eines der wenigen öffentlichen Gesichter von Chinas
       MeToo-Bewegung. Zwei Jahre nach der ersten Anzeige landet ihr Fall nun vor
       Gericht. Inspiriert durch den globalen Aufschrei von Frauen, die
       Belästigungs- und Gewalterfahrungen öffentlich machten, teilte auch Zhou im
       Sommer 2018 ihre Geschichte.
       
       Als Praktikantin beim staatlichen Sender CCTV wurde sie eines Tages
       gebeten, einen Obstteller in die Garderobe des TV-Moderators Zhu Jun zu
       bringen. Dort habe dieser sie gegen ihren Willen geküsst und sexuell
       belästigt.
       
       ## Frauen beschrieben ähnliche Erfahrungen
       
       „Es ist wichtig für jedes Mädchen, offen auszusprechen, was sie erlitten
       hat“, schrieb sie damals in einem Essay, der auf den sozialen Medien viral
       ging. Darauf schrieben ihrerseits viele Internetnutzerinnen über männliche
       Gewalt – ehe die [1][Zensur] die Kommentarfunktion deaktivierte und den
       Medien verbat, über den Fall zu berichten.
       
       Der mutmaßliche Täter ist 56-Jahre alt und einer der mächtigsten Männer der
       Branche. Regelmäßig moderierte er die Neujahrsgala, Chinas
       Megafernsehereignis mit über 700 Millionen Zuschauern.
       
       Zhu Jun bestreitet die Vorgänge nicht nur, er reichte auch eine
       Verleumdungsklage ein. Darauf passierte das für chinesische Verhältnisse
       Einmalige: Statt aufzugeben, wie sie es zunächst vorhatte, entschied sich
       Zhou Xiaoxuan vor Gericht zu kämpfen.
       
       Auch wenn die Staatsführung Frauenrechte thematisiert und durchaus Erfolge
       auf dem Gebiet vorzuweisen hat, geht sie dennoch rigoros gegen
       Graswurzelbewegungen der Zivilgesellschaft vor. So ist die Polizei auch vor
       dem Gerichtsgebäude in Peking zur Stelle. Ein Beamter bittet die anwesenden
       Frauen, ihre Protestschilder beiseitezulegen. Zwei seiner Kollegen hingegen
       gehen überaus ruppig vor – und führen die Videoreporter westlicher Medien
       ab.
       
       Im chinesischen Netz lässt sich bis zum Abend des ersten Verhandlungstags
       kein Bericht der Medien finden. Verzweifelt über die Zensur schreibt eine
       Frau auf ihrem Social-Media-Account: „Ich warte hier schon den ganzen Tag,
       aber ich kann nichts in den Nachrichten finden. Ich weiß nicht, ob ich
       lachen oder weinen soll.“
       
       3 Dec 2020
       
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