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       # taz.de -- Dauerkrise des FC Schalke 04: Gefangen im Gestern
       
       > Dem taumelnden Klub aus Gelsenkirchen ist nicht viel mehr geblieben als
       > seine Tradition. Im Abstiegskampf hilft das nur wenig.
       
   IMG Bild: Reanimation aus der Fußballsteinzeit: Huub Stevens
       
       Fußball spielen können sie nicht in Gelsenkirchen. Nicht einmal gegen
       Arminia Bielefeld, die das auch nicht besonders gut können, ist dem FC
       Schalke 04 ein Sieg gelungen. Auch wenn erst 13 Spiele in der laufenden
       Saison gespielt sind, glaubt kaum einer, der die Bundesliga beobachtet,
       [1][dass der Klub die Klasse halten kann]. Und doch muss man sich um
       Schalke keine Sorgen machen. Der Verein mag abgewirtschaftet haben, er mag
       im Schuldensumpf versinken.
       
       Seine Mitglieder mögen sich fragen, ob es richtig war, sich vom
       Fleisch-Oligarchen Clemens Tönnies zu verabschieden oder ob es vielleicht
       besser gewesen wäre, sich diesem erst gar nicht zu unterwerfen. Der
       Eingetragene Verein mag den letzten Rest seiner moralischen Integrität
       verloren haben, als er sich zum gut bezahlten Botschafter des russischen
       Energieriesen Gazprom hat machen lassen. Schalke mag in den letzten Wochen
       viel verloren haben, eines aber hat der Klub im Überfluss: Tradition.
       
       Und so wird dieser Klub, der von seinen Anhängern so angebetet wird wie die
       Schwarze Madonne in Altötting von Pilgern aus aller katholischer Herren
       Länder, ewig weiterleben im Gedächtnis der deutschen Fußballgemeinde. Dass
       man als Gegenwert für Tradition [2][keinen sportlichen Erfolg] erwarten
       darf, das haben andere sogenannte Traditionsvereine nur allzu oft unter
       Beweis gestellt.
       
       Dass Schalke genau das immer wieder versucht, hat beinahe schon etwas
       Rührendes. Huub Stevens, der Trainer, den die Anhänger im Jahr 2000 zum
       Coach der Schalker Jahrhundertelf gekürt haben, durfte einmal mehr den in
       schwarz-weiß gehaltenen Bildbänden, in denen an die großen Zeiten der
       Schalker erinnert wird, entsteigen und auf der Trainerbank Platz nehmen.
       Warum eigentlich? Weil er für die gute, alte Zeit steht. Und die kann
       Schalke niemand nehmen. Die Aufmerksamkeit ist dem Klub in solchen Momenten
       der Selbtmusealisierung gewiss.
       
       ## Wie wäre es mit Stan Libuda?
       
       Noch mehr Aufmerksamkeit könnte Schalke nur generieren, wenn Stevens die
       noch lebenden Spieler der [3][Jahrhundertelf] auf den Platz schicken würde.
       Und sportlich würde sich ja nicht viel ändern, wenn Norbert Nigbur, Klaus
       Fischer, Rüdiger Abramczik, Klaus Fichtel, Olaf Thon, Marc Wilmots und Ingo
       Anderbrügge spielen würden. Verlieren können die auch. Und weil man die
       verstorbenen Jahrhundertkicker Rolf Rüssmann, Fritz Szepan, Ernst Kuzorra
       und Stan Libuda ja schlecht aufbieten kann, liegt die Erklärung für
       Niederlagen dann beinahe schon auf der Hand. Andere mögen vom
       Verletzungspech geplagt sein, Schalke leidet unter einem massiven
       Totenpech. Klar, RB Leipzig hat es da besser.
       
       Wie es aussehen kann, wenn Klubs an ihrer eigenen Geschichtsbesoffenheit
       zugrunde gehen, lässt sich andernorts ganz gut studieren. Fans des TSV 1860
       München müssen weinen, wenn sie den Namen des legendären Meistertorhüters
       Radi Radenković hören, auch wenn sie ihn nie haben spielen sehen.
       Traditionsbewusstsein kann helfen, die triste Gegenwart ein wenig zu
       verdrängen.
       
       Sie kann aber auch dazu führen, dass sich ein Klub immer noch zu den ganz
       Großen des Landes, ja Europas zählt, auch wenn die Gegner Sandhausen oder
       Heidenheim heißen. Als Studienobjekt bietet sich hier der Hamburger SV an.
       Dessen Anhänger fragen sich längst, ob ihr Uwe (Seeler, Anm. d. Red.) das,
       was da gerade geschieht, verdient hat. Und in Kaiserslautern haben etliche
       harte Landungen nach arg hochfliegenden Plänen dazu geführt, dass der
       Betzenberg längst eher ein Stadionarchitekturdenkmal ist denn ein
       Fußballtempel.
       
       Kaiserslautern wird seinen Platz in der Fußballgeschichte behalten. In der
       Bundesliga wird man den Klub wahrscheinlich so schnell nicht mehr sehen.
       Dem FC Schalke 04 könnte es bei gleichbleibendem sportlichem Abwärtstrend
       ähnlich ergehen. Der Klub könnte unvergessen bleiben und doch völlig
       bedeutungslos werden. Glück auf!
       
       20 Dec 2020
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
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