# taz.de -- Heimniederlage für den FC St. Pauli: Euphorische Talfahrt
> Neuanfang einstweilen gescheitert: Nach einer 0:3-Klatsche gegen Fortuna
> Düsseldorf findet sich der FC St. Pauli tief im Zweitliga-Keller wieder.
IMG Bild: Hamburger Gesichter sind lang: Igor Matanovic (liegend) und Simon Makienok nach dem Schlußpfiff
Hamburg taz | Es ist erstaunlich ruhig am Millerntor. Was nicht nur daran
liegt, dass im Stadion des FC St. Pauli derzeit keine Zuschauer*innen
zugelassen sind. Ruhig ist es auch hinter den Kulissen. Und das, obwohl die
Mannschaft nach einem sonntäglichen 0:3 (0:1) gegen Fortuna Düsseldorf –
und damit neun sieglosen Partien – tief im Tabellenkeller steckend in die
kurze Weihnachtpause geht: Vorletzter Platz, Abstiegszone und vom rettenden
Ufer ein ganzes Stück entfernt.
Bei jedem anderem Club würden die Alarmglocken schellen und eine
Trainerdiskussion wäre längst im Gange. Auf St. Pauli aber versuchen alle
Verantwortlichen, Ruhe zu bewahren und den eingeschlagenen Weg konsequent
weiterzugehen: Im Sommer hatte sich der Verein zu einem Schnitt
entschlossen und Trainer Jos Luhukay den Stuhl vor die Tür gestellt.
Neuer Chefcoach wurde Timo Schultz, als Spieler, Trainerassistent und
Nachwuchstrainer seit 15 Jahren Paulianer. Ein herausfordernder Umbruch,
denn etliche Leistungsträger, darunter Mittelfeld-Motor Mats Möller Daehli
und der niederländische Stoßstürmer Henk Veermann verließen 2020 die
Mannschaft. Ersetzt wurden sie durch junge Talente aus den Ligen zwei und
drei, aber auch eigenem Nachwuchs.
Kyereh, Daschner, Zalazar oder auch die Eigengewächse Becker Wiekhoff und
Matanovic: Sie sind 17 bis 25 Jahre alt und nun die Akteure, auf die der FC
St. Pauli in der Zukunft setzt. In den ersten Spielen deutete die
runderneuerte Offensive auch an, dass sie voll ligatauglich ist: Sie
schnürte die meisten gegnerischen Teams in ihrer eigenen Hälfte ein, hatte
zumeist mehr Ballbesitz, Großchancen und gewonnene Zweikämpfe zu verbuchen
als ihre jeweiligen Gegenspieler.
Das sehen auch die Verantwortlichen des Vereins und schätzen Schultz’
Arbeit und die Entwicklung der Mannschaft insgesamt positiv ein. Vor allem
in den ersten Partien der laufenden Saison spielte St. Pauli einen
wesentlich attraktiveren und engagierteren Fußball als unter Luhukay – in
der Vereinsspitze kam sogar ein wenig Euphorie auf.
## Das Spiel sieht oft gut aus
Einzig: Die Ergebnisse stimmten nicht, und die sind im „Ergebnissport
Fußball“ halt das Wichtigste. Denn regelmäßig führte die offensive
Ausrichtung der „jungen Wilden“ vom Millerntor zu frühen Gegentoren – auch,
weil die Abwehrarbeit vernachlässigt wurde. So hatte der FC auch am Sonntag
gegen Düsseldorf die früheren Großchancen durch Kyereh. Den ersten Treffer
erzielte jedoch die Fortuna: Denen bescherte ein Torschuss durch Petersen
nach nur zehn Minuten die Führung.
Und das ist typisch: In zehn von bisherig zwölf Partien mussten die
Hamburger einen Rückstand aufholen. Das gelang zwar auch, so schafften die
Hamburger gleich fünfmal noch ein 2:2-Endergebnis. Das zeugt zwar von einer
intakten Moral in der Truppe, war aber zu wenig Ertrag für viel Aufwand.
Auch schoss das Team in den ersten sechs Spielen mehr Tore als jedes andere
– kassierte aber im Schnitt auch mehr als zwei Gegentreffer pro Partie. So
kommen die Paulianer im bisherigen Saisonverlauf auf gerade mal einen Sieg.
Bislang misslungen ist einstweilen Schultz’ Versuch, seinem stürmenden
Haufen eine defensivere Spielweise beizubringen. Ins entsprechende
taktische Korsett gezwängt, kam der Offensivabteilung wie auch jetzt gegen
Düsseldorf das Toreschießen abhanden, während die Zahl der Gegentreffer
fast stabil blieb: Das ist auch eine Folge der Schultzschen Maxime, den
Ball nicht planlos nach vorne zu kloppen, sondern selbst in bedrängter
Situation noch gepflegte Pässe zu spielen – die dann manchmal beim Gegner
landen. Aus solchen Fehlpässen resultierte ein Großteil der Gegentore,
gegen Düsseldorf etwa das 0:3 durch Prib in der Nachspielzeit.
Zwischenzeitlich hatte ausgerechnet Rouwen Hennings, der vier Jahre am
Millerntor kickte, per Kopfball auf 0:2 erhöht (64).
Der Hamburger Trainer muss sein Team nun zügig so aufstellen, dass die
positiven Zweikampf- und Torschussdaten in Zählbares umgemünzt werden. Auch
für St. Pauli gelten ja die Gesetze der Branche: Gelingt nicht spätestens
am 6. Januar ein Sieg beim Tabellenletzten Würzburg, dürfte es mit der Ruhe
vorbei sein am Millerntor. Schafft die Mannschaft in den sieben im Januar
angesetzten Spielen keine Kehrtwende, könnte es noch im Winter heißen:
Schluß mit Schultz.
21 Dec 2020
## AUTOREN
DIR Marco Carini
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