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       # taz.de -- Junge Obdachlose in Hamburg: Im Lockdown auf der Straße
       
       > Sozialarbeiter fordern, dass die Stadt Hotelzimmer für junge wohnungslose
       > Menschen bezahlt. Das mit Spenden finanzierte Hotelprojekt ist schon
       > voll.
       
   IMG Bild: Junge Hamburger Obdachlose: Dieses Foto entstand bereits im Jahr 2016
       
       Hamburg taz | Sie schlafen teils in der U-Bahn, teils in Bahnhöfen oder in
       Kellern: Die Beratungsstelle Hude für junge Wohnungslose in Winterhude
       sorgt sich um ihre Besucher. Etwa 40 kämen in der Woche, sagt
       Sozialarbeiter Alexis Schnock. „Oft sind es junge Leute, für die im
       Elternhaus kein Platz mehr ist oder die mit 18 aus der Jugendhilfe
       entlassen werden.“ Und nun im Lockdown, wo das Leben still steht, sei es
       noch schwieriger, ihnen zu helfen, wenn sie auf der Straße stehen.
       
       Die Sozialbehörde verweist auf das allgemeine Winternotprogramm. Doch das
       ist für Schnock und seine Kollegen vom „[1][Arbeitskreis Wohnraum für junge
       Menschen]“ keine Lösung. „Dass die Stadt diesen Menschen während einer
       Pandemie bei gleichzeitigem Aufruf zur Kontaktreduzierung nur
       Sammelunterkünfte anbietet, ist skandalös“, schrieb der Arbeitskreis am 16.
       November in einem Appell. Der sei ohne Reaktion geblieben, sagt Schnock.
       Dringend nötig sei die unkomplizierte Hotelunterbringung für junge
       wohnungslose Menschen „jetzt“. Zumal die Hotels wegen Corona leer sind.
       
       Ein ähnliches Projekt läuft bereits seit 1. Dezember. Bezahlt mit Spenden
       der Reemtsma-Zigarettenfirma, des FC St. Pauli und weiteren, mieten
       Diakonie, Caritas und das Obdachlosenprojekt Hinz & Kunzt für 80 Menschen
       Zimmer in Hotels.
       
       Doch das Projekt ist voll. „Unsere Warteliste ist geschlossen“, sagt
       Diakonie-Mitarbeiter Peter Ogon. Alle 80 Plätze seien belegt, darunter nur
       drei bis vier mit jungen Leuten. Es könnten mit mehr Spenden vielleicht 90
       Plätze werden, aber beliebig lasse sich dieses Projekt nicht ausdehnen, „da
       wir die Menschen auch begleiten möchten“, wie Ogon sagt.
       
       ## Einige sind verschollen
       
       Die Diakonie gibt Hude einen niedrigen vierstelligen Betrag der Spenden ab,
       damit sie für ihre Jungerwachsenen Zimmer mieten kann. Aber weit reicht das
       nicht. „Wir finden, die Hotelzimmer muss die Stadt bezahlen“, sagt Schnock.
       Darin unterstützt ihn Ronald Priess, Ex-Jugendreferent der Linken und
       Botschafter der Straßenkinder-Bewegung. „Die Jugendlichen sind so schnell
       wie möglich von der Straße zu holen“, fordert er.
       
       Das Straßenkinder-Projekt Momo, in dem junge Leute selber aktiv sind,
       setzte am Freitag eine Hyperlink-Petition an die Bundesregierung neu auf.
       Die müsse dringend handeln, „um Kinder und Jugendliche vor Kälte,
       Missbrauch und Corona zu schützen“, lautet der Aufruf.
       
       Die bei Momo tätige Sozialarbeiterin Verena Lüer macht sich Sorgen: „Es
       gibt Jugendliche, die wie verschollen sind, wir erreichen sie nicht mehr.“
       Priess sagt, es sei kein gutes Zeichen, wenn viele Jugendliche unsichtbar
       sind, könne es doch bedeuten, dass die in Wohnungen von „Pädophilen und
       anderen zweifelhaften Erwachsenen“ unterkamen.
       
       Im Grunde gärt der Streit zwischen Stadt und Wohn-Arbeitskreis schon zehn
       Jahre. Die Sozialarbeiter kämpfen für eine Notschlafstelle für 18- bis
       27-Jährige, weil diese nicht in die Erwachsenenunterkünfte passen und diese
       strikt meiden. Und siehe da: Im r[2][ot-grünen Koalitionsvertrag] vom Mai
       ist erstmals so eine eigene Stelle vorgesehen, die übergangsweise bis 2024
       Erfahrungen sammeln darf. Dann wird die große Obdachlosen-Schlafstelle PIK
       AS neu gebaut, wo die SPD die jungen Leute mit unterbringen will.
       
       Die Sozialbehörde antwortet auf die Frage, ob sie jetzt Hotelzimmer für
       junge Obdachlose bezahlt, ausweichend. Hotels seien kein Teil des
       Winternotprogramms. Nur in Einzelfällen, wenn die spezielle Situation es
       erfordere, würden Hotels bezahlt.
       
       Die grüne Sozialpolitikerin Mareike Engels, die sich im Mai für besagte
       Notschlafstelle starkmachte, bleibt indes dabei, dass sie diese dauerhaft
       einrichten möchte. Sie könne sich auch die vom Arbeitskreis geforderte
       Unterbringung in Hotels als „leicht realisierbare Übergangslösung gut
       vorstellen“, sagt Engels, vorausgesetzt, es gebe eine Anbindung an die
       Jugendsozialarbeit.
       
       21 Dec 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://jungwohnungslos-hamburg.de/
   DIR [2] /Neue-Koalition-in-Hamburg/!5685298
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kaija Kutter
       
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